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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

dir von unten her ein qualmender Dampf und ein merkwürdiger brenzliger Fettgeruch in die Nase, dann kannst du mit Sicherheit darauf schwören, daß du dich oberhalb Thüringens befindest; Denn ein Jahrmarkt, eine Kirmes oder sonst ein Volksfest ohne Rostbratwürste gehört hier zu den Unmöglichkeiten.

Alte Kunden.

Ob die Geschäfte gut oder schlecht gehen, das merkt der erfahrene Zuschauer sehr bald an der mehr oder weniger frühzeitigen Abnahme des Pferdebestandes auf dem Marktplatz, der häufig schon gegen Mittag sich zu leeren beginnt. Früher war dies nicht der Fall und der Markt wurde dann noch einen zweiten Tag fortgesetzt; die Menschheit hatte eben damals mehr Zeit als heute. Die leidige Eisenbahn aber mit ihren pünktlich abgehenden Zügen läßt ihre Lokomotiven ganz in der Nähe pfeifen und jeder Pfiff mahnt zur Eile, weshalb man denn auch bald die Koppeln der Händler dem Bahnhof zustreben sieht, um dort verladen zu werden. Gegen drei Uhr nachmittags ist der weite Platz, der noch vor wenig Stunden von Menschen und Rossen wimmelte, still und leer und nur noch in einigen abgelegenen Winkeln wird um einige Andalusier letzter Güte mit Wortschwall und heftiger Leidenschaft geschachert und geprachert. Endlich sind auch diese Geschäfte erledigt und, der erkauften Schätze froh, zieht alles von dannen, um in einem der vielen Wirthshäuser Erholung und Stärkung von des Tages Last und Arbeit zu suchen.

Der Buttstädter aber freut sich, wenn wieder ein guter Markt vorüber ist, und rechnet sich bereits in Gedanken aus, wann der nächste stattfindet, denn von den Märkten hängt ja sein ganzes Dasein ab – er lebt davon, wie seine Vorfahren davon gelebt haben. Und wenn dann am nächsten Tage der Bürgermeister mit dem Kämmerer Kasse macht und die für den städtischen Haushalt so nothwendige Einnahme feststellt, dann vereinigen auch sie sich in dem gemeinsamen stillen Wunsche für das fernere Blühen und Gedeihen ihrer altehrwürdigen Pferdemärkte.




Schwertlilie.

Roman von Sophie Junghans.
 (19. Fortsetzung.)
25.

Frau von Méninville hatte wohl oder übel dem Oberjägermeister Wort halten müssen. Sie hatte eine Unterredung mit dem Pater Gollermann gehabt, eine Unterredung ohne Zeugen, in dem einfachen Gemach des geistlichen Herrn. Und wenn diese Zwiesprache theilweise sehr seltsamer Natur gewesen, so möge dabei der Umstand erklärend ins Gewicht fallen, daß es die letzte war, welche diese beiden Personen je miteinander halten sollten. Trifft man aber auf dem Punkte zusammen, wo die Wege sich noch einmal kreuzen, Um dann für alle Zeitlichkeit auseinander zu laufen, so pflegt, was einer und der andere spricht, weniger mit Höflichkeit verbrämt als gehaltreich zu sein, und wenn dieser Gehalt auch bittere Nieswurz wäre!

Der Pater war durch die Mittheilungen der frommen Witwe, seiner vormaligen Schutzbefohlenen, erregt, ja aufgebracht worden; das Weib hatte seine höhnische oder verstockte Ruhe bewahrt, dem Spieler von Handwerk ähnlich, der stets damit zu rechnen gehabt hat, daß das Glück sich auch einmal gegen ihn wenden könne.

„Ihr habt uns in eine mißliche Lage gebracht,“ sagte der Pater, im Zimmer auf und ab schreitend, wobei er es vermied, sie, die am Tische stand, anzusehen … „in eine mißliche Lage! Und schlecht wird dem Orden durch Euch gedankt, daß er, Euerer scheinbar aufrichtigen Reue vertrauend, Euch durch seinen erneuten Schutz hier eine Stätte bereitete, wo Ihr, wie die Väter hofften, zum Besten der Religion wirken solltet.“

Frau von Méninville verschmähte es, ein Wort zu erwidern. Aber der Zug des Hohnes, der um ihre Lippen lag, verrieth, was sie in ihrem innersten Herzen von dem Versuch des Paters dachte, auch in dieser Stunde noch an der erbaulichen Redeweise festzuhalten.

„Zu groß ist jederzeit der weibliche Hang zu nutzlosen spielenden Ränken gewesen,“ klagte der würdige Herr zürnend weiter, „und zu groß die Schwachheit des Geschlechtes. Daß mir erst heute die Augen aufgehen mußten! Die äußere eitle Wohlgestalt dieses Herrn von Nievern ist es, die Euch verführt hat … Eifersucht hat Euch über das Ziel schießen, den ungeschickten, weil viel zu gewagten Zug thun lassen, diese Polyxene des Mordes ihres Vetters zu verdächtigen.“

„Ihr kennt das weibliche Herz. Hochwürden.“ sagte die Méninville darauf mit einem verzogenen Lächeln um die farblosen Lippen. „Dieser Nievern – möge es Euch nicht mißfallen, wenn ich es sage, und zwar in dieser Stunde – ist allerdings ein ganzer Mann, recht einer zum Verlieben, und keineswegs nur seiner hübschen langen Figur wegen …“

„Schweigt, Schamlose!“ herrschte Pater Gollermann sie an. „Ungeschickt war auch Euer Rath, den Junker, wenngleich die ärztliche Kunst der Unseren ihm damals das Leben gerettet hatte, im stillen fortzuführen, um ihn dem Einfluß des Irrglaubens seiner Base zu entziehen. Wenn dem Orden seine Vormundschaft verbleiben soll, so kann jene anfängliche Heimlichkeit nur dazu dienen, die Sache mißlich zu machen.“

„Damals schien Euch diese Heimlichkeit, wie so manche Maßregel des Ordens, des guten Zweckes wegen – alles in majorem Dei gloriam! – dienlich genug,“ höhnte sie. „Daß nun aber der Schlingel in Eueren Händen bleiben wird, jetzt, wo dieser Nievern wie ein Teufel für die Sache der Leyens ins Zeug geht, das scheint mir zum mindesten zweifelhaft. Und wäre Euch mein Rath nicht verleidet, so würde ich sagen: schafft den Buben auf der Stelle in eines Euerer Ordenshäuser in Spanien oder Italien – wenn es nicht schon zu spät ist.“

Pater Gollermann erwiderte mit Worten nichts auf diesen Vorschlag. Er schritt noch immer auf und ab, die Möglichkeiten ärgerlicher Verwicklungen in seinem Geiste erwägend. Und die Méninville schonte ihn nicht. Mit lauerndem Blicke begann sie von neuem: „Denn bedenkt, wenn der Junker zum Vorschein käme und man müßte sich einen Vers darauf machen, daß Ihr, hochwürdiger Herr, sehr wohl um seinen Verbleib gewußt habet, während Ihr die Polyxene, deren Hochmuth übrigens die Lektion verdient hat, wegen des an ihm begangenen Mordes in Haft hieltet – wie ständet Ihr da! Es sollte Euch dann, mein’ ich, doch einigermaßen schwer werden, wieder auf den alten Fuß bei der Pfalzgräfin zu kommen. Wie ich denn überhaupt guten Grund habe, diese Birkenfelderin für weit weniger von einer Gans zu halten, als sie mir anfangs scheinen wollte. Dabei hat sie ihre Tücken und Nücken – nun, der Herr, dem Ihr dient, wird sie Euch erleben lassen, um Euere christliche Geduld daran zu üben – dafern Ihr selber hier verbleibet.“

Der Pater sah die Dame jetzt endlich einmal an, und wenn Blicke Dolche wären, so hätte sie getroffen dahinsinken müssen. So aber weidete sie sich vielmehr an seinem stummen Grimm. Denn sie stand auf dem Boden, auf dem ein schlimmes Weib

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 559. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_559.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2021)