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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Drehung gleichmäßig vertheilt wird. Wie nach dem Gerben so ist auch nach dem Färben ein schnelles und gründliches Trocknen Hauptbedingung, und ebenso schließt sich auch hier ein ausgiebiges Recken und Strecken auf dem Stollpfahl an.

Eine Nätherin liefert Arbeit ab.

Damit sind indessen die Vorbereitungen für die eigentliche Herstellung des Handschuhes noch nicht vollendet, das Fell bedarf noch eines sorgfältigen Abschleifens der faserigen Innenseite, des sogenannten „Dollierens“.

In früheren Zeiten – und in kleineren Geschäften ist es wohl heute noch so – geschah das Schleifen durch Handarbeit mit einem sogenannten Dolliermesser; die Neuzeit nimmt aber hierfür die Dampfkraft in Anspruch. Auf breiten mit Schmirgelleder besetzten Radscheiben, die sich aufs schnellste drehen, werden die Felle abgeschliffen, eine Verrichtung, die namentlich in größeren Arbeitssälen einen gewaltigen Lederstaub emporwirbeln läßt.

Nunmehr wandert das Fell in die Arbeitssäle der eigentlichen Handschuhmacher, um zum Handschuh verarbeitet zu werden. Es ist das an sich keine schwere und angreifende Arbeit, aber sie erfordert doch viel Geschick und einen sicheren Blick bei der Behandlung und Eintheilung des Leders. Der eigentliche Schnitt wird auf einer kleinen Schneidemaschine gemacht, die aus Messern besteht, welche ganz der Fingerlage entsprechen; nur die Zwischentheile werden mit der Schere geschnitten. – Das Zusammennähen der Handschuhe ist nun eine Aufgabe, die ausschließlich dem weiblichen Geschlecht zufällt, und zwar handelt es sich im wesentlichen um Hausindustrie, die, wie schon erwähnt, vielfach Leute in ärmeren Gebirgsgegenden beschäftigt. Die Arbeit wird durchweg auf Nähmaschinen besorgt, die namentlich für die Herstellung der Verzierungen auf der oberen Handfläche sehr verwickelter Art sind.

Den Schluß der Thätigkeit an dem Handschuh bildet das Zurechtlegen und Glätten oder, wie man es in der Kunstsprache nennt, das „Dressieren“, das Knöpfeannähen und das saubere Verpacken. Auch zu dem letztgenannten Geschäfte bedarf es sehr geschickter Hände, wenn das Ansehen und die Verkäuflichkeit der Ware nicht beeinträchtigt werden soll.

In unserem vaterländischen Gewerbswesen spielt die Handschuhfabrikation eine bedeutende Rolle.

Trotz hoher Zölle bringt sie doch Millionen aus dem Auslande, namentlich aus England und Amerika, nach Deutschland, vielen Tausenden gewährt sie ein auskömmliches Brot. Und dafür schuldet das Vaterland auch jenem schlichten Manne Dank, der einst den Muth besaß, seinen Landsleuten diese neue Bahn zu Arbeit und Verdienst zu öffnen.




Altersriesen.

Von Dr. J. Herm. Baas.


Ein hohes Alter gilt als ein besonderes Glück. Erreicht aber einer – so voller Widersprüche ist die Menschenseele – ein ungewöhnliches Alter, so fühlt er sich in der Regel, da der Gleichaltrigen, mit denen er jung war, nur noch wenige oder gar keine mehr da sind, vereinsamt, er wünscht in der Regel zu sterben, zumal, wenn die Gebrechen des Alters den Genuß des Daseins beeinträchtigen. Doch giebt es auch Menschen, welche das gewöhnliche Altersmaß ebensoweit überschreiten, wie die körperlichen Riesen das Durchschnittsmaß der Körpergröße hinter sich lassen, und die dabei gesund und lebensfroh bleiben, wahre Alters- und Gesundheitsriesen. Aber in der verhältnißmäßig kleineren Zahl der Fälle sind dies zugleich Geistesriesen gewesen, sondern es waren in der Hauptsache einfache Dauermenschen. Sie erregen hauptsächlich dadurch Interesse, daß sie die Fragen nahelegen: wie lange hat der Mensch im Mittel zu leben; wie hoch ist die gewöhnliche höchste Altersgrenze und wie weit kann sie überschritten werden?

Es giebt eine ganze Anzahl von Sammlungen der bekannten Altersriesen, aus denen man die Antwort auf die letzte Frage schöpfen könnte. Zahlreiche Beispiele führt Hufeland in seiner „Makrobiotik“ an, und unter den neueren Schriftstellern hat besonders Professor Büchner die zuverlässigsten Angaben gemacht. Beiden entnehmen wir einen Theil der hier folgenden Auswahl, einen anderen Theil den Schriften von Paul Niemeyer, Pflüger, Ebstein u. a., die neuesten haben wir selbst gesammelt.

Als größter Altersriese wird immer der sprichwörtlich gewordene Methusalem zuerst genannt mit einem Alter von 969 Jahren.

In weitem Abstand folgen Henoch mit 365 und Abraham mit 175 Jahren, dessen Frau Sarah ein Alter von 127 Jahren erreichte und mit 90 Jahren Mutter des Isaak ward, der seinerseits es auf eine Lebensdauer von 180 Jahren brachte, währeud Jakob im 147., Joseph im 110. und Moses im 120. Lebensjahr verstarben.

Da die Juden auch jetzt noch ein höheres Durchschnittsalter haben als die Angehörigen anderer Stämme, so wären an sich diese hohen Alterszahlen – mit Ausnahme derjenigen von Methusalem und Henoch – gerade nichts Wunderbares; selbst ihre regelmäßige Wiederkehr ließe sich noch durch erbliche Familienlanglebigkeit erklären. Indessen fehlt es an jeder Sicherheit über die diesen Angaben zu Grunde liegende Jahreslänge, und somit entbehren jene Zahlen der Zuverlässigkeit, ganz abgesehen davon, daß von einer genauen Handhabung der Zahl, wie dies in unserer heutigen Statistik der Fall ist, damals keine Rede sein konnte.

Aehnliches gilt in Bezug auf die Ueberlieferungen anderer alten Völker, denen man übrigens so viel entnehmen kann, daß es auch bei ihnen Langlebige in größerer Anzahl gegeben habe.

Als Aeltester unter den alten Griechen mag der Priesterphilosoph Epimenides (um 590 v. Chr.) genannt werden, der 157 Jahre alt geworden sein und davon merkwürdigerweise volle 50 Jahre in einer Höhle verschlafen haben soll. Der berühmte materialistische Philosoph Demokrit von Abdera wurde nach einer Angabe 109, nach einer anderen nur 90 Jahre alt; der Sophist Gorgias lebte von 485 bis 378 v. Chr., also 108 Jahre, der stoische Philosoph Zeno aber 100 Jahre. Viele andere geistige Größen Altgriechenlands erreichten das 80. und das 90. Lebensjahr.

Als besondere Merkwürdigkeit sind die Angaben über die lange künstlerische Leistungsfähigkeit zweier römischen Schauspielerinnen anzuführen: die eine soll volle 100 Jahre in ihrer Kunst thätig gewesen sein und noch im 112., die andere aber noch nach ihrem 90. Lebensjahr gespielt haben. In Nordafrika, das im Alterthum für sehr gesund galt, fand man unter 3000 Grabsteinen 55 von solchen, die über 100 Jahre alt geworden waren, und einer darunter galt gar einem 132jährigen. Da jedenfalls nur Wohlhabende solche Denkmäler erhielten, so handelt es sich bei dieser Grabsteinstatistik nur um eine sogenannte „ausgewählte Sterbeliste“, welche keinen Schluß auf die ganze Bevölkerung zuläßt; in der That berechnet Friedländer aus der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_437.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2023)