Seite:Die Gartenlaube (1893) 192.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Ja, arbeiten durfte er für Jechaburg; dann aber hieß es: „Schab ab!“ Wenn sie ihn heute wieder anfallen wollten! Seine Faust krampfte sich um den Schwertgriff.

Da umschlangen ihn zwei weiche Arme. Eine Hand, die selbst in der Nacht weiß leuchtete, faßte ihn und zog ihn dem Weiher zu. Sprechen durfte niemand bei dem Zauberwerk; aber es mißte auch niemand das Wort.

In der Grotte lag schon das Sträußchen der Jungfrau. Jetzt schöpfte sie Wasser, benetzte ihre Hände und strich ihm damit die Falten von der Stirn. Da schloß er die Augen; das Brennen verging wirklich von dem

linden Netzen, und der Krampf der zusammengeballten hartgearbeiteten Finger löste sich, als sie aus ihrer hohlen Hand das kühle Wasser darüber goß.

Dann stand sie an ihn geschmiegt, und sie blickten hinein in die wieder ruhig werdende Wasserfläche, die in der Morgendämmerung spiegelte. Da schauten ihre Gesichter nebeneinander heraus.

Glückliches Vorzeichen! Man sah die zukünftigen Eheliebsten in der Osternacht im Wasser … die natürlichsten Dinge macht hoffendes Herz zum Wunder! Er schlang den Arm um sie; sie legte das Haupt an seine Brust.

Trippelnde Füßchen huschten heran. Sie enteilten.

Nur Irmelein hatte solch schnellen Gang. Sie kam von Bebra herauf, trug geschäftig ihre Maiblumen in die Grotte und that gar nicht, als wartete sie ebenfalls auf den Einen. Sie warf das verhüllende Huch ab und begann, mit den runden Armen in dem Wasser zu plätschern, begoß sich das Köpfchen, wusch, den zarten Nacken, schniegelte sich wie ein badendes Täubchen. Nur zuweilen stahl sich ihr Blick unter den krausen Wimpern seitwärts.

Da erschien im Wasser ein lustiges Gesicht hinter ihr. Wollte Reinald vielleicht selbst zu einem Finken werden, daß er so den Schnabel nach ihr spitzte? Klatsch! hatte er einen Schlag darauf.

Im nächsten Augenblick gab es noch einen Schall. Reinald hatte Irmelein erwischt und küßte ihren rothen Mund. Dann flohen sie auseinander.

Kräftige Schritte nahten; sanftes Geklingel tönte dazwischen.

Elsemuth führte ihren Hiltebold heran, den echten Dorfgecken, der seinen feinen Tuchrock an den Nähten mit Schellen hatte besetzen lassen und auch auf dem nächtlichen Gange sich nicht von seiner schönen Haube trennen konnte.

Während Elsemuth den Strauß niederlegte, und eifrig ihre Arme badete – die Hauptsache war ja doch, daß sie kräftig blieb – bespiegelte er sich in der Wasserfläche. Wie schön war doch die Haube! Wenn sie nur deutlicher in dem Morgengrauen zu erschauen wäre! Er bog sich vor – abermals gab es einen Klatsch – die Haube lag im Wasser und trieb ab.

Hiltebold streckte hilflos die Arme aus.

Im nächsten Augenblick hatte Elsemuth die zierlich geschnitzten Holzschuhe abgeworfen, und, die Röcke hoch schürzend, stieg sie furchtlos hinein in die Fluth. Immer tiefer ging’s. Jetzt hatte sie das Leibstück ihres Erwählten ergriffen und kehrte damit zurück.

Hiltebold schüttelte die Tropfen heraus und setzte sie auf sein Flachshaar. Dann ging das Paar einträchtig davon und machte anderen Jünglingen und Mädchen Platz, die von ihren heißen Herzen an das alte Heilwasser getrieben wurden. –

Die Kinder hatten überall auch nicht viel geschlafen. Sie lugten die halbe Nacht zu den Fensterluken hinaus, um zu sehen, wie der Hase über den Weißdornzaun in das Wurzgärtlein stieg und seine rothen Eier in die Salbeistauden, in den blauen Schwertel legte. Und manch altes Mütterlein spähte gen Osten, ob es ihr diesmal gelingen werde, zu erschauen, wie die Sonne beim Aufgang drei Freudensprünge machte. Sie hatten es bis jetzt immer verschlafen, oder es war Nebel gewesen. Sonnenaufgänge haben nun einmal ihre Haken.

Jetzt blitzte der erste Sonnenstrahl auf, und zugleich schlugen alle Glocken an zu der Verkündigung: Christ ist erstanden.

„Christ ist erstanden!“ grüßten sich die Leute, während sie in die Stiftskirche zu St. Peter pilgerten.

Weihrauchwolken entströmten der hohen Kirchenpforte an welcher Birken, in jungem Laube und Blüthengetroddel prangend, gesetzt waren. Auf den Altären flammten Kerzen, St. Peter trug einen Purpurmantel und den goldenen Schlüssel. Und über allen Prunk erhöht, schaute aus einem Gemälde auf Goldgrund der blasse auffahrende Heiland, in der von Nägeln durchbohrten Hand die Siegesfahne schwingend. Mächtig tönte der feierliche Gesang der Chorherren; erschüttert kniete das Volk bis hinaus auf die Hügel des Kirchhofes.

Von feierlichem Gottesdienst durchzogen, verlief der hohe Festtag. Endlich summte die letzte Glocke aus. Die Dunkelheit brach herein.

Da blitzte es auf in der Flur, da huschten Lichter unter den Bäumen über das Feld hin und her wie die Irrwische, sammelten sich, und plötzlich rollten sie sich auf wie feurige Schlangen. Aus dem Moor der Stockhäuser, von den Espen der Bebra, aus den Obstgärten und Weinbergen der Jechaburg bäumten sie sich auf, ringelten dem Gipfel des Berges zu.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_192.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)