Verschiedene: Die Gartenlaube (1893) | |
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welche sich vor uns an einer Geländewelle hinaufschoben, da habe
ich mich angeblich sogar durch kleine Handlangerdienste nützlich
gemacht. Worin sie bestanden haben könnten, weiß ich nicht mehr.
Aber es muß wohl so etwas vorgekommen sein, Thomas behauptete
es wenigstens hinterher.
Das Manöver nahm seinen
Verlauf. Näher und näher rückten
sich die kämpfenden Theile,
vom rechten Flügel herüber hörte
man schon die kurzen Sturmschläge
der Tamboure, da -
ein Signal: „Das Ganze halt!“
und gleich darauf das zweite,
den fechtenden Truppen bis
hinauf zum Zugführer noch
ungleich willkommenere: „Offiziersruf“.
Das gab ein bewegliches
Leben als Einleitung
zur hocherwünschten Ruhepause.
„Setzt die Gewehre zusammen!“ -
„Gepäck ab!“ -
„Vizefeldwebel Bohle, kommandieren
Sie zwölf Mann zum
Wasserfassen!“ - so tönten
rings um uns die Befehle durcheinander,
während auf einem
das Gelände beherrschenden Hügel
der leitende Korpskommandeur
die höheren Offiziere mit
ihren Adjutanten und die Führer
bis herab zu den Herren
Kompagniechefs um sich versammelte
zur Kritik. Sie dauerte
lange, und der Herr Kommandierende muß viel zu bemerken
gehabt haben, vielleicht nicht immer Schmeichelhaftes - wir
von unserem Standpunkt aus konnten nur hie und da eine
Hand an den Helmrand fahren sehen und daraus entnehmen:
„Aha, von Dir ist jetzt die Rede!“ Nach geraumer Zeit
löst sich aus der dichten Schar eine Anzahl Adjutanten, von
weitem an ihren breiten von der rechten Schulter zur linken
Hüfte laufenden Schärpen erkennbar; sie sitzen ab und bilden
abseits eine gesonderte Gruppe; als ob sie irgend etwas Geheimnißvolles
miteinander zu bereden hätten. Einer spricht, die
andern schreiben eifrig: es sind die Befehle für die Fortführung
der Uebung, die ein Adjutant des Generalkommandos diktiert.
Vielleicht war es nur ein Anflug von Langerweile, die mich meinen Freund Thomas auf diese Gruppe aufmerksam machen ließ mit der - übrigens im Tone eines gänzlich Unbetheiligten hingeworfenen - Frage, ob er die nicht photographisch festnageln wolle. Und er that es lächelnd, mit einem größeren Vergnügen, als es der Vorgang all sich zu rechtfertigen schien.
Da - eine Bewegung auf dem Hügel der Mächtigen. Der Haufen löst sich. In rascherem oder schnellerem Tempo, je nach der zurückzulegenden Entfernung, traben, galoppieren die Führer den ihnen unterstellten Truppentheilen zu. Die Lieutenants recken die Köpfe, die verschlafenen Mannschaften reiben sich die Augen, und schon aus weiter Ferne ruft ihnen der heraneilende Kompagniechef das Kommando zu: „An die Gewehre!“. Abgeschüttelt ist mit einem Mal alle Schläfrigkeit, hurtig das Gepäck um, die Gewehre in die Hand, damit das Signal „Das Ganze marsch!“ alles bereit findet. Und weiter wogt die unblutige Schlacht, weiter schleppt auch uns unser Brauner zu ferneren Thaten der Lichtbildkunst.
Es dauert nicht mehr lange, da merkt unser doch auch einigermaßen militärisch geschultes Auge, daß es sich nur noch um ein kriegsmäßiges Abbrechen des Gefechtes handelt: Dank einer ausgebreiteten Personalkenntniß hatte unser getreuer Anton auf dem Bocke längst in Erfahrung gebracht, wo die Vorposten ihre Biwaks beziehen würden, und dahin ging auch unsere Fahrt. Ein Biwak, diesen - wohlgemerkt, bei gutem Wetter! - romantischsten Einschlag im romantischen Manöverleben, das wollte auch ich recht gern wieder einmal aus der Nähe besehen. Gehörte es doch zu den vergnüglichsten Punkten in meinen eigenen Manövererinnerungen, die nun doch schon immerhin ihre zwanzig Jahre zurücklagen. Also, treuer Anton, auf nach dem Biwak!
In gemächlichem Trabe trottete unser kanonensicherer Brauner
auf dem Landsträßchen dahin, das wohl schon lange nicht mehr
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 637. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_637.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2017)