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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)



Blätter und Blüthen.


Jakob Moleschott †. In den Pfingsttagen ging durch Deutschland die Kunde, daß Jakob Moleschott am 20. Mai in Rom seinen Geist ausgehaucht habe. Ein Holländer von Geburt, starb er als Italiens Senator, und wie nahe stand dieser Weltweise dem deutschen Geistesleben! War er doch um die Mitte des Jahrhunderts einer der Fahnenträger der kleinen Forscherschar, welche das „Volk der Denker“ aus dem Banne einer phantastischen Philosophie zu befreien und in neue Bahnen des geistigen Lebens zu drängen trachtete. Es waren Gelehrte, welche die Wissenschaft durch eigene Forschungen bereicherten und die Gabe einer gewandten populären Darstellung besaßen. Kein Wunder, daß sie die Massen ihrer Leser und Zuhörer mit sich fortrissen, daß man nunmehr den Sätzen „Kein Gedanke ohne Phosphor!“ oder „Der Mensch ist, was er ißt“ mit derselben Begeisterung entgegenjubelte, mit der einst die Schüler Hegels Beifall klatschten, als ihr Meister bewies, daß Sein und Nichtsein identisch, ein und dasselbe seien. Vierzig Jahre sind seit dem Auftreten Moleschotts verflossen; die Sturm- und Drangperiode hat ihr Ende erreicht; die Geister sind nüchterner geworden, und da man sich überzeugt hat, daß auch die neuesten „Schöpfungsgeschichten“ trotz aller Beweise, die für sie aus dem Arsenal der Naturwissenschaften herbeigeholt wurden, die volle Wahrheit nicht enthüllen, begnügt man sich mit dem Studium der einzelnen Abschnitte der Entwicklungsgeschichte des Weltalls, sucht einzelne Seiten im Buche der Natur zu enträthseln. Die Spezialforschung und ihre Anwendung auf das praktische Leben beherrschen die Neuzeit, und auch Moleschott hat dieser Spezialforschung die letzten Jahrzehnte seines Lebens gewidmet.

Jakob Moleschott wurde am 9. August 1822 zu Herzogenbusch in Holland geboren. Unter der Leitung seines Vaters, der ein Arzt war, genoß er eine ausgezeichnete Erziehung und kam in seinem 19. Lebensjahr nach Heidelberg, wo er Physik, Chemie und Physiologie studierte. In Heidelberg lernte er auch die Hegelsche Philosophie kennen. Schon als Student verfaßte er im Jahre 1845 seine „Kritische Betrachtung von Liebigs Theorie der Pflanzenernährung“, die allgemeines Aufsehen erregte. Nachdem er in Heidelberg promoviert hatte, ging er nach Holland, wo er sich als praktischer Arzt niederließ, kehrte aber bald in die ihm liebgewordene Neckarstadt zurück, um daselbst als Privatdocent zu wirken. Hier schrieb er auch seine „Physiologie der Nahrungsmittel“, welche den ungetheilten Beifall der Fachmänner fand, und sein erstes populäres Werk „Die Lehre der Nahrungsmittel für das Volk“, das in die meisten lebenden Sprachen übersetzt wurde und seinen Namen weltbekannt machte, In den späteren Werken führte er die Weltanschauung, die in diesem Buche bereits niedergelegt war, nur ausführlicher aus, und diese Anschauung ist wohl bekannt; es dürfte genügen, daran zu erinnern, daß Moleschott das Zurückgehen der Thatkraft des holländischen Volkes, das einst in der Weltgeschichte von sich reden gemacht hatte, auf die üherwiegende mangelhafte Kartoffelnahrung zurückführte und dagegen die politische Regsamkeit der Engländer aus dem Saft der Beefsteaks herleitete. Am deutlichsten sind seine Gedanken in dem Werke „Der Kreislauf des Lebens“ ausgedrückt.

Der Senat der Heidelberger Hochschule hielt diese Lehren für gefährlich und ertheilte 1854 dem Docenten eine „sokratische“ Verwarnung, worauf dieser sofort seiner Lehrthätigkeit entsagte. Er lebte als Privatgelehrter in Heidelberg, bis er im Jahre 1856 an das Polytechnikum in Zürich als Professor der Physiologie berufen wurde. Im Jahre 1861 erhielt er dann den Ruf an die Universität in Turin, und Italien wurde nunmehr seine neue Heimath, in welcher er 1876 zum Senator erhoben wurde. Seit 1879 wirkte er als Professor an der Universität in Rom. Das aufblühende italienische Volk war für seine Lehren äußerst empfänglich; Moleschott blldete eine besondere Schule von Physiologen heran, als seine vornehmsten Schüler seien nur Mantegazza, Lombroso und Mosso genannt, die gleich ihrem Meister nicht nur forschen, sondern auch durch gemeinverständliche Schriften auf das Volk einzuwirken suchen. Moleschott hatte darum Dentschland nicht vergessen, er arbeitete für deutsche Zeitschriften, und im Jahre 1883, als sein Heidelberger Freund Hermann Hettner gestorben war, schrieb er das anziehende Werk „Hermann Hettners Morgenroth“. In dem Revolutionsjahr 1848 war der junge Moleschott mit Feuereifer für ein einiges großes Deutschland eingetreten; ja er ging so weit, daß er Holland mit ihm vereint sehen wollte. „Von dem Wunsche beseelt,“ schrieb er, „in Deutschland mit der Freiheit auch die Macht erblühen zu sehen, wünschte ich ihm vor allem eine Seemacht und für Holland, ohne daß es die Freiheit verlöre, die Verschmelzung mit einer großen Macht, mit der es stammverwandt die Bildungswege und viele ideale und praktische Lebens- und Weltbedürfnisse theilt.“

Nun ist der Mensch Moleschott nicht mehr. Nach seiner eigenen Lehre war er weiter nichts als „die Summe von Eltern und Amme, von Ort und Zeit, von Luft und Wetter, von Schall und Licht, von Kost und Kleidung“, aber wir möchten noch hinzufügen, daß nach einem Ausspruch Moleschotts „in jeder Menschenbrust ein Etwas lebt, das ihm heilig ist, das ihm die höchste Pflicht, die seligste Neigung, die wärmste Ueberzeugung, das reinste Gut bedeutet, für das der Edle lebt und stirbt, dem der Zaghafte bebend entsagt, das der Gemeine ruchlos zu verrathen imstande ist“. Und dieses Etwas, was die Brust Moleschotts durchglühte, war, wie wir mit Bestimmtheit sagen können, das hehre Humanitätsideal, dessen Emporringen in der Kulturgeschichte Hermann Hettner in seinen Werken so trefflich geschildert hat. *     

In Kriegszeiten. (Zu dem Bilde S. 377.) Das siebzehnte Jahrhundert, das in seiner ersten Hälfte einen Dreißigjährigen Krieg hatte toben sehen, sollte auch in seiner zweiten nicht zur Ruhe kommen. Ludwig XIV. war der Störenfried, der seine politische Macht dazu benutzte, sich nicht bloß in die Angelegenheiten der Nachbarn einzumengen, sondern sogar deren Bestand zu bedrohen. Das mußten namentlich die Vereinigten Niederlande erfahren, nachdem sie mit England und Schweden Frankreich daran gehindert hatten, die fast schon ganz eroberten spanischen Niederlande sich einzuverleiben. Ludwig, der Sonnenkönig, rückte in Holland ein und eroberte den größten Theil desselben. In diese Zeit fällt die Scene, welche unser Künstler in seinem Bilde festgehalten hat. Der Kriegslärm verhallt an den Mauern des schlichten Gehöftes, in dessen Küche die schmucke Tochter des Hauses und der Trompeter sich in traulicher Unterhaltung zusammengefunden haben. Was kümmern sich die beiden um die Welt draußen! Was um den Krieg! Sie stehen im Begriff, ein Bündniß der Herzen zu schließen und bekräftigen es mit warmem Händedruck. Die Königin am Herde hat einen Vasallen gefunden, der vertrauensvoll und zärtlich von seinem niedrigen Schemel zu ihr aufschaut. – Wenn nur das garstige Verslein nicht wäre vom anderen Städtchen und anderen Mädchen!

Gabriel Hackl, dem wir dieses Bild verdanken, ist zu Marburg in Steiermark geboren am 24. März 1843, erhielt den ersten Zeichenunterricht in seiner Heimath, setzte seine künstlerische Ausbildung an der Akademie zu Wien fort und siedelte dann (1870) nach München über, wo er in Pilotys Schule trat und acht Jahre später die Stelle eines Professors an derselben Akademie erhielt, deren Schüler er noch eben gewesen war. C. A. R.     

Die wahre Heimath des Pumpernickel. Wie Königsberg seit alten Zeiten sein „Panis Marci“ – Markusbrot, Marzipan – so hat die gute Stadt Osnabrück ebenfalls von alters her in ihren Backstuben ein „bonum paniculum“ ein „gutes Brötchen“, bereitet – den Pumpernickel. Die vielfach verbreitete Mär, daß der menschenfeindliche Voltaire dem Gebäck durch die wegwerfende Bemerkung „Bon pour Nickel!“ – „Gut genug für mein Pferd!“ – den Namen gegeben habe, ist wohl niemals ernst genommen worden. Der altersmäßig erwiesene Ursprung des Pumpernickels ist folgender: Bei einer Hungersnoth ums Jahr 1540 ließ der Magistrat von Osnabrück auf Gemeindekosten Brot backen und unter die Nothleidenden vertheilen. Dies Brot erhielt den lateinischen Namen „bonum paniculum“ aus dem der Volksmund Bonpanickel, Bompernickel, Pumpernickel machte. Ein Thurm vor den Osnabrücker Stadtmauern, in der Nähe der sogenanten Hafermühle, in welchem solches Brot gebacken wurde, heißt heute noch der „Pernickelsthurm“.



Inhalt: Schwertlilie. Roman von Sophie Junghans (9. Fortsetzung). S. 373. – Des Lieblings Frühstück. Bild. S. 373. – Fortschritte der Elektrokultur. Von C. Falkenhorst. S. 376. Mit Abbildung S. 378. – In Kriegszeiten. Bild. S. 377. – Die Schwabenkolonien in Palästina. Von Schmidt-Weißenfels. S. 379. Mit Abbildungen S. 379, 380, 381 und 385. – Freie Bahn! Roman von E. Werner (Schluß). S. 382. – Blätter und Blüthen: Jakob Moleschott †. S. 388. – In Kriegszeiten. S. 388, (Zu dem Bilde S. 377.) – Die wahre Heimath des Pumpernickel. S. 388.




Erklärung.

Ich erkläre hiermit, daß ich mir das Recht der Dramatisierung meines Romans „Freie Bahn!“ ausdrücklich selbst vorbehalte und dies Recht auch für alle meine übrigen Schriften ausschließlich in Anspruch nehme. Es kommt ja sehr häufig vor, daß Romane und Novellen in dramatischer Form auf die Bühne gebracht werden, aber das geschieht stets durch den Verfasser selbst, vielleicht im Verein mit irgend einer bühnenerfahrenen Kraft. Meine Romane sind dagegen von jeher ein Gegenstand fremder Ausbeutung gewesen und in drei- und vierfacher Bearbeitung über die verschiedensten Bühnen gegangen, bis ich die gerichtliche Entscheidung dagegen anrief und in den betreffenden Fällen auch ein obsiegendes Erkenntniß erzielte.

Erst vor einigen Wochen wurde am Münchener Hoftheater eine Dramatisierung meines „Glück auf!“ aufgeführt, von der ich erst durch die Zeitungen Kenntniß erhielt. Die Leitung des Königlichen Residenztheaters hat die Bearbeitung allerdings nur in der Voraussetzung angenommen, daß sie eine durchaus berechtigte sei, und auf meine Beschwerde das Stück sofort und dauernd vom Repertoire abgesetzt. Ich habe also an dieser Stelle nicht den mindesten Vorwurf zu erheben. Ebenso ist die Theateragentur des Herrn Entsch, die den Vertrieb des Stückes übernommen hatte, nach Kenntniß der Sachlage davon zurückgetreten. Ich kann für diese rückhaltlose Anerkennung meines geistigen Eigenthums nur dankbar sein und darf nunmehr wohl bei den anderen Bühnen die gleiche Anschauung voraussetzen. Jedenfalls kennzeichne ich jene Bearbeitung, die den Titel „Elsa“ führt, als eine unrechtmäßige, der ich, wenn sie dennoch weitere Verbreitung finden sollte, auf dem Wege der Klage entgegentreten werde. E. Werner. 


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_388.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2023)