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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

nein – ich schäme mich oft genug, daß ich trotz alledem so grenzenlos glücklich bin, und ich kann es doch nicht ändern. Sieh mich nicht so verwundert an, Egbert, Fremde sollen es freilich noch nicht wissen, weil wir noch Trauer tragen um unseren armen Erich, aber Dir kann ich es schon sagen, daß ich – nun daß ich Braut bin.“

Egbert fuhr erstaunt zurück. Er hatte in Maja bisher immer nur das Kind gesehen, es war ihm gar nicht eingefallen, daß ihr schon die Liebe genaht sein könnte. Jetzt rief die unerwartete Nachricht ein flüchtiges Lächeln in sein düsteres Gesicht, und voll Herzlichkeit streckte er der Jugendgespielin die Hände entgegen. „Giebt sich unsere kleine Maja wirklich schon mit solchen Dingen ab?“ fragte er mit einem Versuch, zu scherzen.

„Aber ich bin gar nicht mehr so klein!“ versicherte Maja mit einem reizenden Schmollen, indem sie sich auf den Fußspitzen erhob und ihm schelmisch ins Auge blickte. „Siehst Du, ich reiche Dir schon bis zur Schulter und ihm auch.“

„Ihm? Ja so, ich habe noch nicht einmal nach dem Namen Deines Erwählten gefragt. Wie heißt er denn?“

„Oskar!“ antwortete Maja leise.

„Wie sagtest Du?“ rief Egbert zusammenzuckend.

„Oskar von Wildenrod! Du kennst ihn ja – mein Gott, Egbert, was hast Du denn?“

Runeck war bleich geworden und seine Rechte ballte sich unwillkürlich; mit einem finsteren Ausdruck blickte er auf das junge Mädchen, das ihn beklommen und fragend ansah. „Der Freiherr von Wildenrod ist Dein Verlobter?“ wiederholte er endlich. „Und Dein Vater hat eingewilligt?“

„Gewiß. Er war anfangs dagegen, wegen des großen Altersunterschiedes, aber Oskar hat ihn so lange bestürmt und ich habe so lange um unser Glück gebeten und gebettelt, bis er nachgab.“

Egbert blieb stumm, er schaute auf das junge liebliche Geschöpf, das so ahnungslos von seinem „Glücke“ sprach, wo ihm namenloses Unglück bereitet war. Stellte ihn denn das Schicksal zum zweiten Male vor die Aufgabe, einem Wesen, das ihm lieb war, den tödlichen Schlag zu versetzen und das vermeinte Glück mit erbarmungsloser Hand zu zertrümmern? Bei Erich war es ihm in letzter Stunde erspart worden, er durfte schweigen, als er Cäcilie in ihrer wahren Gestalt kennengelernt, hier gab es keine Wahl und kein Schweigen.

„Und Du freust Dich nicht einmal?“ fragte Maja gekränkt und vorwurfsvoll, als er noch immer schwieg. „Freilich, Du hast etwas gegen Oskar und er hat sehr viel gegen Dich. Ich weiß es längst, wenn auch keiner von Euch es eingestehen will. Aber einen Glückwunsch kannst Du mir doch sagen – ich bin ja so unbeschreiblich glücklich!“

Runeck biß die Zähne zusammen. Er konnte nicht, auch nur der Form wegen, aussprechen, was unter diesen Umständen der bitterste Hohn gewesen wäre, und doch fühlte er, daß er jetzt und hier sein Geheimniß nicht enthüllen dürfe. Glücklicherweise kam ihm der Zufall zu Hilfe, man vernahm draußen auf dem Gange die Stimme des Doktors Hagenbach: „Haben Sie Fräulein Dernburg nicht gesehen? Wir müssen nach dem Bahnhof, der Zug kommt in zehn Minuten.“

„Ich muß fort!“ flüsterte Maja aufhorchend. „Leb’ wohl, Egbert. Ich behalte Dich doch lieb, was auch kommen mag! Und nicht wahr, auch Du vergißt nicht, daß Odensberg so lange Deine Heimath gewesen ist?“

Die braunen Augen blickten noch einmal innig bittend zu ihm empor, dann huschte das junge Mädchen eilig davon. Runeck athmete auf, als er diesen ahnungslosen glücklichen Augen nicht mehr stand zu halten brauchte, aber zugleich wogte jetzt, wo er sich allein sah, eine Fluth der Empörung durch seine Brust. Also das war das Endziel Wildenrods gewesen! Er hatte sich Odensberg nun einmal zur Beute erlesen und ließ es nicht wieder los – Majas Hand sollte ihm die Beute erringen. Und Cäcilie wußte das und ließ es geschehen! Freilich, er war ihr Bruder, den sie trotz alledem liebte – nur um ihn zu retten, war sie Erichs Weib geworden! Und sie kannte die Wahrheit nicht. O, warum hatte er sie ihr damals verhehlt! Aber jetzt durfte auch sie nicht mehr geschont werden – es galt, Maja zu retten; jetzt wurde ein längeres Schweigen zum Verbrechen.

„Nein, ich will nicht vergessen, daß Odensberg so lange meine Heimath gewesen ist,“ murmelte Egbert, indem er sich entschlossen aufrichtete, „wenn ich Dir das auch anders beweisen muß, als Du glaubst, meine arme kleine Maja. Ob ich an Dernburg schreibe? Unmöglich! Er glaubt das Schlimmste von mir, er würde den Brief für eine elende Verleumdung halten und Wildenrod würde sein Spiel dennoch gewinnen. Es hilft nichts, ich muß Auge in Auge den Kampf führen und darf nicht eher weichen, als bis er entschieden ist, bis Maja gelöst ist aus diesen Banden. Sei es denn – ich gehe nach Odensberg!“

(Fortsetzung folgt.)


Blätter & Blüthen.

Das Briefmarken-Album. „Allzuviel ist ungesund“ und „Jedes Ding hat seine zwei Seiten“ möchte man oft ausrufen beim Anblick des leidenschaftlichen Briefmarkensports unserer jungen Gymnasiasten. Väter und Mütter pflegen sich wohl der „ruhigen Beschäftigung“ zu erfreuen, sie machen geltend, daß sich hier der bekannte Sammeltrieb doch etwas Nützlichem zuwende und die Knaben dabei spielend viel Geographie erlernen. Beides war richtig in früheren Zeiten, wo die Sammlerei noch eine harmlose war, vergleichbar, wenn auch lange nicht so fruchtbringend, der Liebhaberei für Pflanzen oder Steine. Seither aber hat sich die Spekulation der Sache bemächtigt, eine eigene Briefmarkenwissenschaft ist entstanden, die einzelnen Postzeichen haben Börsenwerth erhalten und werden börsenmäßig gehandelt. Hier auf dem Laufenden zu bleiben, erfordert ein ganz ordentliches Studium, welchem sich auch eine große Anzahl unserer Jungen aufs hingebendste widmet, während zugleich ein großer Theil ihres Taschengelds auf den Ankauf der Marken verwendet wird. Fragt man einen von ihnen nach Uhlands Gedichten oder Walter Scotts schönsten Romanen, so erhält man die trübselig resignierte Antwort: Dazu haben wir ja keine Zeit!

Zugegeben – was von begabten und fleißigen Jungen bestritten wird – daß die Arbeitslast der Schule groß ist, sollen dann die kurzen Erholungsstunden angewendet werden, den Kopf mit einem fürs spätere Leben ganz unnützen Notizenkram zu füllen und statt der geographischen verfrühte merkantile Interessen zu pflegen? Ist es wirklich der Mühe werth, die überseeischen Staaten zu kennen, welche durch planmäßigen Wechsel ihrer Marken ein gutes Geschäft an den Sammlern machen? Darf die Hauptlektüre eines Jungen, der für Schiller und Uhland keine Zeit hat die – Briefmarkenzeitung sein?! … Wir geben’s den Eltern zu bedenken. Viele Schäden, welche man ohne weiteres immer der Schule zuschiebt, sind nur dem schulpflichtigen Alter eigen und können vom Elternhaus vermieden oder geheilt werden. Man muß nur genauer zusehen, dann findet man sie auch. Und die übertriebene Briefmarkensucht ist keiner der kleinsten darunter!

Schutzimpfungen gegen das Gelbe Fieber. Für viele ungeduldige Geister schreitet die Bakteriologie viel zu langsam vorwärts. Der besonnene Forscher aber ist mit ihrem Entwicklungsgange zufrieden. Das Gute bedarf einer bestimmten Zeit, um auszureifen. Einen sehr beachtenswerthen Erfolg hat nun der neue Zweig der Wissenschaft auch jenseit des Oceans in Brasilien errungen. Dort wüthet von Zeit zu Zeit das gefürchtete Gelbe Fieber. Es wird wie so viele andere ansteckende Krankheiten von einem Kugelbakterium, dem micrococcus xanthogenicus, hervorgerufen. Dieser Feind des Menschengeschlechtes ist ein kleines Kügelchen, dessen Durchmesser nur ein Tausendstel eines Millimeters beträgt, und erzeugt zwei Farbstoffe, einen gelben und einen schwarzen. Der gelbe Farbstoff färbt die Gewebe des kranken Körpers und ruft somit die Erscheinung hervor, welche der Krankheit ihren Namen gegeben hat. Der schwarze verursacht die schwarze Farbe des Erbrochenen.

Dieser Mikrokokkus ist ein echtes Kind der Tropen, nur in diesen entwickelt er seine verderblichen Eigenschaften, im kalten Norden kann er sich niemals einbürgern, ebenso wie die schlanken Palmen und die herrlichen Bananenbäume niemals in Deutschland oder Rußland gedeihen, es wäre denn in Treibhäusern, wo sie aber nur ein trauriges Leben führen, ohne ihre schönen Kronen zu entfalten und ihre wohlschmeckenden und nahrhaften Früchte zu tragen. Professor Domingo Freire in Rio Janeiro hat diesen Mikrokokkus durch fortgesetzte Kulturen abzuschwächen gewußt, und es ist ihm gelungen, durch Impfungen mit diesem abgeschwächten Gifte Menschen vor Ansteckung mit dem Gelben Fieber zu schützen.

Der Geimpfte empfindet Kopfschmerzen, seine Augenbindehaut wird geröthet, seine Temperatur steigt auf 38 bis 39° C.; oft bekommt er

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_322.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)