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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

u. dergl. hergestellten wasser- und luftdichten Schutzhauben, selbst wenn sie vorn offen sind, weil der Stoff durch Abhaltung der Ventilation sehr schädlich wirkt.

Die enganliegenden und durch ohrenverschlleßende Bänder befestigten, oft dickgefütterten Stoffhauben der Mädchen und Frauen, wie sie jetzt noch in manchen ländlichen Bezirken als althergebrachte Volkstracht sich finden, sind vielleicht malerisch, aber natürlich zu heiß, wogegen die leichten duftigen Tüllhäubchen älterer Damen hygieinisch nicht beanstandet werden können, im Gegentheil empfohlen werden müssen. Pelzkäppchen, welche man als Wintertracht oft bei Mädchen sieht, wären unbedingt viel schlechter als der gewöhnliche Damenhut, wenn sie sich nicht infolge der weiblichen Haartracht nur unvollständig anlegten.

Der Soldatenhelm, die bekannte „Pickelhaube“, ist wegen seiner Schwere, seines steifen undurchlässigen Leder- und Metallmaterials und seiner schwarzen Farbe, welche die Sonnenstrahlen besonders gut aufsaugt, eine der heißesten und deshalb denkbar schlechtesten Kopfbedeckungen; doch ist er wenigstens, so gut dies möglich ist, zweckmäßig ventiliert. Die gewöhnliche Soldatenkappe ist zwar verhältnißmäßig leicht, aber da sie keinen Schild hat, so schützt sie das Auge nicht vor Blendung, was übrigens bei dem Helm mit seinem schmalen Schild auch nur ungenügend der Fall ist.

Die leichteste und zweckmäßigste, am besten ventilierte Kopfbedeckung, namentlich für den Sommer, bildet der hellfarbige oder weiße Tropenhut aus dünnem stoffüberzogenen Kork. Am nächsten kommen ihm die billigen Basthüte mit sehr breiter Krempe (Sombreroform), die sich insbesondere für Arbeiter empfehlen, welche sich der Sonnenhitze aussetzen müssen.

Vom hygieinischen Standpunkt aus für Männer am meisten zu empfehlen ist also ein dunkelfarbiger, breitkrempiger, möglichst leichter, ungefütterter, innen mit Leinenschweißtuch besetzter, an beiden Seiten und oben mit Ventilationsöffnungen versehener, steifer oder weicher Tuch- oder Filzhut oder eine Kappe aus leichtestem, wenig gefüttertem, luftdurchlässigem Seidenzeug mit großem Schild für den Winter und ein weitmaschiger, ungefirnißter, hellfarbener Stroh-, Bast- oder Roßhaarhut für den Sommer. Ueber die Kopfbedeckung der Frauen, welche zum Glück in der Regel nur sehr lose sitzt, kann man nur so viel sagen, daß sie aus dem durchlässigsten leichtesten Stoff hergestellt und mit allen schweren Verzierungen verschont werden sollte.

Insofern die Haare die natürlichste Kopfbedeckung sind, ist auch deren Pflege Gegenstand der Hygieine. Sie täglich zu kämmen, wird wohl nicht leicht jemand versäumen, um so häufiger aber wird aus Aberglauben ober Bequemlichkeit ein gründliches Waschen derselben unterlassen. Ist doch die Ansicht noch weit im Volke verbreitet, daß man z. B. kleinen Kindern den Kopf nicht mit Seife waschen dürfe. Deshalb sammelt sich denn auch oft genug die bei ihnen besonders starke Absonderung an und bildet, mit Staub vermischt, den sogenannten Gneis. Er wird als „gesund“ betrachtet, weil er als ausgeschiedene „Schärfe des Blutes“ gilt, während er in Wirklichkeit sehr oft die Ursache zu Kopfausschlägen wird, welche einfach als Schmutzkrankheiten zu bezeichnen und der schlechten Pflege zuzuschreiben sind. Erwachsene und zumal Frauen fürchten die Seifenwaschung deshalb, weil sie den Haarausfall begünstigen soll, während das gerade Gegentheil richtig ist. Regelmäßiges tüchtiges Waschen des Kopfes mit darauffolgender sorgfältiger Abtrocknung schadet den Haaren nie, sondern erhält sie und verhindert vor allem die Schuppenbildung und Pilzansteckung, die häufigsten Ursachen zu frühzeitiger, allgemeiner oder stellenweiser Kahlheit.

Andererseits herrscht merkwürdigerweise noch fast überall der Glaube, daß man durch häufiges und möglichst starkes Schneiden der Haare ihren Wuchs „kräftige“ und „erhalte“. Dieser Trugschluß hat wohl darin seinen Hauptgrund, daß lange Haare beim Kämmen eher abgerissen werden als kurze. Daß aber das Kurzscheren der Haare nicht gleichbedeutend ist mit Erhalten derselben, geht denn doch schlagend oder vielmehr „glänzend“ aus der alltäglichen Wahrnehmung hervor, daß die kurzhaarigen Männerköpfe viel häufiger und früher kahl werden als die langbehaarten der Frauen, auch daraus, daß bei Naturvölkern, welche ihre Haare niemals kürzen, Kahlköpfigkeit selten ist. Der Haarschnitt ist nichts anderes als eine Sache der Gewohnheit und der Mode und schadet auch wohl bei sparsamer Anwendung nicht sehr; bei zu häufigem und zu kurzem Schnitt dagegen wird zum Ersatz des Abgeschnittenen die Kraft des Haarbodens zu sehr in Anspruch genommen, so daß diese geradezu erschöpft wird und eine verfrühte Kahlköpfigkeit entsteht. Auch die Damen tragen neuerdings vielfach „Bubenköpfe“, um das Haar zu „kräftigen“, das ist aber nach dem soeben Gesagten nicht nützlich und auch meist nicht schön: ein langes schlichtes Haar ist und bleibt eine der reizendsten Zierden des weiblichen Kopfes. Auch die abgeschmackten sogenannten „Simpelfransen“, die meist noch mit dem Brenneisen mißhandelt werden, wodurch sie allen Glanz verlieren, schädigen die Erhaltung des Haarwuchses, ebenso wie das Lockenbrennen und Lockenwickeln. Endlich ist es nicht gut, die Haare beim Flechten allzu straff zu spannen, denn durch das fortgesetzte Zerren wird auf den Haarboden ein schädlicher Reiz ausgeübt.

Die Kämme müssen von Zeit zu Zeit durch Bürsten mit Seife und Einlegen in Sublimatlösung mit nachfolgender Abspülung gründlich desinfiziert werden. Das gilt natürlich ganz besonders für Friseurgeschäfte, weil in diesen gar leicht die Pilze ansteckender Haarkrankheiten übertragen werden können. Mancher „natürliche Hut“ ist schon als Opfer verunreinigter Kämme gefallen.

Ebenso wichtig wie eine richtige Kopfbedeckung ist für die Gesundheit eine zweckentsprechende Halsbekleidung; dennoch werden hier, und besonders wieder von Männern, noch größere Fehler gemacht als auf dem Gebiete der Mützen und Hüte.

Der Hals, als Verbindungsglied zwischen Kopf und Rumpf, muß beiden dienen. Er hat u. a. die Aufgabe, dem Gehirn Blut zuzuführen und aus diesem wieder zum Herzen zurückzuleiten, ersteres durch die starken Halsschlagadern, letzteres durch Blutadern, welche zum Theil in der Tiefe des Halses neben den Schlagadern, zum Theil dicht unter und in der Haut liegen; ferner enthält der Hals die Zufuhrwege der Luft zur Lunge und der Speisen und Getränke zum Verdauungssystem. Die Luftröhre mit Kehlkopf ist vorn sichtbar, die Speiseröhre liegt tief hinten in der Nähe der Wirbelsäule versteckt; ebenso liegen die Nerven in der Tiefe und das Rückenmark in der beweglichen Knochenhülse der Wirbelsäule.

Auf alles dies muß bei der Halsbekleidung Rücksicht genommen werden; es kommt aber noch anderes dazu.

Durch die Kleidung wird eine erwärmte Luftschicht um den ganzen Körper gebildet, eine Art Luftmantel. Diese Luftschicht muß natürlich gewechselt werden, darf nicht stagnieren, und daß dies nicht stattfindet, dazu dient neben den Poren der Kleidungsstoffe und den andern Oeffnungen der Kleidungsstücke hauptsächlich die Halslücke der letzteren, aus dem einfachen Grunde, weil die wärmere Luft vermöge ihrer größeren Leichtigkeit nach oben strebt. Die Halsöffnung ist demnach Austritts- und Ventilationsrohr für die Luft, welche den Körper umgiebt. Diesen Abzug zu erleichtern ist die Aufgabe der Kleidung; sie darf vor allem den Hals nicht dicht umschließen oder gar auf ihn drücken.

Verwerflich sind daher zu enge Hemdenkragen und Halsbinden. Sie hindern einestheils die Athmung, und dann pressen sie die Halsadern zusammen, stören den Blutzu- und Rückfluß, rufen Kopfweh, Schwindel etc., mit einem Wort: Strangulationserscheinungen hervor. Weiter aber verhindern sie den Austritt des nach oben gehenden Luftstroms, so daß die feuchtwarme Luft um den Körper stockt und ihn belästigt. Jedermann weiß aus Erfahrung, wie wohlthuend und kühlend es wirkt, wenn man bei starker Hitze den Hemdenknopf öffnet und die Halsbinde ablegt, selbst wenn beide nicht zu eng sind. Ebenso wie knappe Kragen und Binden hindern auch dicke, um den Hals gewundene Halstücher und Pelze, wie man sie oft im Winter sieht, durch Verschluß des Halsventilationsrohrs den Luftwechsel. Sie halten zwar bei kaltem Wetter die Wärme des Körpers fest, aber auch die Ausdünstungen zurück und stören die so sehr wichtige Hautathmung; sie verweichlichen den Hals und begünstigen mittelbar und unmittelbar die Entstehung von Erkältungen. Der Hals darf also nur lose mit Hemd und Binde umgeben sein, dicke Tücher müssen ganz vermieden werden. Die Wetterfestigkeit der Matrosen beruht nicht zum geringsten Theil auf der vernunftgemäßen Bekleidung oder vielmehr Nichtbekleidung des Halses.

Die alte Gesundheitsregel, daß man den Kopf kühl und die Füße warm halten soll, ist durch die Vorschrift zu vervollständigen, daß der Hals frei und offen sein muß.



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_588.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2022)