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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

hauen – das ist eine alte Geschichte und sie wird wohl immer so bleiben; der Doppelsinn des Wortes „Roßtäuscher“, womit man in früheren Zeiten den Pferdehändler bezeichnete und das man ebensowohl von „tauschen“ wie von „täuschen“ ableiten kann, ist gewiß kein zufälliger. Freilich muß man hierbei einige Unterschiede machen; der große Pferdehändler, welcher oft mit einem Material im Werthe von

Die Macht der Ueberredung.

20- bis 30 000 Mark auf den Platz kommt, betreibt seinen Handel selbstverständlich anders als der Zigeuner, welcher mit drei bis vier auserlesenen Schindmähren antritt, die in ihrer frühesten Jugend vielleicht einmal ausrangierte Artillerie- oder Kavalleriepferde gewesen sind.

Aber jede Ware findet ihren Herrn – und selbst der Roßschlächter ist auf dem Platze, um seine Einkäufe zu machen.

Es kommt höchst selten vor, daß Verkäufer und Käufer unmittelbar miteinander verhandeln; das ganze Geschäft wird von Kommissionären, sogenannten „Schmusern“, besorgt, deren hauptsächlichste Tugend ein unbesiegbares Mundwerk sein muß, welches beide Theile genügend zu bearbeiten versteht. Es ist selbstverständlich, daß diese Leute, welche mit den Händlern von einem Markt zum anderen ziehen, stets zum Vortheil dieser reden und handeln; ihre Hauptaufgabe aber ist es, einen Ton der Treuherzigkeit und Unparteilichkeit anzuschlagen, der das Vertrauen des Opfers gewinnen soll, namentlich wenn dasselbe ein fremder und in derartigen Geschäften unbewanderter Mann ist. Dies gilt nicht nur beim Verkauf, sondern auch beim Kauf eines Pferdes, denn es handelt sich nicht immer darum, jemand ein Pferd aufzuschwatzen, sondern auch oft darum, es seinem Besitzer abzuschwatzen.

Das abgeschlossene Geschäft wird durch gegenseitigen Handschlag besiegelt, und es ist höchst spaßhaft, mit anzusehen, wie der Schmuser diesen Handschlag während des Handels zu erzwingen sucht. Er bietet oder fordert, je nachdem es sich um Kauf oder

Der letzte Kampf.

Verkauf dreht, einen gewissen Preis, bemächtigt sich der Hand des Gegners und versucht in dieselbe einzuschlagen, dieser aber, dem der Preis noch nicht zusagt, zieht seine Hand schleunigst zurück, und der eifrige Schmuser schlägt in die Luft. Und nun geht das Reden und Schwören und Bieten von neuem los – wieder letzte Handschlag in die Luft, wieder nichts, bis endlich beide einig werden, an den Zahltisch treten und ihre durch die Anstrengung ihrer Redewerkzeuge erschöpften Lebensgeister durch einige Schnäpse wieder auffrischen.

Seit einer Reihe von Jahren gehören auch die Zigeuner zu den Stammgästen der Roßmärkte. Sie erschienen plötzlich in größeren Massen mit Weibern, Kindern und ihren mit allerlei Plunder beladenen Wagen und machten sich in ihrer bekannten höchst Unbefangenen und unverschämten Weise bemerklich, lagerten sich in der Nähe des Roßplatzes, auf den Feldern und Wiesen, zündeten ohne Rücksicht auf die Feuersicherheit der Umgegend ihre Feuer an, schickten Weiber und Kinder zum Betteln in die Stadt, trieben des Nachts ihre halbverhungerten Pferde auf Wiesen und Kleefelder und statteten den Kartoffeläckern ihre sehr unliebsamen Besuche ab. Es hat viel Mühe gekostet, diesen Horden klarzumachen, daß auch sie die Gesetze zu respektieren haben, aber sie sind nunmehr belehrt und betragen sich im allgemeinen ruhig und anständig. Ihr Haupterwerbszweig, der Pferdehandel, muß in der That sehr einträglich sein, denn sie zeigen bei jeder Gelegenheit viel Geld, behängen ihre Frauen mit ausfallendem Geschmeide und Putz und vertrinken bei ihren Weingelagen, bei welchen es ihnen mehr auf die Menge, als auf die Güte des Getränks anzukommen scheint, oft große Summen.

Wer die Roßmärkte seit längeren Jahren kennt, findet stets alte bekannte typische Gesichter heraus. Da ist der schlaue Handelsmann, der alles kauft und verkauft, wobei etwas zu verdienen ist, und der auf keinem Markte fehlt; da wandert ferner der bankerotte ehemalige Cirkusbesitzer mit den Händen in den Hosentaschen umher und späht nach seinen ihm vor kurzer Zeit abgepfändeten Pferden. Ha, es ist alles vorbei! Da zieht ein Händler mit dem „unübertroffenen Springpferd Almansor“ von dannen und dort wandert mit gesenktem Haupte das Apportierpferd „Miß Cora“ hinter einem Roßschlächter her – sic transit gloria mundi! Da ist auch der „Herr Baron“, mit schäbiger Eleganz gekleidet, den Klemmer auf der Nase und die scheinbar mit Silber beschlagene Reitpeitsche in der Hand. Ach, er hat früher bessere Tage gesehen und seines Vaters „goldene Füchse“ wenn auch nicht, wie der lange Peter von Itzehoe, in einer einzigen Nacht, so doch in recht kurzer Zeit durchgebracht. Er träumt sich jetzt in seine schöne Vergangenheit zurück. Einst war er Pferdeliebhaber und hat wacker gekauft und verkauft – die Zeiten sind vorbei, die Passion aber ist geblieben. Und so handelt er fortgesetzt eifrig um Pferde, wird nur merkwürdigerweise niemals handelseinig und giebt schließlich kopfschüttelnd das Geschäft auf, indem er auf die heutigen hohen Pferdepreise schilt. So hat jedes Thierchen sein Plaisirchen!

Daß es auf diesen Roßmärkten an Schaubuden aller Art nicht fehlt, ist selbstverständlich, wie auch in den Gasthäusern die Muse des Gesanges in Kostümen aller Art, reichlich vertreten ist; dies hindert aber nicht, daß sich die im Freien befindlichen Resteurationsbuden, in welchen die Rostbratwurst als echtes Thüringer Kind vorherrscht, ebenfalls zahlreicher Gäste erfreuen. Weißt du, sehr geehrter Leser, was eine Rostbratwurst ist? Das ist eine Bratwurst, welche auf einem über glühenden Holzkohlen liegenden eisernen Rost gebraten wird und deren Zubereitung du, wenn der Wind danach steht, schon aus weiter Ferne zu ahnen vermagst. Wenn du einmal in einem Luftballon über die deutschen Länder dahinschwebst und du hast die Orientierung verloren und es steigt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_558.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)