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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Uebelkeit und Erbrechen. Nach 48 Stunden verschwinden alle diese Anzeichen von selbst. Die Impfstelle erscheint anfangs roth umrändert, nach drei oder vier Tagen zeigt sich ein gelber Fleck, der sich zuweilen über den ganzen Arm ausbreitet; in einigen Fällen ist sogar eine ausgesprochene Gelbsucht beobachtet worden.

In fünf Epidemien des Gelben Fiebers vom Jahre 1883 bis 1890 wurden von Proffesor Domingo Freire 10885 Schutzimpfungen vorgenommen. Und welchen Nutzen hatten dieselben? Nach amtlicher Statistik starben in den betreffenden Bezirken 4% der nicht Geimpften am Gelben Fieber, während unter den Geimpften die Sterblichkeit nur 0,4% betrug. So ist diese Schutzimpfung imstande, die verderbliche Wirkung der namentlich den Einwanderern so gefährlichen epidemischen Krankheit um das

Zehnfache zu mindern! Wahrlich ein Erfolg, mit dem man für den Anfang zufrieden sein kann!

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In einem japanischen Garten. (Zu dem Bilde S. 312 und 313.) Wenn der Japaner von seinem Heimathland sagt, daß es der „Garten der Erde“ sei, so hat er gewiß nicht unrecht, denn nirgends dürften sich die klimatischen Verhältnisse für den Gärtner so günstig stellen wie hier. Infolgedessen ist auch der Schönheitssinn der Japaner in dieser Hinsicht stark ausgebildet. Jeder ist in gewisser Beziehung Kunstgärtner; der kleine Mann hat sein Gärtchen neben seiner Hütte so gut wie der Gutsbesitzer seinen Park, mit dem er seine Villa umgiebt, und hier wie dort herrscht der ausgeprägteste Sinn für landschaftliche Schönheit.

Die Parkanlagen der Großen und Begüterten haben oft eine weite Ausdehnung, und der Gutsbesitzer mit seiner Familie hat die mannigfaltigsten Gelegenheiten, sich der Natur, die ihn umgiebt, zu erfreuen. Hier ein lauschiges Plätzchen unter der breitästigen Matsufichte, die ihre Zweige wie ein Dach weithin ausstreckt, dort ein Fischteich, auf dessen Goldfische oder Karpfen der Wirth gewaltig stolz ist; sind doch manche der ältesten Thiere in dem klaren Wasser schon von seinem Vater oder gar von seinem Großvater gehegt worden!

Auch die schönen malerischen Bambushaine gehören so gut in einen wohlangelegten Park wie die Gruppen von eigenartig gezogenen Azaleen, die großen prachtvollen Bäume der Kamelie, der lieblich duftenden Paulownia und der verschiedenen Ahornarten, die, namentlich im Herbste, mit ihren buntfarbigen Blättern das Entzücken der Menschen bilden. Wie nun aber stets Geschmack und Liebhaberei verschieden sind, so pflegen auch die Besitzer oft diese oder jene Baumart, diese oder jene Blumensorte in ihren Gärten zu bevorzugen, und dann findet um die Zeit der Blüthe eine förmliche Wallfahrt zu diesen „Spezialisten“ statt. Von nah und fern kommen die Gäste, um zu schauen und zu bewundern, und die mit Recht so hoch gepriesene Gastfreundschaft der Japaner zeigt sich dann im hellsten Lichte.

Unser Bild führt uns einen solchen Besuch einer nachbarlichen Gutsherrschaft vor Augen. In dem Vorgarten der Villa sind die Herrschaften eben dem „Kango“ (Tragkorb) entstiegen, bei dem die Wärterin mit dem jüngsten Kinde noch verblieben ist. Augenscheinlich sind die Gäste hochwillkommen, denn der nie fehlende Begrüßungsthee ist ihnen bereits von der Dienerin entgegen getragen worden, noch ehe sie die Schwelle des Hauses überschritten haben. So wandeln sie, die erwachsenen Damen auf ihren sonderbaren Blöckchenschuhen, an dem Teiche mit seinen Silberreihern vorbei, dem Hause der Herrschaft zu.

Der Kango, mit dem der Japaner noch jetzt gerne reist, ist eines der sonderbarsten Dinge, die es giebt. Für den Europäer ist er eine Marter, der Japauer aber, von Jugend auf an das Unterschlagen der Beine gewöhnt, sitzt in dem tragbaren Korbe so bequem und behaglich wie wir in einem Landauer.

Fremdartig berührt uns immer die Kleidung der Japaner, trotzdem wir sie jetzt seit vielen Jahren kennen. Und dennoch ist dieselbe, namentlich für die klimatischen Verhältnisse Japans, so zweckmäßig, daß sie nur Anerkennung verdient. Außerdem ist sie nationalökonomisch von unberechenbarem Werthe – der glückliche Japaner weiß nichts von dem Ungeheuer Mode, von dem Moloch, dem der Europäer Zeit und Geld opfert. Von Alters her hat der Japaner nur einen einzigen Schnitt für sein Gewand, er kennt keine Aenderung, er verachtet die mörderische Schere, welche grausam und schonungslos in den Stoffen herumwirthschaftet; ihm gilt es lediglich, das eigens zu dem Gewand gewebte Zeug nach althergebrachter Vorschrift um den Körper zu legen, so lange bis es zerfällt. Und wie unser Bild beweist, wissen vornehmlich die Japanerinnen ihre Kleider so hübsch und reich zu gestalten, sie so anmuthig zu tragen, daß unser Auge nur mit Wohlgefallen darauf ruhen kann. Und wenn in den letzten Jahren die europäische Kleidung in Japan eingeführt worden ist, so hat man auch schon einsehen gelernt, wie unklug dieser Schritt war.

C. W. E. Brauns. 


Eine Charakteristik Anzengrubers. In seinen persönlichen Erinnerungen an berühmte und beliebte Zeitgenossen, welche er unter der freundlichen Flagge „Gute Kameraden“ erscheinen läßt (Wien, A. Hartleben), hat P. K. Rosegger Charakterköpfe von zwölf österreichischen Autoren entworfen, die außerdem durch Bildnisse derselben ergänzt werden. Mit besonderer Vorliebe hat er darin seinen ihm am nächsten stehenden Freund Ludwig Anzengruber gezeichnet, der ja auch von dieser Schriftstellergruppe bei weitem der bedeutendste ist. Rosegger hegt für ihn große Bewunderung; gleichwohl ist seine Darstellung sehr unparteiisch, und diejenigen, welche dem Wiener Volksschriftsteller etwas am Zeuge flicken möchten, können aus den naiven Schilderungen des Steiermärkers diesen oder jenen Zug zu ihren Gunsten verwenden. Die Thatsache, daß Anzengruber niemals unter Bauern gelebt, daß er sich seine markigen Volksgestalten im Zimmer erdacht hat, hebt Rosegger mehrfach hervor: „Kenner des Volkes sagen, daß der Bauer im Grunde anders sei, wie Anzengruber ihn schildert; ich will das gerade nicht so behaupten. Im Bauernvolk giebt es, wie überall, die mannigfachsten Leute, gewiß auch solche, wie sie unser Dichter darzustellen liebte. Es geht überhaupt nicht an, zu sagen: So ist der Bauer und so ist er nicht. Auch der Bauer ist in erster Linie Mensch und als solcher eigentlich unerklärbar und unerschöpflich; das äußere Gehaben des Bauers ist so wenig verläßlich als das des Salonmenschen; es will bisweilen gerade das Gegentheil zeigen von dem, was Kern und Natur ist. Wer den Bauer bloß beim Lodenrock packt, der hat ihn noch nicht; er muß ihm näher an den Leib rücken, und ich glaube, Anzengruber hat es daran zumeist nicht fehlen lassen.“

Was Anzengrubers Persönlichkeit betrifft, so giebt Rosegger auch hierüber manche Aufklärungen, die uns das Bild des Freundes schärfer zeichnen als manche früheren Darsteller. Anzengruber war eine knorrige, etwas unbehilflich schwerfällige Gestalt. Seine starkgeröthete Gesichtsfarbe, seine scharfgebogene charakteristische Nase, seine hohe Stirn, sein blondes nach rückwärts wallendes Haar, sein röthlicher langer Vollbart, seine falben Augenwimpern gaben ihm fast das Ansehen eines teutonischen Recken, aber auf diesem urgermanischen Gesicht saß ein Zwicker. In seinen Absichten und Entschlüssen zeigte er sich stets entschieden, fremden Einwand kühl ablehnend; und doch war er leichter zu bewegen, zu überzeugen, als es den Anschein hatte; spröde und trocken war nur seine Schale; sein Kern war mild und weich. Gar nicht einverstanden war er mit unseren sozialen Zuständen. Das Mißverhältniß zwischen Verdienst und Lohn hat Anzengruber nur zu sehr an sich selber empfinden müssen. Viele Jahre nach dem ersten ruhmreichen Auftreten seines „Pfarrers von Kirchfeld“ und anderer seiner großen Dramen schrieb er an Rosegger: „Ich habe nun neun Jahre Schriftstellerthum hinter mir, aber nicht die Stellung errungen, die mir erlaubte, ohne Frage nach dem augenblicklichen Erfolg aus dem Vollen heraus producieren zu dürfen. Ich werde diese Stellung voraussichtlich nie oder erst dann erringen, wenn meine Jahre nicht mehr die sind, welche eine solche Produktion aus dem Vollen zulassen.“ Er kannte keine Ueberschwänglichkeit; er blieb ernst und ruhig, mochte ihn die Volksgunst heben oder fallen lassen. Das gab ihm eine Männlichkeit und Würde, welche unbeschreiblich für ihn einnahm. Unrecht geschah ihm oft, vertheidigt hat er sich fast nie. Er arbeitete nicht leicht, hatte aber die Gabe, bei einem festgefaßten Stoffe jahrelang zu verweilen, ihn ausreifen zu lassen. Er schuf eben mehr mit dem Verstand und war nicht so sehr auf flüchtige Gemüthsstimmung angewiesen. In ihm lebte eine starke Kraft, die nur etwas schwer beweglich war.

 


Blitzschläge in Bäume. Jeden Sommer laufen bei uns Anfragen aus dem Leserkreise ein, welche Auskunft über die weitverbreitete Ansicht verlangen, daß die Buche gegen den Blitz gefeit sei. Wir wollen diesmal ihnen im voraus begegnen und kurz mittheilen, was nach neueren und neuesten Erhebungen über die Häufigkeit der Blitzschläge in die verschiedenen Baumarten bekannt geworden ist.

Vor allem ist hervorzuheben, daß kein Baum vor dem Blitze völlig geschützt ist; bei sehr hoher elektrischer Spannung schlägt es in alle ein. Immerhin aber wird die Buche am seltensten getroffen, denn eine von Professor Hellmann ausgeführte statistische Untersuchung ergab, daß der Blitz Nadelhölzer 15 mal und Eichen 54 mal häufiger trifft als Buchen. Diese Thatsache ist jedem Besucher unserer gemischten Laubwaldungen bekannt; man sieht in ihnen sehr oft Blitzspuren an Eichen, während solche an Buchen zu den Seltenheiten zählen. Dieselbe Wahrnehmung veranlaßte wohl die alten Germanen, die Eiche dem Donnergotte zu weihen.

Anfangs glaubte man, die Bodenart als Ursache der ungleichmäßigen Vertheilung der Blitzschläge ansehen zu müssen, aber genauere Nachforschungen ergaben, daß dies nicht der Fall ist, daß vielmehr der Grund dieser Erscheinung in der Natur der Bäume selbst liegt. Fettbäume, die auch während des Sommers reich an Oel sind, sind in hohem Grade gegen Blitzschlag gesichert. Dagegen werden Stärkebänme und Fettbäume, die während des Sommers arm an Oel sind, vom Blitzschlag bevorzugt, und abgestorbene Aeste erhöhen die Gefahr. Und nun erinnern wir uns daran, daß wir die Früchte der Eiche wegen ihres hohen Gehaltes an Stärke (35% Stärke und 4% Fett) verwerthen, aus den Früchten der fettreichen Buche dagegen das Bucheckernöl pressen!

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Das Brausepulver. Allgemeiner Beliebtheit erfreuen sich die kohlensäurereichen moussierenden Getränke von dem Selterswasser bis hinauf zum blumigen Sekt der Witwe Cliquot. Nun lassen sich aber die treibenden Stoffe eines solchen moussierenden Getränks auch in fester pulverförmiger Form aufbewahren, als Brausepulver, das nur eines Aufgusses voll Wasser bedarf, um einen lebhaft schäumenden angenehmen Trank zu erzeugen.

Die Aufbewahrungsfähigkeit eines Gases in fester Form regt doch zum Nachdenken an und legt die Frage nahe: Woraus besteht denn eigentlich das Brausepulver?

Es sind darin zwei Bestandtheile enthalten, die im trockenen Zustand friedlich nebeneinander ruhen, die aber, sowie sie durch Wasser aufgelöst werden, heftig aufeinander wirken und jenes Aufbrausen des Wassers erzeugen. Der eine ist das doppeltkohlensaure Natron. In ihm ist die Kohlensäure, sonst unter gewöhnlichen Verhältnissen ein Gas, an das Metall Natrium gebunden. In dem winzigen Raum, den das Pulver einnimmt, schlummert gleichsam, durch die chemische Kraft an das Natron gefesselt und damit in den festen Zustand gezwängt, ein gewaltiges Volumen Kohlensäure.

Welches Mittels bedarf es nun, um die Kohlensäure als Gas der Freiheit wiederzugeben, sie dem Natron zu entziehen und dieses anderweit zu entschädigen? Es bedarf dazu nur einer Säure, deren chemische Wahlverwandtschaft zum Natron eine größere ist als die der Kohlensäure. Fast jede Säure erfüllt diese Bedingungen; als ebenfalls in Form eines festen Körpers darstellbare und erfrischend schmeckende Säure hat man die Weinsäure, die man aus dem Weinstein gewinnt, dazu gewählt. Sie ist der andere Bestandtheil des Brausepulvers. Sowie nun das Wasser hinzukommt, das sowohl das doppeltkohlensaure Natron als auch die Weinsäure in reichlichem Maße in sich auflöst, wirken die gelösten Körper, nunmehr mit chemischer Angriffsfähigkeit begabt, aufeinander. Die Weinsäure drängt sich an die Stelle der Kohlensäure, indem sie mit dem Natron zu weinsaurem Natron sich vereinigt und schickt die Kohlensäure in die Freiheit, die sie in heftigem Brausen durch das Wasser hindurch zu gewinnen sucht.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_323.jpg&oldid=- (Version vom 31.12.2018)