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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

eine niederländische Korvette und die zwei ihrer schönen Formen halber vielbewunderten Kreuzer Deutschlands, welche die „Gartenlaube“ bereits früher (Nr. 14) abgebildet hat. Die Steuerbordseite wurde von britischen, russischen, französischen, italienischen, spanischen und brasilianischen Kriegsschiffen eingenommen, an welche sich unzählige Personendampfer und Jachten anschlossen, so daß das Gesamtschauspiel überaus bunt und lebhaft war.

In derselben Ordnung, in welcher die Fahrzeuge gekommen, warfen sie im Hudson Anker und bildeten eine mehrere englische Meilen lange Gasse, an deren Spitze drei kleine merkwürdig geformte Schiffchen, Nachbildungen der Karavellen des Kolumbus, den Ehrenplatz einnahmen. Diese nach alten Vorlagen in Spanien gezimmerten Karavellen hatten unter Beistand eines spanischen Kriegsschiffes gleichfalls die Fahrt über den Ocean gemacht und waren nach ihrer Ankunft in Havanna nach dem allgemeinen Sammelplatz geschleppt worden, wo sie durch ihre absonderliche, malerische Bauart und ihren krassen Gegensatz zu den gewaltigen Meerungeheuern der Neuzeit allgemeine Aufmerksamkeit erregten.

Am 27. April, kurz nach Mittag, begab sich Grover Cleveland, der Präsident der Vereinigten Staaten, umgeben von glänzendem Gefolge, an Bord einer reichgeschmückten Jacht, um die Revue der mächtigen, im Schmuck unzähliger Flaggen und Wimpel prangenden Flotte abzunehmen. Welch ein Schauspiel! Im Nu bevölkerten sich die Rahen und Masten der Fahrzeuge mit Tausenden von Matrosen, die Seesoldaten traten unter die Waffen, die Kapellen spielten die Nationalhymnen, während der Donner der Salutschüsse die Häuser der Millionenstadt auf Manhattan Island erbeben machte.

An diese Flottenschau reihten sich zahlreiche andere rauschende Festlichkeiten, welche während der letzten Woche des Aprils 1893 die Bewohner von New-York in Aufregung erhielten. Einen besonderen Reiz gewannen alle diese zu Ehren des großen Entdeckers Christoph Kolumbus getroffenen Veranstaltungen dadurch, daß denselben einer seiner Nachkommen, der spanische Herzog von Veragua, als Ehrengast der amerikanischen Nation beiwohnte.

Wenn auch die Feierlichkeiten, welche sich an die am 1. Mai zu Chicago erfolgte Eröffnung der Weltausstellung knüpften, ein einfacheres Gewand trugen, so waren sie nichtsdestoweniger von großartigem Eindruck. Sie spielten sich in der Hauptsache auf dem Weltausstellungsplatze selbst, und zwar auf dem sogenannten „Ehrenhofe“, ab, einem Festraum, der uns in die Blüthezeit der alten Roma versetzt.

Präsident Cleveland eröffnet die Ausstellung durch Berührung des elektrischen Knopfes.

Denke sich der Leser eine gewaltige, von schneeweißen Marmorwänden umschlossene und von Wasservögeln und buntfarbigen Gondeln durchfurchte Lagune, in deren Wellen sich ragende Paläste spiegeln: rechts der 514 Meter lange und 240 Meter breite Palast für Industrie, links die nicht minder großartige Halle für die Erzeugnisse des Ackerbaus. Die Ostseite des Schauplatzes ist von einer mächtigen, in korinthischem Stil gehaltenen Kolonnade begrenzt, deren 48 Säulen die 44 Staaten und 4 Territorien der Union darstellen. Im westlichen Hintergrund erhebt sich hingegen zwischen der Elektricitäts- und der Minenbauhalle einerseits und der Maschinenhalle andererseits das entzückend schöne Verwaltungsgebäude mit seiner goldschimmernden Riesenkuppel. Und wo nur das Auge hinblickt, begegnet es einem schier überschwenglichen Reichthum von Skulpturwerken aller Art. Dort schwingen sich zierliche Brücken über die blaue Lagune, da ragen mit Schiffsschnäbeln besetzte Säulen in die Lüfte. Daneben sehen wir kolossale Vasen, in denen riesenhafte Blattgewächse und Agaven prangen, oder wir bewundern naturalistisch behandelte Thierfiguren, wie Bären, Büffel, Elche, Jaguare.

Das meiste Aufsehen erregt aber eine von phantastischen Tritonen und Wasserrossen gezogene und von acht schönen Jungfrauen geruderte Karavelle, auf deren hohem Deck die Göttin der Freiheit triumphierend thront. Diesem Bildwerk gegenüber, am östlichen Ende der Lagune, ragt eine Kolossalstatue der Republik empor. Noch verbargen sich die Formen dieser hohen Gestalt hinter flatternden Leinwandstreifen, aber die Stunde der Enthüllung war nahe.

Schon füllte sich der Festplatz. Von Nord und Süd, von Ost und West strömten in unendlichen Zügen Tausende von Menschen herbei, aus den Tausenden wurden Hunderttausende.

Auch die vor dem Verwaltungsgebäude errichtete Tribüne begann sich mit Menschen zu beleben. Es erschienen die Herren der Ausstellungsbehörden, die Leiter der verschiedenen Departements, die Abgeordneten der hier tagenden Weltkongresse, die Vertreterinnen der Frauenabtheilung, Mitglieder des amerikanischen Senats und des Kongresses, die Gouverneure der einzelnen Staaten und Territorien, die Angehörigen des diplomatischen Corps, die Kommissare der ausländischen Regierungen. Welch erlesene Versammlung, welch glänzende Uniformen! Hier die goldfunkelnden Staatsröcke der Vertreter fast sämtlicher europäischen Reiche, daneben die absonderlichen Galagewänder von Abgesandten aus dem Reich der Mitte, aus Japan, Korea, von den Polynesischen Inseln, aus Südamerika, aus Australien und weiß der Himmel wo her. Auch eine Anzahl Indianer erschien in vollem Kriegsschmuck unter der Menge.

Noch haftete das Auge an all dem vielfarbigen Schmuck, an

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_417.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2018)