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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

geistige Arbeit sowie durch die Verdauung wird sie um einige Zehntelsgrade gesteigert, während Fasten u. dgl. ein Sinken bewirkt.

Die Messungen mittels des Thermometers geben den Grad der Körpertemperatur an. Zur Messung der Menge erzeugter Wärme dagegen hat man einen anderen Maßstab gewählt, und zwar besteht dieser in derjenigen Wärmemenge, welche nothwendig ist, um einen Kubikcentimeter oder, was dasselbe ist, ein Gramm Wasser um 1° C. wärmer zu machen; man nennt sie eine Wärmeeinheit oder „Kalorie“. Mißt man mit diesem Maßstab nun die vom menschlichen Körper in einem Tage erzeugte Wärmemenge, so erhält man das erstaunliche Ergebniß, daß ein Mensch von 164 Pfund Gewicht in 24 Stunden 2700000 Wärmeeinheiten hervorbringt, ein Pfund vom Körpergewicht also 16 463. Mit der von einem mittelschweren Manne täglich gelieferten Wärmemenge könnte man sonach 2700 Liter Wasser von 0° C. auf 1° C. erwärmen oder 27 Liter vom Gefrier- auf den Siedpunkt erhitzen.

Mit dieser auf den ersten Blick recht groß erscheinenden Wärmemenge muß der menschliche Körper jedoch auch sehr bedeutende tägliche Aufgaben bestreiten, so daß bei näherer Betrachtung sich herausstellt, daß er sogar eine recht sparsame Haushaltung zu führen gezwungen ist. Bedarf er doch (nach Steiner) zur Erwärmung von Speise und Trank, bei mittlerem Verbrauch und einem Temperaturgrad beider von 12° C., täglich 70 157, zur Erwärmung der von ihm in 24 Stunden eingeathmeten 16 Kilogramm Luft (bei 0° C.) 140064 und zur Unterhaltung seiner Wasserverdunstung (Schweiß etc.) 397 536 Wärmeeinheiten. Den Rest, allerdings mehr als Dreiviertheile der Gesamtwärme, gebraucht er, um sich zu seiner Umgebung im richtigen Wärmeverhältniß zu halten, wozu neben der Lunge die äußere Haut das meiste beiträgt. Auf den alleinigen Verbrauch der letzteren entfallen demgemäß von der oben angegebenen Gesamtsumme 2092243 Wärmeeinheiten. Die Haut giebt sie nach außen auf drei Wegen ab: durch Leitung, Strahlung und Verdunstung, durch Leitung etwa den vierten Theil, durch Strahlung die Hälfte und durch Verdunstung den Rest.

Die Beziehungen des Körpers zur Außenwelt und deren Einwirkungen auf seine Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe sind nun im Laufe des Tages und der Stunden einem außerordentlichen Wechsel unterworfen. Deshalb hat einestheils die Natur selbst Vorsorge getroffen und muß anderntheils der Mensch selbst dazu mithelfen, daß Erzeugung und Verlust untereinander im Gleichgewicht bleiben, mit anderen Worten, es giebt einerseits dem Körper eigenthümliche unwillkürliche Wärmeregulierungsvorrichtungen und andererseits muß der Mensch solche sich selbst schaffen. Zu den Mitteln der Selbsthilfe gehören Ernährung, Wohnung (Heizung) und Kleidung.

Wie die letztere im ganzen beschaffen sein muß, um ihren Zweck zu erfüllen, wollen wir hier nicht besprechen, sondern uns darauf beschränken, zu erörtern, wie sie für Kopf und Hals ausgewählt und was dabei beachtet werden muß, damit sie als eine physiologisch und hygieinisch richtige bezeichnet werden kann.

An die Kopfbekleidung muß vor allem die Anforderung gestellt werden, daß sie sehr leicht und luftdurchlässig sei; denn der Haarwuchs gewährt ja ohnehin schon in jungen Jahren und auch in späteren wenigstens so lange, als er noch nicht zu stark gelichtet ist, für sich allein einen im Grunde ausreichenden Schutz.

Bei kleinen Kindern ist der Blutandrang nach dem Kopfe und die Absonderung der Kopfhaut besonders lebhast, so daß das Häubchen, welches man ihnen selbst im wärmsten Bettchen vielfach heute noch aufsetzt, alter Gewohnheit und moderner Eitelkeit folgend, ganz unnöthig und oft sogar schädlich ist. Zum Ueberfluß wird es häufig gar noch unter dem Kinn zugebunden und hemmt dadurch den Blutabfluß vom Kopfe. Kein Wunder, daß sich die Kleinen schreiend dagegen wehren und erst ruhig werden. wenn man ihnen das „warme schöne Häubchen“ abnimmt! Man sollte den Kopf der kleinen Kinder bei warmem Wetter ganz frei lassen, selbst wenn sie ins Freie getragen werden; nur bei kühler und windiger Witterung mag man ihn draußen an der Luft leicht bedecken. Dasselbe gilt für die schon älteren Kinder, welche übrigens in der Regel aus angeborener hygieinischer Vernunft selbst dafür sorgen, daß ihnen der Kopf nicht zu heiß wird, indem sie die von der Putzsucht oder Aengstlichkeit der Eltern ihnen aufgenöthigte Bedeckung sobald wie möglich mit geradezu „unartiger“ Hartnäckigkeit herunterziehen.

Sind die Kinder in das schulpflichtige Alter eingetreten, so läßt man zwar die Mädchen vernünftigerweise sehr oft bloßköpfig oder doch nur sehr oberflächlich mit einem leichten Hut bedeckt ausgehen und giebt ihnen, wenn dies des Regens wegen nothwendig wird, lieber einen Schirm. Den Knaben dagegen zieht man selbst bei gutem Wetter über den dichthaarigen Kopf warme Tuchkappen oder schwere Tuch- und Filzhüte, deren Schilde oder Krempen noch dazu meist so klein und schmal sind, daß sie nicht einmal das Auge vor der Sonne schützen. Nur in den Hundstagen giebt man ihnen Strohhüte, deren Poren aber häufig mit Firniß zugestrichen sind. Fragt man, warum denn die Knaben nicht auch, wie die Mädchen, entweder mit ganz unbedecktem Kopf oder doch wenigstens nur mit breitrandigem leichten Hut statt mit schwerer Kappe sich bewegen dürfen, so wird als Grund entweder der kurze Haarschnitt angeführt oder es wird auf die angeborene größere Wildheit der Knaben hingewiesen, durch die nun einmal schwere und starke Stoffe selbst für die Kopfbekleidung nöthig würden. Ist nach alledem nur schwer gegen die herrschende Sitte anzukämpfen, so sollte wenigstens durch Luftöffnungen zu beiden Seiten und auf dem Deckel der Ueberhitzung des Kopfes und durch breite Schilde oder Krempen der Augenblendung vorgebeugt werden.

Auch die Kopfbedeckung der Jünglinge und Männer steht meist jener der Mädchen und Frauen in gesundheitlicher Beziehung nach. Die Damenhüte sind freilich nicht selten in der Form häßlich, ja ungeheuerlich, mit farbigen Bändern, Federn, künstlichen Blumen, Käfern, Schmetterlingen, selbst Eidechsen und leider auch mit toten Vögeln „verziert“ und überladen, aber sie bestehen doch im Gerüst meistens aus sehr porösen und leichten Stoffen und sitzen glücklicherweise nur so zum Scheine oben auf dem Wirbel der Venusköpfchen oder Junohäupter. Die Tuchhüte, Filzhüte, Arbeitskappen, Pelzkappen, Cylinder etc. der Jünglinge und Männer sind dagegen recht schwer oder sitzen doch zu tief und fest, führen auch entweder gar keine oder doch nur unzureichende Ventilationsöffnungen, so daß dem Herrn der Schöpfung schon bei einigermaßen warmer Witterung und geringen Anstrengungen der „Schweiß von der Stirne heiß“ herabrinnt. Etwas besser sind, das muß der Gerechtigkeit halber zugegeben werden, die Sommerkopfbedeckungen der Männer aus Stroh-, Haar- oder Bastgeflecht; doch könnten auch diese durch Beseitigung des sogenannten Schweißleders und Ersatz desselben durch Leinen- oder Seidenstoffe, dann durch Weglassen des steif appretierten und so für die Luft nicht mehr durchlässigen inneren Futters und des äußeren Glanzfirnißüberzuges verbessert werden.

Der Kopf soll möglichst kühl gehalten werden, das ist eine alte und bleibt eine gute Gesundheitsvorschrift. Leichte Hauskäppchen mögen unter Umständen für Kahlköpfige sich empfehlen, Perücken dagegen hemmen, wenn sie nicht mit vielen Ventilationslöchern versehen sind, ihres dichten Stoffmaterials (Leder) wegen zu sehr die Kopfausdünstung. Nachtmützen sind bei Männern überflüssig, weitmaschige Nachtnetze bei Frauen zur Schonung und Erhaltung des schönsten Kopfschmuckes, des Haares, unbedenklich, ja geboten; denn durch das Kämmen der verwirrten Strähnen werden stets viele Haare ab- und ausgerissen.

Ohrenklappen an den Kopfbedeckungen können gegen das Erfrieren der Ohren bei sehr starker Kälte nöthig sein, doch werden sie von ängstlichen Müttern besonders den Knaben häufiger, als geboten ist, angelegt, oft schon bei geringer Kälte, ja selbst bei bloß windigem Wetter, so daß sie infolge der daraus erwachsenden Verweichlichung nicht selten zu Gehörgangentzündungen, ja zu Erkrankungen des inneren Ohres Veranlassung werden.

Zuweilen sieht man auch, besonders auf dem Lande, wo die Erkältungsfurcht noch größer zu sein pflegt als in den Städten, bei Knaben den ganzen Kopf mit Ausnahme von Nase und Augen mit einer dicken gestrickten Haube überzogen, einer Art Kopfstrumpf, über der dann noch eine schwere Kappe, wenn nicht gar eine Pelzkappe thront. Ein solcher Kopfschutz führt zur Ueberhitzung und ist deshalb unter allen Umständen verwerflich. Zweckdienlicher sind die das Haupt lose umhüllenden und nach vorn ganz offenen Kapuzen (Baschliks), die man an Wintermänteln aus Wollstoff zum Schutz gegen Kälte und Regen angebracht findet; unbedingt zu vermeiden aber sind die aus Kautschuk

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_587.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2022)