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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Runen.

In den grünen Zweigen wiegen
Rauschend sich die Morgenwinde,
Neu erwachten Lebens Kunde
Schwingt sich durch den Wald geschwinde.

Einer Buche narbige Rinde
Weist – gar zierlich ausgeschnitten –
Eines Herzens flammend Zeichen
Und zwei Namen in der Mitten.

Ach! Der dieses eingeschnitten:
Seinen und des Liebchens Namen –
Ach! wie steht’s heut’ mit den beiden,
Die hier einst zusammenkamen?

 Richard Zoozmann.




„Wenn du noch eine Heimath hast …“

Eine Erinnerung von P. K. Rosegger.

Gelegentlich meines fünfzigsten Geburtstages hat die „Gartenlaube“ mich eingeladen, ein weniges aus meinem Leben zu plaudern. Das ist mir schon recht, all meiner Tage habe ich mit der Feder nichts anderes gethan, als aus meinem Leben geplaudert – war es nicht aus dem äußeren, so doch aus dem inneren. Und es müßte schlecht stehen, wenn der Poet seine Dichtungen nicht selber durchlebte. Die Lüge in der Dichtung hebt erst dort an, wo die Leier Dinge singt, von denen das Herz nichts weiß.

Heute aber will ich ein Stücklein erzählen, das nicht nur innerlich, sondern in der That auch äußerlich erlebt worden ist; an sich recht unwesentlich, jedoch für mich von großer Bedeutung. Es kommt auch die „Gartenlaube“ dabei vor, sie, die so manches Gute gestiftet hat in der Welt. Ein Engel, der mir an bedenklichen Lebenswenden stets so freundlich beigestanden, hat auch einmal nach der „Gartenlaube“ gegriffen und sie zu meinem Wegweiser gemacht – nach dorthin, wohin ich gehörte. Und das hat sich zugetragen wie folgt.

Im Winter des Jahres 1865 habe ich eines Tages in der Waldheimath meine sieben Sachen in ein Taschentuch gethan und bin damit in die weite Welt gegangen. „Behüt’ Euch Gott, allmiteinand!“ hatte ich lachend zu den Meinen gesagt. So fröhlich, so unbefangen und gedankenlos wanderte ich fort von daheim, als ob’s zu einer Dorfkirchweih’ des Nachbarortes ginge und nicht weiter. Der zweiundzwanzigjährige Mensch war ja so rührend einfältig und hatte noch keine Ahnung von den jungen Dämonen, die in seinem Herzen nisteten.

Auf dem Weltwege war mir schon vorgearbeitet worden. Ein mir bisher stockfremder Mann, Doktor A. Svoboda in Graz – doch das ist ja bekannt. Er hatte Einsicht genommen in meine ihm geschickten Schriften, die an Papiergewicht nicht weniger als fünfzehn Pfund betrugen, er hatte es durch seine Zeitung, die „Tagespost“. soweit gebracht, daß ein Laibacher Buchhändler, Herr Giontini, brieflich anfragte, ob der „Naturdichter“ aus dem Gebirge zu haben sei; er brauche ihn zwar nicht zum Dichten, denn gedichtet wären die Bücher schon, aber verkauft wären sie noch nicht, und wenn der junge Aelpler sich zu einem Buchhändlergehilfen ausbilden lassen wolle, so könne er in sein Geschäft treten. Im ersten Lehrjahre neben Verpflegung monatlich sechs Gulden, später mehr.

Sonst hatte sich niemand um mich gemeldet, daher ging von der Waldheimath aus meine Straße nach der Hauptstadt im Krainerlande. Unterwegs dahin kehrte ich in Graz bei Doktor Svoboda ein und bei dem von diesem mir erworbenen Gönner Peter Reininghaus, einem um Steiermark hochverdienten Mann.

Reininghaus war aus dem Westfalenlande gekommen und hatte auf dem Steinfelde bei Graz eine Bierbrauerei gegründet oder emporgebracht, die heute zu den größten Etablissements zählt. Eben in den Tagen, da diese Erinnerung aufgeschrieben wird, begeht die Brauerei auf dem Steinfelde das Jubelfest ihres vierzigjährigen Bestehens und ganz Graz feiert es mit, dankbar dem Manne, dessen große Bürgertugenden viel zur Entwicklung der steierischen Hauptstadt beigetragen haben. Diesen Mann, der seither vom Kaiser in den Adelsstand erhoben worden ist, habe ich also damals aufgesucht. Ein armer schmächtiger heimloser Junge aus dem Gebirge stand da und wußte selbst nicht, was er wollte. Reininghaus erkundigte sich freundlich nach meinen Verhältnissen, sprach mir Muth zu für den neubetretenen Lebensweg, ermahnte mich, vor allem ein braver Mann zu werden, ob dieser dann ein Dichter wäre oder etwas

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 589. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_589.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2021)