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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Bilder vom Buttstädter Pferdemarkt.
Von Herrmann Ferschke. Mit Zeichnungen von O. Herrfurth.

Die meisten bekannteren Städte Thüringens haben Erwerbsquellen, deren Anfänge bis in uralte Zeiten zurückreichen und aus denen heraus sich mit der Zeit recht bedeutende Industrien entwickelt haben. Zu diesen bevorzugten Orten gehört auch die achtzehn Kilometer nördlich von Weimar, zwischen dem Ettersberg und der Finne gelegene Stadt Buttstädt. Zwar eine Industrie kann man es gerade nicht nennen, was dieser Stadt Bedeutung unter ihren Schwestern verliehen hat. Der Klang ihres Namens geht aus von ihren altberühmten Roßmärkten, welche als eine Centralstelle für den Pferdehandel in Thüringen und Mitteldeutschland in bestem Rufe stehen und auch von Käufern aus entfernteren Gegenden zahlreich besucht werden. Sie stammen in der That aus unvordenklichen Zeiten und ihre Entstehung läßt sich mit Gewißheit gar nicht mehr feststellen. Eine Urkunde aus dem Jahre 1408, in welcher der Stadt ihre Marktgerechtigkeit bestätigt wird, besagt, daß diese Märkte „wie von alters her“, so auch künftig abgehalten werden dürfen; wir werden also in eine sehr ferne Vergangenheit zurückverwiesen.

So standhaft nun diese Märkte alle Zeitenstürme überdauert haben, so ist doch in einem Punkte eine wesentliche Wandlung mit ihnen vorgegangen.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß in früheren Jahrhunderten das Pferd ein Luxusgegenstand war, dessen Besitz sich nur wohlhabende Leute gestatten konnten, daß die Felder nur von Ochsengespannen bestellt und Wagenlasten bei dem fast gänzlichen Mangel an Kunststraßen ebenfalls vorwiegend von den gehörnten Zugthieren fortbewegt wurden, so dürfen wir uns nicht wundern, daß die Buttstädter Märkte in älterer Zeit weniger mit Pferden, als mit Ochsen beschickt wurden. Der Antrieb war aber ein so bedeuteter, oft bis zu 20 000 Stück, daß die Stadt, die einen großen Theil ihrer Felder zur Abhaltung der Märkte einräumen mußte, aus der Abgabe von zwei Pfennig für das Stück eine nach dem damaligen Werth des Geldes recht bedeutende Einnahme erzielte.

Aber nicht die Stadtkasse allein, sondern auch der größte Theil der Bürgerschaft betrachtete die Märkte als eine willkommene Gelegenheit zu einem stattlichen Verdienst, denn die zahlreich zusammenströmenden Menschen, Viehbesitzer, Treiber, Käufer und fahrendes Volk aller Art brauchten Wohnung, Verpflegung, Futter für das Vieh und allerlei andere nothwendige Gegenstände, welche denn auch in der Stadt reichlich zu haben waren. Aus diesem Bedürfniß heraus haben sich ansehnliche Industrien, wie Gerbereien, Seilereien, Sattlereien, vor allen Dingen aber Logier- und Gastwirthschaften entwickelt.

Nach alledem ist es sehr erklärlich, daß die Stadt eifrig bemüht war, sich ihre Privilegien zu erhalten und gegen nachbarlichen Wettbewerb nachdrücklich zu vertheidigen. Wiederholt wurde der regierende Herzog, einmal sogar Kaiser Karl V. angerufen, daß er einigen Nachbarstädten, welche es den Buttstädtern gerne nachmachen wollten, den Vieh- und Pferdehandel untersage. Und da Buttstädts Vorrecht, zwischen Saale und Unstrut allein derartige Märkte abhalten zu dürfen, über allen Zweifel erhaben war, so hatten diese Einsprachen in der Regel Erfolg; die Buttstädter besaßen damit eine recht bequeme Quelle der Wohlhabenheit und brauchten für den folgenden Tag keine sonderliche Sorge zu tragen.

Der Dreißigjährige Krieg aber machte, wie so vielen anderen, auch den Buttstädter Märkten ein Ende, denn die Ochsen waren während desselben im wahren Sinne des Wortes den Weg alles Fleisches gegangen und die Pferde von den Soldaten entführt worden. Es läßt sich lebhaft denken, daß die während des unseligen Krieges gänzlich verarmten Buttstädter mit Wehmuth ihrer früheren reichlichen, nunmehr versiegten Einnahmequelle gedachten und mit ihrem ganzen Sinnen und Trachten bestrebt waren, sich dieselbe wieder zu erschließen. Wie sie es gemacht haben, ist uns nicht überliefert, aber daß es ihnen gelungen ist, ihren Marktort nach und nach wieder in Aufnahme zu bringen, beweist die Gegenwart. Nur ist aus dem ehemals berühmten privilegierten Ochsenmarkt ein Pferdemarkt geworden, der sich trotz wesentlich ungünstigerer Bedingungen bis heutigen Tages erhalten hat.

Zu den drei uralten Märkten, zu Johannis, Michaelis und Allerheiligen, wurde der Stadt aus fürstlicher Gnade nach einem großen Brandunglück im Jahre 1684 ein vierter Markt, zu Fastnacht, gewährt; nach der Schlacht bei Jena-Auerstädt, welche auch der Stadt Buttstädt viel Schaden zugefügt hatte, bekam dieselbe das Recht, einen fünften Markt um Ostern zu veranstalten, und der neuesten Zeit war es vorbehalten, gleich zwei neue Märkte den fünf alten zuzufügen, so daß nunmehr jährlich sieben Pferdemärkte zu Buttstädt stattfinden, mit welchen fünf Krammärkte verbunden sind.

Wenn nun auch die jetzigen Roßmärkte mit den früheren Ochsenmärkten in Bezug auf die Zahl der angetriebenen Thiere kaum verglichen werden können, so sind sie in Anbetracht dessen, daß von Privilegien keine Rede mehr ist und daß auch in vielen anderen Städten Nord- und Mitteldeutschlands recht besuchte Pferdemärkte abgehalten werden, doch immer noch so

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 556. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_556.jpg&oldid=- (Version vom 2.9.2021)