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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


zu solchem Unterfangen? Euere Privilegien in Ehren, aber hütet Euch! Es möchte sonst eine gemeine Justiz dieses Birkenfelder Landes Anlaß finden, sich mit der absonderlichen Sache zu befassen.

„Die gemeine Justiz zu scheuen, hätte vielleicht dies Fräulein mehr Ursache als wir,“ versetzte darauf Schwester Veritas giftig. „Und hütet Euch, Herr, Euere Zunge gegen Anordnungen zu gebrauchen, welche der Herr Bischof von Trier selber hat ausgehen lassen gegen das überhandnehmende Gift ketzerischer Lehren. Wegen der Neigung zu hochmüthigem Irrglauben ist dies Fräulein zunächst einmal in geistliche Zucht genommen. Sehe zu, wer sich ihrer so dreist annimmt, daß er nicht auch dieser Seuche verfällt! Vielleicht gar hat er sie schon, ohne daß er’s weiß!“

Nievern verharrte in verächtlichem Schweigen und seine Haltung und Miene zeigten kein Nachlassen seiner verwegenen Entschlossenheit. Die Aebtissin begann nun wieder, und durch ihren Ton klang es durch wie eine etwas weinerliche Berufung auf sein Kavaliergefühl: „Bedenkt, was Ihr thut, Herr von Nievern! Wir sind schutzlose Frauen hier, die Ihr zum Ungehorsam gegen den geistlichen Berather dieses Klosters nöthigen wollt.“ Und dann, nun auch ihrerseits zur Drohung übergehend: „Wir müssen, so Ihr Euch jetzt nicht willig von hier entfernt, gegen Euch vor geistlichen Oberen und weltlichem Gericht ernstlich Klage führen, und Euer Eigensinn könnte Euch übler bekommen, als Ihr denkt!“

„Verklagt mich, wo Ihr wollt, ehrwürdige Mutter, sobald Ihr mich glücklich los seid!“ sagte darauf Herr von Nievern kaltblütig. „Jetzt aber bedeutet diese treffliche Schwester mit ihrer feinen Nase für Ketzerei, daß sie mir unverzüglich zu dem Gelaß des Fräuleins von Leyen vorangehe und dasselbe erschließe; den Schlüssel verwahrt sie, darauf möcht’ ich wetten. Denn ich gebe Euch meine Kavalierparole, daß weder ich von hier weiche noch aber auch Ihr das Gemach verlaßt, bis mir willfahrt wird. Das heißt, wir gehen von hinnen, ja, aber zusammen: ich in Euerer ehrwürdigen Gesellschaft.“

Damit schwieg der Herr von Nievern; er stand gemächlich da, leicht in den Hüften ruhend, die Linke ebenso leicht auf dem Degenknauf, und so die ganze kräftige Anmuth seiner Gestalt zeigend, für welche die beiden Nonnen indessen schwerlich Sinn hatten.

Sie wurden inne, daß sie sich entschließen müßten. Und naturgemäß merkte das die schlauere von beiden, die Schwester Veritas, noch eher als ihre Oberin. Diese, mehr an der Form der Sache sich stoßend, war aufs äußerste empört über ihre verletzte Würde, und ein gerechter Aerger über diesen Verwegenen drohte ihr mehr und mehr den Athem zu rauben und wirklich einen Anfall ihres Asthmas herbeizuführen. Die Schwester Veritas dagegen hatte rasch das Für und Wider erwogen, mit einer nachhaltigen inneren Wuth, denn sie merkte, daß man sich in einer Falle befand. Sie hatte sich zuerst gefragt, was sie eigentlich hindere, das Kloster zu alarmieren, wonach dann diesem Menschen doch die Erreichung seines Zweckes sollte schwer geworden sein! Aber ein gewisses Etwas in seinem entschlossenen Gesicht, ein Zug fast von wildem Humor verrieth ihr, daß ihr Leben allerdings schwerlich gefährdet sei, wenn sie zu entkommen suche, daß er aber ganz der Mann dazu sei, ihr sonst auf unerhörte Weise mitzuspielen! Das hatte sie blitzschnell überlegt, auch schon, wie die, die es anging ihr später für diese Viertelstunde zahlen sollten, und jetzt sagte sie „Erregt Euch nicht ferner, ehrwürdige Mutter; wir fügen uns dem Begehr des Herrn. Die Verantwortung dafür mag er tragen. Denn es ziemt diesem Hanse gottergebener Conventualinnen nicht, den Verdacht aufkommen zu lassen, als wollten wir etwa aus Menschenfurcht unser Verfahren mit diesem Fräulein heimlich halten. Der Herr folge mir und habe seinen Willen!“

Herr von Nievern ließ sich durch diese etwas überraschende Willfährigkeit keineswegs verleiten, weniger auf der Hut zu sein. Er behielt die beiden Klosterfrauen scharf im Auge, ob sie etwa durch heimliche Zeichen sich verständigten. Doch war nichts der Art zu merken, nichts als bei der Aebtissin eine aufrichtige Verblüffung. Ihre Mienen schienen zu sagen: warum dies lange Herumziehen? Soviel hätten wir gleich thun können. Sie faßte sich indessen mit leidlichem Anstand und nahm ihre Zuflucht zu dem salbungsvollen Tone, der ihrer Ordenskleidung ziemte. „So geht denn, Herr von Nievern, in Gottes Namen, und begleitet die Schwester! Und wir wollen Euerem Diensteifer für unsere allergnädigste Frau Pfalzgräfin das etwas unziemliche Drängen zugute halten, dessen Ihr Euch schuldig gemacht habt.“

„Wollt Ihr uns nicht begleiten, ehrwürdige Mutter?“ fragte Herr von Nievern höflich. „Wäre es nicht an der Zeit, daß auch Ihr Euch durch den Augenschein überzeugtet, wie der Gast Eueres Hauses untergebracht ist?“

Die Aebtissin blickte, hilflos und aufs neue geärgert, zu der Schwester Veritas hinüber. Diese, nicht ohne leise Schadenfreude bei der Noth der unbehilflichen und allzu bequemen Oberin beantwortete deren verzweifelten Frageblick mit einigen raschen halblauten Worten, durch welche die Aebtissin offenbar erst erfuhr, wo eigentlich das Fräulein untergebracht sei. „Im Oberstock des Glockenhauses!“ rief sie klagend. „Unmöglich, Herr von Nievern! Ihr kennt meinen Zustand nicht. Es wäre mein letztes, sollte ich jene Stiegen hinauf! Ein tödlicher Fluß nach dem Herzen wäre mir gewiß. Ihr müßtet mich denn hinauftragen wollen, was Euch auch nicht zuzumuten wäre.“

Unter dem Schnurrbart des Oberjägermeisters zuckte es sonderbar, doch behielt er für sich, was er über diesen Zustand der Hüterin einer frommen Schwesternschar denken mochte. „Voran denn, ich bitte!“ sagte er nur zur Subpriorin, welche Bitte aber sehr nach einem Befehl klang. Und nun hinter der Schwester her, erst zu ihrer Zelle, wie er vermuthet hatte, wo sie ihm aber dicht unter seiner Nase doch noch einen Streich spielte, indem sie von dem Brette doch eine ganze Anzahl Schlüssel nahm und dann mit fast taschenspielerischem Geschick den, auf welchen es ankam, mit einem Male dazwischen hatte; sie hatte ihn aus ihrem Gewand gezogen wo er die ganze Zeit gewesen war; das Suchen an dem öffentlichen ehrlichen Schlüsselbrett war nur ein Scheinmanöver gewesen. Und jetzt weiter, über Treppen und durch Gänge, eine lange Wanderung, während deren er mit äußerster Abgunst das häßliche plumpe Nonnenhabit auf ihrer unansehnlichen Gestalt studieren konnte. Kein Wort wurde zwischen ihnen gewechselt, bis sie vor der wohlverwahrten Thür von Polyxenens Zelle anlangten.

(Fortsetzung folgt.)




Künstliche Augen.

Von Dr. C. Wettlaufer.


In den ältesten Zeiten der plastischen Kunst stellte man bekanntlich bei Nachbildungen des menschlichen Antlitzes die Augen in geschlossenem Zustande dar; später erst lernte man den Gesichtern geöffnete Augen geben und endlich setzte man auch, um den Gesichtsausdruck mehr zu beleben, künstliche Augen ein, welche aus farbigen Steinen, Metall oder Elfenbein bestanden. In unserer Zeit verwendet man zu diesem Zwecke aus Glas hergestellte Augen, am meisten bei dem beliebten Spielzeuge unserer Kleinen, den Puppen, bei Wachsfiguren und ausgestopften Thieren. Mit diesen künstlichen Augen wollen wir uns jedoch nicht weiter beschäftigen, sondern nur die in Betracht ziehen, welche eine vornehmere Bestimmung haben, nämlich dem Menschen als Ersatz für ein verlorenes Auge zu dienen.

Wann der Gebrauch der letzteren aufgekommen ist, darüber fehlen uns sichere Nachweise. Es ist zwar von Schriftstellern des Mittelalters behauptet worden, daß die alten Aegypter, Griechen und Römer sich solcher Augen bereits bedient hätten, allein ältere Forscher, wie Mauchard, wollen darüber in den einschlägigen Schriften jener Völker nichts gefunden haben. Die erste wissenschaftliche Abhandlung über künstliche Augen finden wir bei Ambroise Paré in seinem 1582 erschienenen chirurgischen Werke. Dieser verdienstvolle Mann, Leibwundarzt von vier französischen Königen hintereinander, unterscheidet zweierlei Arten, die sogenannten „Ekblephari“ und „Hypoblephari“. Die ersteren bestanden der Beschreibung und Abbildung nach aus einem federnden, schmalen, metallenen Bügel, dessen eines Ende bis zum Hinterkopf reichte, während das andere in eine runde, die Augenhöhle samt den Lidern deckende Platte auslief; diese war mit feinem Leder überzogen, auf welchem sich ein gemaltes Auge befand – ein Aushilfsmittel,

das gerade nicht schön und bequem benannt werden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 472. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_472.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)