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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

eröffnen sie so tiefe Einblicke in die geheimen Werkstätten der Natur, daß eine kurze Schilderung der Kunst, Edelsteine herzustellen, sicher auch in weiteren Kreisen Interesse erwecken dürfte.

Das Material, aus welchem die Edelsteine bestehen, ist an und für sich werthlos. Da schillert und funkelt der geschliffene Diamant, wird je nach seiner Größe mit Hunderten und Tausenden bezahlt – und doch besteht er in Wirklichkeit aus Kohlenstoff, aus demselben Kohlenstoff, der auf der Erde uns in mächtigen Graphitlagern entgegentritt oder den wir aus einer rußenden Flamme darstellen können. Aber in dem Diamanten hat dieser Kohlenstoff ein besonderes Gefüge, er hat in ihm eine besondere Krystallform angenommen, und diese verleiht ihm den hohen Werth. Oder betrachten wir den prachtvollen Rubin; er besteht aus Aluminiumoxyd, aus der gemeinen Thonerde, die als Lehm einen so großen Theil des Erdreichs ausmacht. Aber im Rubin tritt uns dieser gewöhnliche Stoff in der edleren Krystallform entgegen. Aehnlich verhält es sich mit den anderen Edelsteinen; wir brauchen nur ganz billige, nahezu werthlose Stoffe in Krystalle umzuwandeln, und es ist uns alsdann die Kunst, echte Edelsteine herzustellen, gelungen. Aber diese Kunst ist nicht so leicht, denn die Stoffe, die hier in Frage kommen, krystallisieren nur unter besonderen, schwer zu erreichenden Bedingungen.

Wie entstehen denn nun Krystalle? Aus der festen formlosen oder „amorphen“ Masse bilden sie sich nicht. Aus pulverisiertem Alaun können wir keine Krystalle bilden, wenn wir das Pulver zusammenpressen. Wir müssen zuerst das Pulver in heißem Wasser auflösen, alsdann kristallisiert der überschüssige Alaun beim Erkalten der Lösung aus dieser heraus. Das ist der eine Weg zur Bildung von Krystallen. Ferner entstehen sie, wenn wir verschiedene Stoffe verdampfen und die Dämpfe in kühleren Röhren auffangen; dann bedecken sich die Flächen der Röhren mit kleineren oder größeren Krystallen des verdampften Stoffes; wir nennen diesen zweiten Vorgang „Sublimation“. Endlich können wir Massen zum Krystallisieren bringen, indem wir sie durch Hitze schmelzflüssig machen; lassen wir sie dann langsam abkühlen, so bilden sich in der erkaltenden Masse Krystalle.

Die Mineralogen haben die drei bezeichneten Wege zur Herstellung von Edelsteinen benutzt und auf allen dreien Erfolge erzielt; aber aus wässerigen Lösungen konnten nur sehr kleine, fast mikroskopische Krystalle gewonnen werden, da sie hier ungemein langsam wachsen. Die Natur ließ sie im Laufe von Jahrhunderten auf diese Weise sich bilden, dem kurzlebigen Menschen stehen solche Zeiträume nicht zur Verfügung. Auch auf dem Wege der Sublimation konnte man bis jetzt nur winzige Krystalle erhalten. Edelsteine von einer Größe, daß man sie schleifen konnte, wurden nur durch den Schmelzfluß erzielt.

Doch wir wollen die Art der Herstellung an einem Beispiel erläutern:

Die größten Fortschritte hat man bis jetzt in Laboratorien in der Erzeugung des Korunds gemacht. Der Korund ist nach dem Diamanten der härteste und werthvollste Edelstein. Er kommt in verschiedenen Arten vor, von denen der Rubin mit rother und der Saphir mit blauer Grundfarbe die wichtigsten sind. Der Korund besteht seiner Zusammensetzung nach aus Thonerde, welcher noch winzige Mengen färbender Substanzen beigemengt sind. Die ersten Versuche, diesen Edelstein künstlich zu gewinnen, gehen bis in das Jahr 1839 zurück. Aber erst nach jahrelangen Bemühungen gelang es Frémy in Paris, Korunde, namentlich Rubine herzustellen, die so groß waren, daß man sie schleifen und aus ihnen einen Schmuck herstellen konnte.

Reine Thonerde schmilzt in unseren Oefen nicht; erst wenn sie mit verschiedenen Flußmitteln wie Mennige, Fluorcalcium etc. vermengt wird, wird sie bei niedrigeren Temperaturen flüssig. Frémy fand nun die passende Mischung heraus, setzte noch etwas färbendes Material in Gestalt des chromsauren Kali zu, hielt 50 Liter dieser Masse acht Tage ständig in einer Temperatur von + 1500° C, und siehe da, es krystallisierten sich bei langsamem Abkühlen schleifwürdige, einige Millimeter große Krystalle heraus, von denen die meisten rothe Färbung zeigten, also Rubine waren, während einige andere blau aussahen und sich als echte Saphire erwiesen. Sie zeigten sich bei der sorgfältigsten sachverständigen Untersuchung den natürlichen Rubinen und Saphiren durchaus gleichwerthig; nur bei der Prüfung im Spektroskop konnten geringfügige Unterschiede wahrgenommen werden, die wahrscheinlich darauf zurückzuführen sind, daß die färbenden Stoffe bei den natürlichen Edelsteinen anders beschaffen sind.

Ein anderer Edelstein, der Smaragd, hat eine verwickeltere Zusammensetzung; auf 100 Theile seiner Masse kommen 67 Theile Kieselsäure, 19 Theile Thonerde und 14 Theile Beryllerde; außerdem enthält er noch winzige nicht meßbare Spuren eines Färbemittels, welches ihm die grüne Farbe verleiht. Indem nun Hautefeuille, ein französischer Mineralog, die oben erwähnte Mischung unter Zusatz eines entsprechenden Flußmittels schmolz und ihr als Farbstoff Chromoxyd zusetzte, erhielt er ziemlich durchsichtige, sehr schön tiefgrüne Smaragdprismen von mehreren Millimetern Dicke.

Auch der Spinell, von welchem namentlich die lichten und rothen Formen besonders hoch geschätzt werden, wurde in 3 bis 4 mm dicken Krystallen von Ebelman hergestellt. Die Mischung bestand aus reiner Thonerde und Magnesia, den Bestandtheilen dieses Edelsteins, denen als Flußmittel Borsäure zugesetzt wurde, während als Färbemittel Chrom benutzt wurde.

Die Herstellung der anderen weniger werthvollen Edelsteine und Halbedelsteine hat nur ein theoretisches Interesse, da man sie in der Natur häufig findet und sie nicht hoch im Preise stehen. Manche von ihnen, wie z. B. der blaue Türkis, sind nicht einmal Krystalle, sondern werden nur aus festen undurchsichtige Mineralmassen herausgeschliffen. Die Herstellung des echten Türkises ist darum auch sehr leicht, und so befinden sich wohl viele künstliche Türkisen im Umlauf, die man für natürliche ausgiebt, während man andererseits natürliche für künstliche gehalten hat.

Eine praktische Tragweite hat augenblicklich die Herstellung echter Rubine in Laboratorien. Der Rubin ist einer der werthvollsten Edelsteine; in früheren Jahrhunderten wurde er sogar weit besser als der Diamant bezahlt, und der berühmte Goldschmied des 16. Jahrhunderts Benvenuto Cellini schätzte das Karat (etwa 1/5 g) des schönsten Rubins auf 300 Scudi (nach unserem Gelde etwa 1260 Mark, das des Diamanten nur auf 100 (420 Mark). Heutzutage sind zwar die Rubinpreise nicht ganz fest, aber immerhin werden fehlerfreie schöne karminrothe Rubine theurer als Diamanten bezahlt, insbesondere Steine von 3 Karat aufwärts. Die Rubingrubenkompagnien möchten wohl gern die Preise noch höher hinaufschrauben, aber wie Prof. Dr. C. Doelter in seiner soeben erschienenen „Edelsteinkunde“[1] (Leipzig, Verlag von Veit u. Co.) treffend bemerkt, werden sie daran durch die Entdeckungen Frémys gehindert, denn bei einem höheren Preise als dem jetzigen würde die Anfertigung künstlicher Rubine lohnend erscheinen und sich zur Industrie ausbilden können. Und vielleicht ist dies bereits der Fall. Im Jahre 1885 tauchten nämlich im Handel schöne karminrothe Rubine auf, welche eine beträchtliche Größe hatten und sowohl in Bezug auf Härte als auf Dichte sich den natürlichen vollkommen ebenbürtig erwiesen, nur bei der Untersuchung auf spektroskopischem Wege ein verschiedenes Verhalten zeigten. Zuverlässiges ist über diese Steine nicht in die Oeffentlichkeit gedrungen; sie werden angeblich in Genf fabriziert und unter dem Namen „rubis réconstruits“ billiger als natürliche Rubine verkauft. Jedenfalls sind es Kunsterzeugnisse, und es ist nicht ausgeschlossen, daß sie nach dem Frémyschen Verfahren hergestellt werden.

Wir haben aber bis jetzt von dem König der Edelsteine, vom Diamanten, geschwiegen. Ist es möglich, ihn künstlich zu erzeugen? Viele haben sich bereits gerühmt, dieses Kunststück vollbracht zu haben, aber die nachfolgende Kritik hat ihnen das Verdienst abgesprochen. Nun kommt wieder aus Paris die Kunde, daß dort im Laboratorium echte Diamanten dargestellt worden sind. Betrachten wir die Sache näher!

Den Mineralogen, die Edelsteine und Felsarten herzustellen suchen, ist neuerdings in der Elektricität ein kräftiger Bundesgenosse erwachsen. Die größte Hitze, welche man bis dahin in Laboratorien herstellen konnte, lieferte das Knallgasgebläse, die Flamme, die durch Verbrennen des Wasserstoffs in reinem Sauerstoff erzeugt wird; man schätzt ihre Leistung auf etwa + 2000° C. Sie wird bei weitem übertroffen durch die Gluth des elektrischen Lichtbogens, die Professor Violle in Paris kürzlich vermittelst sinnreicher Apparate und Berechnungen gemessen und etwa + 3500° C hoch gefunden hat. Mit dieser Hitze läßt sich sicher mehr erreichen. In der That hat ein anderer Pariser, der Chemiker Moissan, gegen das Ende vorigen Jahres einen elektrischen Schmelzofen konstruiert, der bei ganz einfacher Bauart eine Hitze von + 3000° C zu liefern imstande ist. In dieser Gluth schmilzt alles, was irgendwie schmelzbar ist. Man braucht keine Flußmittel; Magnesia, Thonerde schmelzen augenblicklich. Moissan konnte von seltenen Metallen, wie z. B. Uran, von denen man nach den bisherigen Methoden nur ganz dünne und leichte Blättchen darzustellen vermochte, Klumpen von 120 Gramm Gewicht auf einen Schlag herstellen. Aus diesem Schmelzofen sind auch Steine hervorgegangen, die Moissan für Diamanten hält.

Seit langer Zeit wissen wir, daß schmelzendes Eisen und andere geschmolzene Metalle Kohlenstoff auflösen, ähnlich wie das Wasser den Alaun. Kühlt sich das Eisen ab, so krystallisiert aus ihm der Kohlenstoff heraus, aber diese Krystalle sind unter gewöhnlichen Umständen keine Diamanten. Der Kohlenstoff krystallisiert nämlich in zwei Systemen, in dem oktaëdrischen, und dann heißt er Diamant, oder in dem hexagonalen, und dann bildet er den Graphit. Wenn das Eisen in unseren Hochöfen erkaltet, so krystallisiert der Kohlestoff als Graphit heraus. Nun beträgt die Dichte von Graphit etwa 2,0, d. h. er ist etwa zweimal so schwer wie das Wasser, die Dichte des Diamanten aber 3,5. Moissan kam also auf den schon von anderen früher ausgesprochenen Gedanken, den Kohlenstoff in schmelzenden Metallen, namentlich Eisen und Silber, aufzulösen und ihn dann unter einem hohen Drucke auskrystallisieren zu lassen, die Kohlenstoffmasse sozusagen dichter zu machen. Diesen Druck erzielte er mit Hilfe des elektischen Schmelzofens auf besonderen Umwegen, auf die wir hier nicht eingehen können. Er erhielt in der That winzige Kryställchen, welche annähernd die Dichte des Diamanten zeigten, den Rubin ritzten und in Sauerstoff zu Kohlensäure verbrannten; aber nur wenige waren durchsichtig, die meisten zeigten schwarze Farbe, sodaß sie vermuthlich die Diamantvarietät darstellten, die man „Carbonado“ nennt. Die gewonnenen Mengen dieser Edelsteine sind so gering, daß man eine zuverlässige, über jeden Zweifel erhabene chemische Prüfung nicht ausführen konnte. Immerhin bedeuten die Versuche Moissans mindestens einen Schritt vorwärts zur Lösung der so schwierigen, seit vielen Jahren versuchten Aufgabe. Eine praktische Bedeutung kommt ihnen vorläufig nicht zu; das bißchen Diamantenpulver kostet Moissan mehrere Tausend Franken. Es besteht also noch keine Gefahr, daß die Diamanten allzu gemein würden.

Wie dem auch sei, das, was bis jetzt auf diesem Wege sicher erreicht wurde, schließt schon einen gewaltigen Fortschritt in sich; die Herstellung echter Edelsteine wird für immer einer der „brillantesten“ Triumphe des menschlichen Geistes bleiben.


  1. Wir möchten dieses Werk, welches im Gegensatz zu den bisher erschienenen Schriften über Edelsteine weniger die Geschichte und den Handel, dagegen in gründlicher Weise die Naturwissenschaft berücksichtigt, allen denjenigen empfehlen, die für Edelsteinkunde Interesse haben.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_187.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)