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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Vor dem Kauf.

bedeutend, daß sie unsere Beachtung reichlich verdienen. Für Pferdeliebhaber, oder wer sonst gezwungen ist, zu wirthschaftlichen oder gewerblichen Zwecken sich auf den Pferdehandel zubegeben, wird es immerhin von Werth sein, auf den Plätzen der Stadt 2- bis 3000 Pferde jeder Rasse und jeden Alters wohlgeordnet zum Verkauf, ausgestellt zu finden. Da sind sie alle beisammen: das feurige ausdauernde ostpreußische Reitpferd, der elegante mecklenburger Karossier, das schwere dänische und das noch schwerere Ardenner Zugpferd, der gedrungene Percheron, der feingegliederte, langmähnige Russe und der ausdauernde, stahlsehnige Ungar, nicht zu gedenken der Unmasse einzelner Gebrauchspferde, welche aus der Nähe und Ferne von Privatbesitzern zu Markt gebracht werden. Es begegnen sich hier die Händler aus Belgien und Rußland, Dänemark und Ungarn, Ostpreußen und Mecklenburg, Holstein und Hannover, ein jeder mit der Absicht, nicht nur zu verkaufen, sondern auch zu kaufen, seine eigenen Bestände zu ergänzen und dann andere Plätze damit aufzusuchen. Und dies ist das eigentlich Bezeichnende an den Buttstädter Roßmärkten, sie sind eine große Pferdemesse, in welcher die Händler ganz stillschweigend unter sich Geschäfte machen, von denen das Publikum meist gar nichts gewahr wird. Es geschieht das meist schon vor dem eigentlichen Markt, da die größeren Pferdehändler oft schon acht und mehr Tage vorher mit ihren Koppeln anlangen, um ihren Pferden nach oft langer und anstrengender Eisenbahnfahrt einige Erholung angedeihen zu lassen und sie wieder ein wenig herauszufüttern. Die Besitzer von Fohlen, welche zu den Herbstmärkten in großer Menge aus Belgien, Dänemark und Holstein erscheinen, treffen oft schon mehrere Wochen vor dem Markte ein, pachten sich Wiesen und schicken die jungen Thiere auf die Weide, damit sie sich von der langen Reife erholen können und ein möglichst gutes Ansehen erhalten.

Da in früheren Jahrhunderten die Stadt bedeutend kleiner war als heute, zudem mit Mauern, Wällen und Gräben umgeben, so mußten die Massen zugetriebenen

Bei der „Vorparade“.

Viehes mit ihren Treibern und Wächtern im Freien lagern, und es mag Mühe genug gekostet haben, Ordnung in dieses Gewoge zu bringen. Heute ist das anders. Jeder Bürger der Stadt hat das Recht, während der Märkte Fremde aufzunehmen und Gastwirthschaft zu betreiben; und da von diesem Rechte hinreichend Gebrauch gemacht wird, so ist das Bedürfniß nach Wohnung und Stallung jederzeit vollkommen gedeckt. Unter diesen sogenannten „Jahrmarktswirthen“ giebt es Leute, die ihre Grundstücke ausschließlich zur Aufnahme der Marktbesucher gasthofartig eingerichtet haben und von denen einige Stallungen besitzen, in welchen fast zweihundert Pferde untergebracht werden können. Wenn nun auch der vorhandene Raum nicht an jedem Markte besetzt ist – denn es giebt gute und schlechte Märkte, wie die Zeit- und Witterungsverhaltnisse es mit sich bringen – so hat so ein Jahrmarktswirth doch sein gutes Auskommen, und es ist kein Wunder, wenn er sein eigentliches Gewerbe schließlich an den Nagel hängt und von seinen Markteinnahmen ein beschauliches und behagliches Dasein führt.

Aber auch viele arme Leute aus der Stadt sehen der Wiederkehr des Marktes mit Sehnsucht entgegen, da ihnen daraus ein sehr willkommener Verdienst erwächst; die Männer treten bei den Jahrmarktswirthen als Hausknechte und Futtermeister ein, wobei, wenn das Glück günstig ist, recht ansehnliche Trinkgelder abfallen, während die Frauen zur Bedienung der Gäste angenommen werden oder sonst einen kleinen Handel auf eigene Rechnung treiben.

Merkwürdigerweise ist der Tag vor dem Markte, der sogenannte „Einzugstag“, für den Pferdeliebhaber der lohnendste. Ist das Wetter, gut, dann bringen die Händler ihre Pferdekoppeln gegen Mittag auf den sehr geräumigen Marktplatz hinaus, der mit schönen alten Kastanienbäumen umgeben ist und genügend Schatten bietet, und hier hat man, da das Gedränge noch nicht so groß ist, hinreichend Muße und Gelegenheit, die schönsten Pferde aller Rassen zu betrachten und zu bewundern. Es ist dies eine Art Vorparade, bei welcher die Händler sich gegenseitig ihre Ware zeigen und viele Geschäfte untereinander abschließen.

Am frühen Morgen des eigentlichen Jahrmarktstages füllt sich der große Roßplatz und seine nächste Umgebung mit Pferdekoppeln und einzelnen zum Verkauf gestellten Pferden, alle nach Buttstädt führenden sieben Chausseen sind mit Wagen, Reitern und Fußgängern überfüllt, die alle einem Ziele entgegenströmen. Die an der Stadt vorüberführende Saale-Unstrutbahn hat Extrazüge eingelegt und führt Ströme von Menschen herbei, Geschäftsleute aller Art, Käufer und Verkäufer, Künstler und Schaulustige, harmlose Landleute und abgefeimte Taschendiebe aus den Großstädten, welche mit Vorliebe derartige Gelegenheiten mit Proben ihrer Fingerfertigkeit zu beehren pflegen.

Dieser gesamte Menschenmischmasch wimmelt nun durcheinander, ein jeder hat die beste Absicht, möglichst gute Geschäfte zu machen oder sich nach Kräften auf Kosten seines Geldbeutels zu belustigen.

Der Pferdehandel ist bereits im besten Gange. Die Koppeln, d. h. eine Anzahl aneinandergebundener Pferde, werden langsam im Kreise herumgeführt, in dessen Mitte eine Schnapsverkäuferin mit ihrem kleinen Tische Posto gefaßt hat; Käufer und Verkäufer trinken sich hier gegenseitig Muth zu, und ist ein Geschäft zustande gekommen, so wird hier der Kaufpreis erlegt, wovon natürlich für die Tischbesitzerin ebenfalls eine Kleinigkeit abfällt. Dort kurbettieren einzelne Reiter, um einen Kaufliebhaber anzulocken und ihm möglichst glaubhaft zu machen, der Gaul sei echtes Vollblut, während andere Verkäufer ihre Pferde vor einen Wagen gespannt haben und damit, soweit der Raum dies gestattet, wie toll umherjagen, um zu zeigen, was ihre Thiere leisten können.

Mit dem Pferdehandel ist das so eine eigene Sache, und wer damit zu thun gehabt hat, wird dies gewiß bestätigen können. Es giebt Leute, die sonst ganz ehrenwerth sein mögen, aber bei einem Pferdegeschäft sich nicht genieren, ihren eigenen Bruder übers Ohr zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 557. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_557.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)