Seite:Die Gartenlaube (1893) 406.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

der großen Hafenstadt auf der Piazza Carlo Felice, dem Centrum Genuas. Hier kauft er, langsam schlendernd, seine Zeitungen und kehrt langsam nach Hause zurück. Manchmal aber spaziert er bis zur Promenade Acquasola, oft zum Hafen, meistens unerkannt, oder, wenn erkannt, unbelästigt, und das freut den alten Herrn, der nun einmal nicht bewundert sein mag.

Nachmittags erneuter Schlendergang, und da hat man ihn gesehen, wie er gleich andern genuesischen Hausherren seine Einkäufe bei den Wursthändlern macht: Salami- und Schinkenschnitte für den „Antipasto“, das übliche Voressen bei dem italienischen „Pranzo“. Man hat ihn sogar gesehen, wie er im Volksviertel Prè ein paar Salatstauden einkaufte, die er mit ernsthafter Miene in sein seidenes Taschentuch wickelte und heimtrug.

Das ist so ungefähr Verdi als Mensch, den Musiker haben andere gewürdigt. Sein größtes Werk aber kennen sie noch nicht, die wenigsten kennen es, denn es wird erst nach seinem Tode erscheinen.

Mitten unter der „Falstaff“-Arbeit der letzten Zeit und lange vorher schon hat es ihn unausgesetzt beschäftigt, denn es soll die Krönung seines Lebens werden, eine Hoffnung und ein Trost allen Künstlern, die auf dem unbeständigen Meere der Kunst Schiffbruch gelitten und, alt, enttäuscht, lebensmüde, Brot nöthig haben und ein Feuer, die morschen Knochen zu wärmen. Wir meinen das von Verdi „den Invaliden der italienischen Kunst“ gewidmete Hospiz. Diese großartig geplante Wohlthätigkeitsanstalt wird in Mailand errichtet auf einem Plan von 3000 Quadratmetern. Das Gebäude ist auf eine halbe Million veranschlagt, der Verwaltung wird ein Kapital von zwei Millionen zugewiesen. Die Zahl der Aufzunehmenden (beiderlei Geschlechts) ist auf 130 berechnet. Und noch anderes ist bedacht. So beschäftigt den sorgsamen Stifter gar lebhaft der Gedanke, wie er am schicklichsten seine alten Sänger und Musikanten unterbringe, ob zu je zwölf in einer großen Kammer, damit sie nächtlich nicht allein seien – doch, meint er, würden sie dann die „Spittelgedanken“ nicht los werden. Er möchte dann wenigstens zwei zusammenbetten, um der Besorgniß vorzubeugen, daß so ein armer Alter in der Nacht, von irgend einem Uebel gepackt, hilflos dahinsterbe.

So denkt er Tag und Nacht vor und möchte in seiner feinen Gesinnungsweise auch nach seinem Tode keinen kränken.

Um seine Lorbeeren kümmert er sich nicht, die sind aber längst zu einem sturmgesicherten Wäldchen emporgewachsen.



Blätter und Blüthen


Deutsche Feldherren in Südamerika. Daß der von Kolumbus entdeckte Welttheil zunächst von den Spaniern als eine willkommene Beute betrachtet wurde, ist bekannt, und die Eroberungs- und Plünderungszüge wurden von spanischen Feldherren geleitet. Um so merkwürdiger ist die wenig bekannte Thatsache, daß auch deutsche Befehlshaber neben denselben genannt werden, die an Muth und Unternehmungslust nicht hinter ihnen zurückstanden. Das war in Venezuela der Fall. Das Bankhaus Welser zu Augsburg stellte bei Kaiser Karl V. den Antrag, ihm zur Regelung seiner Forderungen an die kaiserliche Kasse eine der entdeckten Landschaften in der Neuen Welt als Lehen zu überlassen. Ein Theil der Perlenküste von Venezuela wurde für diesen Zweck in Vorschlag gebracht. Die Grenzen der Statthalterschaft wurden genau bestimmt; die Inseln der abgegrenzten Küstenstrecke gehörten dazu. Das Haus Welser sollte auf seine Kosten vier Schiffe mit 300 Mann spanischer oder fremder Herkunft ausrüsten, in Venezuela binnen zwei Jahren zwei Ortschaften und drei Burgen anlegen und mit 50 kundigen deutschen Bergleuten Kontrakte für sämtliche Theile „Indiens“ abschließen. Dafür erhielt das Haus Welser die Statthalterschaft und das Militärkommando. Das war der Vertrag, durch welchen der deutsche Name neben dem spanischen in jenen Gegenden zur Geltung kam. Freilich waren die deutschen Statthalter nicht vom Glücke begünstigt, obschon auch sie, von der Goldgier getrieben, in wildem Kampfesmuth Eroberungszüge landeinwärts unternahmen, wo sie das wunderbare Goldland mit seinen reichen Schätzen suchten. Den Indianern gegenüber zeigten sie und ihre Scharen sich ebenso grausam wie die Spanier.

Der erste Statthalter, Ambrosius Alfinger, betrat am 24. Februar 1528 im glitzernden Waffenschmuck das Lehensgebiet des Hauses Welser. Die ersten Züge in der Umgebung des Golfs von Maracaibo hatten nicht den gewünschten Erfolg, wenn auch einige Indianer in die Gefangenschaft geschleppt wurden. Später drang Alfinger durch die Landschaften am Maracaibosee nach den Gebirgsgegenden vor. Die Goldschätze der Cendaguaindianer erregten den Golddurst seiner Truppen. Hatte man doch bei dem mit Baumwollstoffen umhüllten Holzsarg eines Kaziken an goldenen Rüstungen, Halsbändern, Ohren- und Armringen, Kämmen und Gefäßen einen Schatz von 2000 Pesos (93 200 Mark) gefunden! Allein Alfinger wurde auf dem Zuge dahin von den Indianern überfallen und von einem vergifteten Pfeile tief in die Kehle getroffen. Auf ihn folgte als Statthalter Georg Frohmuth von Speyer. Er unternahm einen drei Jahre dauernden Zug nach einem im Osten der Cordilleren gelegenen Theile Kolumbiens. Nur ein Drittel der Mannschaften kehrte an die Küste nach Coro zurück. Schon wollte er einen neuen Zug nach dem Märchenlande am Marañon unternehmen, wohin ein angebliches Amazonenreich lockte, als er 1540 dem tückischen Küstenfieber erlag. Sein Nachfolger war Philipp von Hutten, der ein noch tragischeres Ende fand als seine Vorgänger. Vier Jahre lang trieb er sich mit einer Handvoll Leute, unter denen sich auch ein Bartholomäus Welser befand, in den Wildnissen des westlichen Orinokostromgebiets umher, fast vom Hunger aufgerieben oder durch tropische Gewitterstürme, welche die Riesen des Urwalds entwurzelten, obdachlos dem Elend preisgegeben. Hutten hielt man in San Domingo längst für tot. Man hatte von dort Juan de Carabajal nach Venezuela geschickt, um wieder Ordnung in die verwahrloste Kolonie zu bringen, die jetzt abermals ganz den Spaniern gehörte, da das Haus Welser seinen Vertrag gekündigt hatte. Carabajal ließ Hutten nach Tokuyo holen und wollte ihn zur Anerkennung seiner, Carabajals, Statthalteransprüche zwingen; doch der tapfere Deutsche weigerte sich aufs entschiedenste. Carabajal gestattete ihm gleichwohl freien Abzug nach der Küste, in der Hoffnung, die schwache Truppe werde unterwegs den Angriffen der Indianer erliegen. Doch er sah, daß er sich getäuscht hatte, da viele seiner eigenen Soldaten, seiner Tyrannei müde, sich den Abgehenden anschlossen. So folgte er ihnen nach mit einer wohlbewaffneten Schar, warf Hutten und seine noch kampffähigen Leute nieder und ließ sie in Fesseln legen. Sein Auge funkelte wie das eines blutdürstigen Raubthiers, als er die Reihe seiner Opfer hinabschritt. Sein höhnisches Lachen antwortete dem Wehgeheul und den Bitten der Unglücklichen. Ein grinsender Neger trat auf seinen Zuruf vor und schnitt einem nach dem anderen den Kopf ab. Zuletzt rollten Welsers und Huttens Häupter auf den Boden.

Näheres über die Heldenthaten und Entdeckungszüge dieser Tapferen theilt Dr. Hugo Topf mit in seiner Schrift „Deutsche Statthalter und Konquistadoren in Venezuela“ (Hamburg, Richter). Es ist ein düsterer Ruhmesglanz, der jene Männer umgiebt, und die Anerkennung, welche man ihrem Wagemuth und ihrer zähen Ausdauer nothgedrungen zollen muß, wird stark beeinträchtigt durch den Abscheu, welchen ihre ungezähmte Goldgier in uns erweckt. †     

Verlängerung der Blüthendauer. Es giebt Pflanzen, die sich den ganzen Sommer hindurch mit Blumen schmücken. Es sind aber nicht dieselben Blüthen, die an ihnen unser Auge erfreuen; gerade bei diesen fleißig Blühenden welken die einzelnen Blüthen rasch dahin, um durch frische, die sich aus neuen Knospen entfalten, ersetzt zu werden. Pflanzen dagegen, die nur wenige Blüthen erzeugen, tragen in der Regel dauerhaftere Blumen. So giebt es eine unermeßliche Reihe von Abstufungen in der Lebenslänge der Blüthen. Wie es Eintagsfliegen giebt, so kennen wir auch Eintagsblumen, und die schnelllebigsten unter ihnen könnte man sogar „Augenblicksblumen“ nennen; denn zwischen dem Aufblühen und Verwelken liegt bei ihnen nur die kurze Spanne Zeit von drei Stunden. Andererseits sind Blumen nicht selten, die tagelang bestehen; die Blüthe des Safrans (Crocus sativus) erhält sich zwölf Tage frisch, und besonders bei einigen Orchideen kommt diese Langlebigkeit zum Vorschein. Die ausdauerndste Blüthe der Welt dürfte das Odontoglossum Rossii liefern, denn bei dieser Orchideenart welkt die Blume erst nach achtzig Tagen. Zu wissenschaftlichen Forschungszwecken oder aus Liebhaberei suchte man die Dauer der einzelnen Blüthe auf künstlichem Wege zu verlängern. In gärtnerischen Zeitschriften wird der Rath gegeben, möglichst frühzeitig den Griffel der Blüthe zu entfernen; die Botaniker gingen in ähnlicher Art vor, indem sie die Narbe der aufgeblühten Blume derart schützten, daß auf dieselbe kein Pollen gelangen konnte. Sie machten die Befruchtung unmöglich, und es gelang ihnen in der That, die Dauer der Blüthe zu verlängern, denn es besteht in der Pflanzenwelt das Gesetz, daß die Blätter der Blumenkrone welk werden und abfallen, sobald der Pollen in die Narbe des Griffels eingedrungen ist und die Blüthe ihren Zweck erfüllt hat. Es giebt Pflanzen wie den Nachtschatten und die Tollkirsche, bei denen man die Folgen des Eindringens des Pollens in überraschend kurzer Zeit beobachten kann. Bestreicht man die Narben der Blüthen mit reifem Pollen, so sieht man, daß schon nach einer Stunde der Griffel welk und braun wird und zu Boden fällt, worauf bald auch das Welken der Blumenblätter eintritt.

Diese Beobachtungen belehren uns, warum die gefüllten Blumen der Nelken, Tulpen, Levkojen u. a. drei, ja acht Tage länger sich erhalten als die einfachen: bei den gefüllten Blumen sind ja sämmtliche Pollen- und Fruchtblätter in Blumenblätter umgewandelt; die Narbe ist in diesen Blüthen von der Natur selbst entfernt worden. *     

Die Zerstörung des Klosters Hirsau durch Mélac. (Zu dem Bilde S. 393.) Im württembergischen Schwarzwald, unweit der Stadt Calw, liegt das Dörflein Hirsau, umrauscht von den Wellen der Nagold, umgeben von hohen, tannendunklen Bergen. Die wenigen Häuser des Ortes

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_406.jpg&oldid=- (Version vom 2.1.2024)