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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Blätter und Blüthen.


König Alexander von Serbien. (Mit Bildniß.) Der jugendliche König von Serbien hat der Welt eine rechte Ueberraschung bereitet. Seit der Abdankung König Milans im März 1889 war er der glückliche Inhaber des serbischen Thrones, indessen, als ein Knabe von damals noch nicht einmal 13 Jahren, mußte er sich wohl oder übel eine Regentschaft dreier älterer erfahrener Männer gefallen lassen. Das ging denn auch soweit die Jahre her. Der junge Fürst bildete sich durch Reisen und Studieren, die Regenten regierten, die Parteien befehdeten sich – in Serbien vielleicht etwas heftiger als anderswo, theils weil das dort im Naturell liegt, theils weil eben die Umstände in dem vielumgewühlten Lande noch nicht jene Festigung erreicht haben, die auch den politischen Gegnern eine gewisse Schranke auferlegt. Nach den letzten Wahlen aber, welche die beiden Hauptparteien in annähernd gleicher Stärke in die Skupschtina geführt hatten, wurde die Verwirrung doch zu toll – und da scheint sich der jetzt sechzehnjährige König Alexander mit seinem Lehrer Dr. Dokitsch des auch nicht viel älteren großen makedonischen Namensbruders erinnert zu haben, der mit 22 Jahren den Gordischen Knoten durchhieb. So lud er denn am Abend des 13. April – des 1. April alten Stils – die Regenten zur festlichen Tafel, und als er die Meldung erhalten, daß alle Vorbereitungen gegen einen etwaigen Widerstandsversuch vollendet seien, da erhob er sich mit seinem Glase in der Hand, dankte den beiden Regenten Ristitsch und Vellmarkowitsch – der dritte war gestorben und noch nicht wieder ersetzt – für alles, was sie für ihn und seinen Vater gethan hätten, und theilte ihnen anschließend in aller Freundschaft, aber sehr deutlich mit, daß er nun ihrer Dienste nicht mehr bedürfe. Der Staatsstreich beim Souper war fertig. Die Regenten mußten alsbald erkennen, daß jeder Versuch einer Auflehnung gegen die königliche Willensmeinung vergeblich wäre, sie unterzeichneten, wenn auch mit Bitterniß im Herzen, das ihnen vorgelegte Aktenstück, und nach einer anständigen Haft im Palais wurden sie des anderen Vormittags entlassen.

König Alexander I. von Serbien.
Nach der neuesten Aufnahme von L. Letzter, Hofphotograph in Belgrad.

Der nunmehr selbst regierende König Alexander I. von Serbien ist ein Sohn des vielgenannten Fürsten Milan, jetzt Grafen von Takowa, und seiner nicht weniger bekannten Gattin Natalie. Er ist geboren am 14/2. August 1876, unser Bild ist aufgenommen am 1. April dieses Jahres. Seine Großjährigkeit hätte an und für sich im Jahre 1895 erklärt werden sollen. Wenn man es noch nicht wüßte, so müßte man aus seiner neuesten That schließen, daß er einen tüchtigen Muth und einen kräftigen Willen besitzt – beides Eigenschaften, deren das ihm anvertraute Land wohl gebrauchen kann. Das Serbenvolk scheint denn auch mit der neuen Wandlung der Dinge ganz einverstanden zu sein.


Der Krinolinenkrieg. Schon verkünden auch in Deutschland allerlei Anzeichen den drohenden Einzug der Krinoline in die Läden, die Boudoirs, die Salons! Doch in Deutschland steht man dieser neuesten Umwälzung der Toilette, welche einen so bedenklichen Rückfall in eine überwundene Mode bedeutet, wehrlos oder gleichgültig gegenüber. Anders in England und Amerika, wo die Frauen gewohnt sind, größere Kampfbereitschaft an den Tag zu legen. In London hat Mrs. Stannard, die Erzählerin, die unter dem Namen „John Strange Winter“ schreibt, eine „Antikrinolinenliga“ gegründet. In dem Aufruf zur Begründung dieses Vereins sagt sie: „Es ist schlimm genug, daß die Frauen nicht die Moden erfinden und nicht die Macht haben sollen, zu sagen, was sie tragen wollen, sondern daß, wie wohlbekannt, solche Dinge von einer kleinen Clique von Männern bestimmt werden.“ Die Formel, durch deren Unterschrift jedermann Aufnahme in den Verein findet, lautet: „Hiermit verpflichte ich mich, alles zu thun, was in meiner Macht steht, um das Krinolinetragen zu verhindern.“ Schon haben 12000 Frauen und Jungfrauen unterschrieben. Auch an die Königin und an die Prinzessin von Wales haben sich die kampflustigen Damen gewendet, doch ohne Erfolg; denn die Möglichkeit eines Rückzugs wäre, wenn die Krinoline wieder zur Weltherrschaft gelangt, doch nicht ausgeschlossen! Und ein solcher Rückzug wäre der größte Triumph für die Pariserinnen und den englischen Modetyrannen in Paris, Mr. Worth und seine ganze Clique.

Auch andere Frauen- und Toilettenvereine haben gegenüber der Krinoline Stellung genommen, besonders die Gesellschaft, die sich die Einführung eines „vernünftigen“ Kleides zur Aufgabe gestellt hat. Hier herrscht keine so erbitterte Feindschaft gegen die frühere, wiederauserstehende Mode. Die Präsidentin dieses Vereins erklärt sie durchaus nicht in Acht; die Röcke würden durch sie von den Fersen abgehalten, was bei schlechtem Wetter ein Segen sei. Wohl aber müßten die Kleider kürzer getragen werden, fünf Zoll vom Boden, und es hat sich jetzt eine „Fünf Zoll vom Boden-Liga“ gebildet, um diesen Grundsatz zur Geltung zu bringen. Ein anderer Klub, die „Weiblichen Pioniere“, erklärt sich überhaupt von der Mode unabhängig und verlangt Bethätigung der persönlichen Neigung und des eigenen Geschmacks. Diese freie Toilette schlägt bedenklich die Richtung nach der Herrentracht ein. In Amerika wird die Krinoline in einer Art und Weise bekämpft, die an das deutsche Seuchengesetz erinnert. Ein Abgeordneter in Minnesota hat in dem dortigen Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, demzufolge Fabrikanten, die es wagen, Krinolinen anzufertigen, nicht nur mit schwerer Geldbuße, sondern auch mit Gefängnißstrafe belegt werden sollen. Es wird sich ja zeigen, ob alle diese Mittel gegen die Tyrannin Mode, deren Wege so dunkel, aber doch so

siegreich sind, etwas ausrichten werden.


Beim Handfertigkeitsunterricht. (Zu dem Bilde S. 297.) Einen Nagel einschlagen, zwei Brettchen zusammenfügen oder gar eine Schachtel herstellen – lauter einfache Dinge; und doch steht mancher gelehrte Vater rathlos vor solcher Aufgabe, wenn der Sohn sich an ihn wendet. Da haben’s die Jungen auf unserem Bilde besser; man sieht ihnen die Freude an der einfachen Handarbeit so deutlich an, und mit gespannter Aufmerksamkeit lauschen die sechs im Vordergrund auf die Erklärungen des Lehrers, der ihnen die Geheimnisse des „Zinkens“ erklärt. Es ist ein Blick in eine der Schülerwerkstätten, wie sie das letzte Jahrzehnt in verschiedenen Städten Dentschlands hat entstehen lassen. Dem rührigen „Verein für Knabenhandarbeit“, welcher die Anregung dazu gab, schwebt das Ziel vor, der Jugend neben der geistigen Arbeit eine gesunde Erholung zu bieten, den Sinn für das Praktische zu wecken, durch harmonische Ausbildung von Hand und Auge der Einseitigkeit vorzubeugen und so im Verein mit Turnunterricht und Jugendspiel das heranwachsende Geschlecht gesünder und frischer zu machen. In den meisten dieser Schülerwerkstätten werden mehrere Fächer, wie z. B. Papparbeiten, Tischlerei, Kerbschnitzerei, leichtere Metallarbeiten, betrieben; hie und da reichen die Mittel oder die Lehrkräfte nur für ein einziges Fach aus, und da entspricht denn die Arbeit an der Hobelbank durch ihre Vielseitigkeit und gleichmäßige Inanspruchnahme von Muskelkraft und Denkvermögen am meisten dem gesteckten Ziel. Denn immer handelt es sich ja nur um den Erziehungszweck, nicht darum, Handwerker vorzubilden. Den Unterricht ertheilen entweder Handwerksmeister, wie in Osnabrück, Straßburg, Stuttgart, oder Lehrer, welche auf alljährlich zu Leipzig stattfindenden Kursen sich ausbilden.

Möglichste Einfachheit herrscht in solchen Räumen, aber es belebt sie ein fröhliches Treiben, frei vom Zwang der Schule und doch in den Schranken des Anstands gehalten durch den Eifer für die Sache. Das Zusammenarbeiten von frischen Jungen aus allen Ständen und aus verschiedenen Lehranstalten weckt Kameradschaftlichkeit; die saubere Arbeit des barfüßigen Volksschülers gilt soviel als die des Kindes „aus guter Familie“, das im Hintergrunde mit der Säge sich abmüht. Schelten und Strafen giebt es nicht, weil die Freude an der Arbeit keine Unarten aufkommen läßt und jeder sich nach dem Augenblick sehnt, wo er das sorgfältige Werk seiner Hände dem Vater oder der Mutter auf den Geburtstagstisch legen kann.


Eine Dalmatinerin. (Zu dem Bilde S. 293.) Die südslavischen Länder gehören unter jene Gebiete von Europa, in welchen die Volkstrachten noch nicht zur Sage geworden sind. Die Südslaven tragen ihre eigenthümliche Gewandung nicht nur in den Abbildungen der Kostümblätter, in der Einbildungskraft der Romanschreiber oder bei Aufzügen und Festlichkeiten, sondern immer. Ihre Tracht ist von ihren übrigen Lebensgewohnheiten nicht zu trennen. So wenig der Montenegriner ohne Waffen, so wenig erscheint die Dalmatinerin, insbesondere die Bewohnerin der Inseln, ohne ihre Münzen, ihre Ketten, ihre sonstigen Schmucksachen, ihre grellfarbigen Röcke. Wie alle Slaven liebt sie starke Farbengegensätze in der Gewandung – Weiß, Roth, Schwarz sind die bevorzugten Zusammenstellungen, während im Gewande der Männer auch Braun unb Blau auftritt. Rock und Mieder der Frauen ist fast immer verschiedenfarbig, bald so, bald anders, je nach den vielfach wechselnden örtlichen Gepflogenheiten.

Die Dalmatiner, einer der kräftigsten und ausdauerndsten Menschenstämme, die es giebt, gehören meist zu jenem Typus, welchen die Anthropologen „kurzköpfig“ nennen. Ausgezeichnet ist ihre Physiognomie durch das lebhafte Auge, die langen Wimpern und die meist trefflich erhaltenen Zähne. Bei den Frauen fällt dazu noch die üppige Lippe und die feine schmale Nase auf.

Das Los der Dalmatinerinnen ist im allgemeinen kein sehr beneidenswerthes. Das männliche Geschlecht wälzt einen großen Theil der groben Arbeit auf sie ab. Schon der Umstand, daß so viele Männer auf das Meer hinaus müssen – werden ja doch die Dalmatiner zu den tüchtigsten Seeleuten der Welt gezählt – nöthigt den Frauen Beschäftigungen auf, die man ihnen anderweitig nicht zumuthet. Feldbau, Viehzucht, das Fortschleppen von Lasten gehört so zu ihren herkömmlichen Beschäftigungen. Auch rudern sieht man sie häufig; denn die Verhältnisse bringen es mit sich, daß sie oft von einer der zahllosen Inseln aus nach einem anderen unbewohnten Eilande fahren müssen, um nach dem dort weidenden Vieh zu schauen, daß sie Früchte nach dem Festland zu bringen oder dort Wasser zu holen haben, wenn die Brunnen der Insel versiegt sind.

Am besten kann man die Trachten studieren auf dem Markte einer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_307.jpg&oldid=- (Version vom 31.12.2018)