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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

wieder davonheben. Das aber thut sie nicht; ihr Gebahren ist vielmehr jetzt seltsam. Sie schießt noch einmal an die Thür und späht rechts und links in die Kellergänge hinein. Dann kommt sie zurück, schürzt ihr schwarzes Gewand, so daß unter dem kurzen Kamisol ein Paar platter Entenfüße zum Vorschein kommt, sie streift auch die weiten Aermel auf, nestelt den störenden schwarzen Schleier zurück und greift mit beiden Armen in den Holzvorrath, der scheitweis säuberlich aufgeschichtet die ganze eine Wand des Gewölbes einnimmt. Und nun schiebt sie Armvoll nach Armvoll in den Ofen hinein, so daß bald ein majestätisches Brausen der lohenden Flammen den Raum erfüllt, denn es ist kerniges gut getrocknetes Holz, mit dem sie die Gluth speist. Nach einer Weile aber läßt die Nonne den queren Blick umhergehen; sie sucht etwas anderes. Richtig da in der Ecke liegt es zu Hauf – das Fichten- und Wachholdergestrüppe, noch grün und qualmerzeugend! Sie schließt einen der Züge des Ofens, damit die Gluth nachlasse und die Feuerung, die sie jetzt einlegt, schwele und desto mehr qualme. Und dann füllt sie die ganze große Feuerhöhlung mit dem Nadelreisig. Sie arbeitet nicht nur im Schweiße ihres Angesichts, nein mit Gefahr beinahe, denn so groß ist nunmehr die Gluth, die ihr aus dem Ofen entgegenschlägt, daß die Tannenreiser schon dorren und glimmen, ehe sie nur im Ofen sind, und die Gluth der Schwester, bevor sie es nur merkt, die fahlen Wimpern versengt hat. Das läßt aber nach, je mehr grünes Reisig sie einschickt. Sie hat jetzt den Ofen damit vollgestopft; nun giebt sie ihm unten etwas Luft und gleich beginnt ein Ziehen und dumpfes Sausen – das Feuer will sich neu emporarbeiten.

Wie gut die brave Subpriorin Bescheid weiß! Eine jede Tugend belohnt sich und die meisten schon hier auf Erden! Daß die Schwester Veritas, wie Uebelwollende sagen, die Nase überall hat in Haus und Stall, in Garten und Keller, das kommt ihr nun zu statten. Als sie neulich die Räucherkammer visitierte, ob dieselbe zur Aufnahme neuen Wintervorraths wohl imstande sei, da hat sie an der Wand in der Nähe des Fußbodens eine kleine schadhafte Stelle bemerkt. Achtsam, wie sie ist, hat sie den Schaden untersucht, ihn aber doch nicht ausbessern lassen. Denn sie ist bescheiden und ordnet gerne ihre Einsicht derjenigen früherer Geschlechter unter. Als sie sich daher überzeugt hat, daß jener anscheinende Riß in der Wand eine nur dünn beworfene regelmäßige Oeffnung ist, ein wahrscheinlich durch die dicke Mauer hindurchgehender Spalt in der Breite eines halben Backsteins, welcher leicht verschlossen werden kann, sonst aber einem beträchtlichen Theile des Holzqualms den Austritt in die anstoßende, selten benutzte Zelle im Glockenhause frei läßt – da schweigt sie über diese kleine Entdeckung so vollständig, wie man es nur von einer braven Klosterschwester erwarten kann. Ihr steht kein Urtheil zu über den Zweck, welchen die Einrichtung gehabt haben mag! Allerdings war augenscheinlich diese Oeffnung lange verschlossen gewesen, durch Schutt und Kalk, der aber im Laufe der Jahre herausgerutscht sein mochte. Was noch davon vorhanden war, hat die sorgsame Subpriorin bei ihrer Untersuchung herausgeräumt; das Luftloch ist jetzt frei. Und dann hat sie einen schweren Kasten an diese Stelle geschoben, welcher die Oeffnung in der Wand verdeckt, ohne sie abzuschließen.

Das war vor zwei Tagen, und die Nonne trägt seit einer halben Stunde den Vorgang unablässig in Gedanken mit wildem Frohlocken. Jetzt ist sie hier fertig; sie hat alle Züge des Ofens bis auf einen geschlossen; der Qualm fängt an, auch hier sich unangenehm fühlbar zu machen, und beizt ihr die matten Augen roth. Rasch läßt sie ihr Gewand herab, ordnet den Schleier und entfernt sich mit etwas ungeistlicher Hast. Sie ist die letzte, die im Refektorium zu den versammelten Nonnen stößt. Ihrer Bescheidenheit gemäß nimmt sie einen Platz weit außerhalb des engeren Kreises der Nonnen ein, welche gleich einer Schar eifriger Dohlen ihre schwarz umhüllten Häupter gegeneinander neigen. Die Berathung, deren Ergebniß freilich kaum einer Anwesenden zweifelhaft ist, soll jetzt ihren Anfang nehmen. Doch aber sind die zunächstsitzenden Schwestern nicht so hingenommen von der Erregung der Wahl, daß sie nicht wiederholt mit fast befremdetem Nasenrümpfen und Schnüffeln die Köpfe nach der Thür, wenn nicht nach der zuletzt eingetretenen Subpriorin wendeten. Diese verwünscht sie im stillen, sowie manche andere der guten Schwestern, die jetzt in ein merkliches Hüsteln verfallen, zugleich aber auch ihr eigenes Uebersehen: das hat sie nicht bedacht, daß der vermaledeite Holzrauch sich in ihre Kleider und Haare hängen und sie wie eine besondere Atmosphäre heute noch stundenlang begleiten würde! – –

(Schluß folgt.)



Blätter und Blüthen.


Die sächsische Arbeitermedaille. Schon in den vierziger Jahren war es in Sachsen üblich, Arbeitern, die Jahrzehnte hindurch auf der nämlichen Arbeitsstelle beschäftigt gewesen waren, entweder Geldprämien oder silberne Medaillen zu verleihen, und zwar von Staats wegen durch das Ministerium des Innern. Inzwischen hat man dort die Vertheilung von Geldprämien grundsätzlich den Arbeitgebern überlassen und sich seit l875 auf die Verleihung der Arbeitermedaille beschränkt. Diese Medaille hat einen Durchmesser von 52 mm bei 4 mm Stärke am erhöhten Rande und zeigt auf der Schauseite das Bildniß des Königs, auf der Rückseite die Inschrift „Für Treue in der Arbeit“. In der Regel wird sie bei Arbeiterjubiläen, Fabrikfesten etc. zuerkannt, sie ist eine sehr begehrte Auszeichnung und genießt große Volksthümlichkeit. Vom Ministerium wird sie erst nach genauer Prüfung und nur an solche Arbeiter verliehen, die nach zurückgelegtem 25. Lebensjahre ununterbrochen wenigstens 30 Jahre lang auf der nämlichen Arbeitsstätte oder bei dem nämlichen Arbeitgeber oder bei der nämlichen Familie beschäftigt waren. In jedem einzelnen Verleihungsfalle wird amtlich festgestellt, ob der vorgeschlagene Arbeiter gerichtlich oder polizeilich bestraft worden ist, ob er seine staats- und gemeindebürgerlichen Verpflichtungen regelmäßig erfüllt hat, in welchem Rufe er steht etc., damit nur würdige Leute ausgezeichnet werden. Um die Bedeutung der Medaille nicht durch allzu reichliche Verleihung abzuschwächen und sie nicht zu einem bloßen Dienstzeichen herabsinken zu lassen, pflegt das Ministerium seit einigen Jahren die Medaille nicht gleichzeitig mehreren Arbeitern derselben Fabrik und bei großen Anlagen nur in beschränkter Zahl zuzubilligen.

Solche Arbeiter gehören in Sachsen keineswegs zu den Seltenheiten. Nach den Berichten der sächsischen Fabrikinspektoren für 1892 waren in den Steinbrüchen von F. Zachmann zu Lüptitz, Heyda und Dornreichenbach 23 Arbeiter mit länger als je 25jähriger ununterbrochener Dienstzeit zu finden, in der Wagenfabrik Gebr. Pfitzer zu Oschatz 7 Arbeiter mit je 30jähriger und in der Baumwollspinnerei W. Whitfield u. Co. zu Kolditz der Spinner Ehrenfried Priemer mit 50jähriger Dienstzeit. Von der Arbeitermedaille gelangten im Jahr 1892 nicht weniger als 215 Stück zur Vertheilung. Amtlich wird dieselbe als Ordensdekoration nicht angesehen; sie bleibt unbeschränktes Eigenthum des Empfängers und wird im Todesfalle auf Wunsch der Erben zum Herstellungspreise von 14 Mark eingelöst.

Arbeitern, die längere Zeit an derselben Stelle treu gearbeitet haben, aber aus irgend einem Grunde die Medaille nicht oder noch nicht erhalten konnten, werden unter Umständen Belobungsdiplome ausgefertigt.

Mit der veränderten Aufschrift „Für langjährige treue Dienste“ wird die Arbeitermedaille vom Ministerium des Innern auch an geeignete Dienstboten verliehen, welche außerdem von den landwirthschaftlichen Kreisvereinen mit kleineren Medaillen oder Kreuzen ausgezeichnet werden.

Von einem Kreise bewährter Arbeiterfreunde soll demnächst die preußische Regierung ersucht werden, nach sächsischem Vorbild auch ihrerseits eine Arbeitermedaille zu schaffen, damit verdiente Arbeiter öffentlich ausgezeichnet, anerkannt und erfreut werden können.

Kardinal Richelieu vor La Rochelle. (Zu dem Bilde S. 553.) Als der Kardinal Jean Armand du Plessis, Herzog von Richelieu, im Jahre 1624 das französische Staatsruder in die Hände nahm, da war das erste Ziel, welches er sich steckte, die Unterwerfung der Hugenotten. Richelieu war nicht im eigentlichen Sinne unduldsam, vielmehr durchaus geneigt, auch den reformierten Unterthanen des Königs von Frankreich volle Gleichberechtigung mit ihren katholischen Mitbürgern zu gewähren. Aber ihre politischen und militärischen Verbindungen, durch die sie zu einer fast unabhängigen Gewalt wurden, sollten vernichtet, ihre politischen Versammlungen unterdrückt, ihre Festungen zerstört, ihre Heere aufgelöst werden. Sie sollten nicht ferner einen Staat im Staate bilden.

Der Kampf gegen die Hugenotten verdichtete sich schließlich in dem Kampf um La Rochelle, jene mächtige Seefeste an der Westküste von Frankreich, die den Hauptstützpunkt der Hugenottenmacht bildete. Ihre Eroberung war für das Königthum moralisch und politisch gleich wichtig. „So lange er Rochelle nicht innehat, ist der König nicht wahrhaft König von Frankreich,“ rief einmal Richelieu, und so bot er alles auf, diese Stadt in seinen Besitz zu bringen.

Die Belagerung hatte ihre großen Schwierigkeiten. Die Befestigungen waren außerordentlich stark, ja sie galten als uneinnehmbar, die Bevölkerung, die um ihr Alles, um Freiheit, Besitz und Religion kämpfte, war zum äußersten entschlossen, und die Verbindung mit England, die zur See immer noch offen stand, sicherte einen mächtigen Rückhalt. Nur wenn es gelang, diese Verbindung abzuschneiden, war Aussicht auf eine Bezwingung der Stadt vorhanden, und hier setzte denn auch Richelieu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 563. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_563.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2021)