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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Das junge Mädchen schwieg eine Minute, sie war ganz nachdenklich geworden. „Soll ich gar nichts Hübsches mehr anziehen dürfen?“ fragte sie endlich fast kleinlaut.

Gregory zuckte mit ernster Miene die Achseln. „Es ist Ihr Plan – wollen Sie den durchführen, dann müssen Sie auch die Folgen auf sich nehmen! Von Eleganz und Pracht müssen Sie einstweilen Abschied nehmen!“

Sie lachte ihn schon wieder ganz fröhlich an. „Es giebt auch für wenig Geld hübsche Sachen,“ entschied sie zuversichtlich, „und die kauf’ ich mir dann. Aber ein bißchen kleidsam müssen sie sein! Ich will mich noch nicht absichtlich zur Nachteule machen!“

„Das sollte Ihnen wirklich schwer werden!“

„Meinen Sie? Wie drollig es Ihnen zu Gesicht steht, wenn Sie ein Kompliment sagen! So wie etwas ganz, ganz Ungewohntes kommt das heraus!“

„Sehr fein und richtig beobachtet! Ich sagte Ihnen neulich schon, der Verkehr mit jungen Damen sei mir ein ganz fremdes Gebiet – Sie würden einen Bären an mir finden, den Sie auszulachen haben!“

„Auslachen – Sie, bei Ihrer Empfindlichkeit? Nein, das würde ich nicht wagen, vollends bei meinem Respekt vor Ihnen!“

„Respekt? Um Gotteswillen!“

In diesem Augenblick drehte sich die Generalin mit ihrem Begleiter um und kam rasch näher. „Annaliese, verabschiede Dich jetzt, wir fahren weiter! Adieu, Paul! Man sieht Dich wohl noch vor Deiner nordischen Reise? Wann gedenkst Du denn zu fahren?“

„Etwa Mitte Januar – selbstverständlich komme ich vorher noch – leben Sie wohl, verehrte Tante! Ich empfehle mich Ihnen, gnädiges Fräulein!“

Die Damen stiegen ein, grüßten nach rechts und links, der würdevolle Kutscher lockerte ein wenig die Zügel, und die Equipage

rollte davon.

(Fortsetzung folgt.)




Zum Gedächtniß eines deutschen Fürsten.


Herzog Ernst als Schütze auf dem ersten deutschen Bundesschießen zu Frankfurt a. M. 1862.

Ja, ein deutscher Fürst im echten Sinne ist es gewesen, der in den späten Abendstunden des 22. August auf seinem Schlosse zu Reinhardsbrunn seinem Land, unserem ganzen Volke entrissen wurde! Wer immer die Männer zählt, die in den letzten fünfzig Jahren an die große Wendung in den Geschicken unseres Vaterlandes ihre beste Kraft gesetzt haben, der wird den Namen des Herzogs Ernst von Koburg mit in die erste Reihe schreiben müssen. Welche Erinnerungen weckt nicht dieser Name, welche Bilder führt er herauf! Als der sechsundzwanzigjährige Herzog im Jahre 1844 seine Regierung antrat, da hatte Deutschland Dutzende von Herrschern, aber keinen Herrn, da hatten Einigkeit und Freiheit des Volkes wohl im Reiche des begeisterten Gedankens, des glühenden Wunsches eine Heimath, aber nicht in der Wirklichkeit – nun, da er an der Grenze menschlicher Jahre geschieden ist, steht unser Vaterland geeinigt und gebietend da, offen im Innern für die freie Bewegung des einzelnen, für die Mitarbeit aller am gemeinsamen Wohl. Und daß dieses letzte halbe Jahrhundert für unser Dasein nach außen wie nach innen so viel geändert und gebessert hat, das danken wir nicht zum letzten dem Wirken jenes wahrhaft deutschen und modernen Fürsten.

Ein Sohn seiner Zeit zu sein, ihre besten Regungen zu verstehen und daraus die Zukunft, den Fortschritt anzubahnen – welch’ schönere Aufgabe könnte es für einen sann geben, sei er nun in den einfachen Wirkungskreis des Bürgers oder an einen verantwortlichen Posten im Staat, ja auf die Höhe eines Thrones gestellt. Aber welch schwerere giebt es auch für einen Regenten, der durch tausend Hindernisse der Gewohnheit und Erziehung zurückgehalten wird! Das Leben des Herzogs Ernst, das jetzt abgeschlossen vor uns liegt, zeigt, wie tief er jene Aufgabe erfaßte. Sein Entschluß von Anfang an war: im großen Kampfe der Geister sich mitten unter sein Volk zu stellen, mit ihm zu fühlen, zu sorgen, zu handeln. Er wollte als Landesfürst in demselben Sinne wie jeder andere auch zugleich ein deutscher Patriot, ein thätiger Bürger des Gesamtvaterlandes sein. Und die Natur hatte ihm zur Durchführung dieses Ziels die schönsten Gaben mit auf den Weg gegeben; einen eisernen Körper, einen frischen beweglichen Geist, ein lebhaftes Gefühl für alle Tüchtigkeit, für jedes selbständige Streben, einen muthigen Willen; sie hatte ihm auch die leichteren Talente nicht versagt, die ein Leben freundlich schmücken, besonders das der Musik. Dazu kam, daß er durch seine Verwandtschaften – sein Oheim, Leopold I., war König der Belgier, sein einziger jüngerer Bruder, Albert, wurde der Gemahl der Königin Viktoria von England – von selbst in einen weiten politischen Gesichtskreis gestellt und zu einem hervorragenden Einfluß berufen war. Das alles mußte, im Dienst der beherrschenden volkstümlichen Sache verwendet, dem Herzog ein reiches Wirken, unserem Vaterland eine zuverlässige Hilfe in seinen Nöthen sichern.

Es kann hier nicht der Ort sein, die Verdienste des Fürsten, welche die „Gartenlaube“ so oft und so gerne zu würdigen bestrebt war, im einzelnen zu verfolgen. Nur einen Kranz dankbarer Erinnerung möchten wir auf sein frisches Grab legen, indem wir im Gedächtniß unserer Leser noch einmal mit flüchtigen Umrissen jene Bilder erstehen lasten, in deren Mittelpunkt seine kernige Gestalt sich zeigt.

Was man sich voll dem jungen Herzog versprechen durfte, das bewiesen schon die ersten Jahre seiner Regierung. Statt wie die meisten seiner Standesgenossen zu erschrecken vor dem Geist der neuen Zeit, der überall in den deutschen Landen sich regte, ließ er den kräftigen Athem desselben frei auf sich einströmen. Und es bekümmerte ihn wenig, daß er damit nicht eben in den Ueberlieferungen des Koburgischen Hauses wandelte. „Wir Koburger müssen wieder ehrlich deutsch werden“, dieses goldene Wort, das er damals an seinen Oheim Leopold I. schrieb, kam aus dem tiefsten Grund seiner Seele. Zunächst zeigte er im eigenen Land, welche Bahn er sich vorgezeichnet hatte. Er fand seine Stände im Streit mit der Regierung; nachdem er erkannt hatte, daß sie in mehreren Punkten nur das Billige verlangten, stand er nicht an, zu erklären: „Ihr habt Recht und sollt es behalten!“ Und was ein offenes gerechtes Fürstenwort vermag, trat alsbald zu Tage. Die Gemüther beruhigten sich, und als sie in den stürmischen Jahren 1848 und 1849 aufs neue tiefer und nachhaltiger aufgewühlt wurden, gelang es ihm auch da, sich den Frieden mit seinem Volke zu bewahren. Wo er begründete Klagen hörte, stellte er die Mißstände ab, tumultuarischen Ausschreitungen trat er muthig entgegen. Sein persönliches Eingreifen machte den Herzog bald jedem bekannt und gewann ihm Vertrauen und Dankbarkeit. Denn die Bürger seines Landes fühlten, daß er handelte nach seinem Wort: „Ich bin frei davon, meine Person vom Volke zu trennen“, daß in seinem Herzen Blut von ihrem Blute quoll

Und dieser Eindruck seiner Person war es auch, der seinem Wirken in der großen nationalen Sache Deutschlands von Anfang an einen ungeahnten Erfolg verlieh. Von 1848 an war des Herzogs Name überall zu treffen, wo es die freiheitliche und einige Gestaltung unseres Vaterlandes galt. Als 1849 die Bundestruppen zum Schutz der Stammesbrüder in das bedrohte Schleswig-Holstein einrückten, ließ sich Ernst II. den Oberbefehl über eine Brigade geben, und unter seinem Kommando fand am

5. April jener Kampf bei Eckernförde statt, durch welchen der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 618. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_618.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2023)