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verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Nr. 36.   1893.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



„Um meinetwillen!“

Novelle von Marie Bernhard.
     (3. Fortsetzung.)
4.

Die Damen hatten im Boudoir der Generalin gespielt, im Salon war der Theetisch gedeckt worden, neben welchem Martin in dienstlicher Haltung wartend stand

Es war noch eine Excellenz vorhanden, aber eine von allerneuestem Datum, deren Adel zudem erst in der dritten Generation bestand – mit den Guttenbergs also gar nicht zu vergleichen! Die neue Excellenz trug braune Puffenscheitel und eine vornehme Miene zur Schau. Dann war noch eine Frau Generalmajor von Bienenfeldt mit weißen Löckchen und einem schwarzen Atlaskleide da und endlich Frau Oberst von Reisewitz, die eine auffallende Aehnlichkeit mit der Treffdame hatte und auch ebenso frisiert war.

„Mein Neffe, Universitätsprofessor Gregory,“ wurde mit geziemender Feierlichkeit diesen Würdenträgerinnen vorgestellt, und er hatte sich dreimal tief zu verneigen, sowie seiner Tante einen Handkuß zu leisten, was er übrigens alles mit guter Manier zustande brachte.

„Guten Abend, Annaliese!“ wandte sich darauf die Generalin zu dem jungen Mädchen. „Meine Damen, meine Enkelin schätzt sich glücklich, Ihnen zum Willkommen die Hand küssen zu dürfen.“

Es sah dem Professor nicht danach aus, als ob das Glück überwältigend groß sei, im Gegentheil, er fing einen unliebsam erstaunten Blick auf, den Annaliese ihrer Großmutter zuwarf und der, in Worte übersetzt, bedeuten konnte: das ist gegen die Abmachung, Du weißt, wie zuwider mir ein derartiger Akt ist! Aber die alte Excellenz lächelte gleichmüthig, im Innern froh, einen solchen moralischen Zwang ausüben zu können, und sah zu, wie die frische Lippen ihrer „Kleinen“ nacheinander die wohlwollend hingehaltenen Hände der Gäste berührte. Man gruppierte sich unter peinlichster Wahrung des Ranges um den Theetisch, Martin servierte tadellos. Frau Generalmajor von Bienenfeldt, die älteste Freundin des Hauses, gab der „neuen Excellenz“ flüsternd einige Weisungen – diese wünschte zu wissen, wo in aller Welt die liebe theure Excellenz Guttenberg diesen Neffen her habe.

„Nicht wahr?“ fragte die Generalin, die alles gehört hatte, leise, während Paul gerade in lebhaftem Gespräch mit Annaliese war, „er kann sich immerhin sehen lassen? Ich versichere Sie, er wirkt sogar im Salon unter meinen Offizieren, er macht eine so gute Figur, und ich kann es meiner verstorbenen Kousine noch heute nicht verzeihen, daß sie den hübschen aufgeweckten Jungen nicht ins Kadettenhaus gab. Er hätte wirklich Anlagen zum Offizier gehabt und könnte jetzt in kurzer Zeit Major sein, wenn mein Vetter Guttenberg sich für ihn interessiert hätte. Statt dessen nun … Gott, ja, ein Professor ist nichts Schlechtes, es hätte schlimmer kommen können – aber glauben Sie, liebe Excellenz, er ist zu meinen Gesellschaften zu haben? Kein Gedanke! War zweimal da, wurde gut behandelt, ich möchte sage bevorzugt

Das Andreas Hofer-Denkmal auf dem Berg Isel bei Innsbruck.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 597. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_597.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)