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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Familie Matthison in der Nähe von Kopenhagen. Die Reisenden waren der alte Graf, der kleine Adrian, Pauline und ihr Gatte, Graf Gustav.

Das Schloß, ein freundlicher Bau aus dem siebzehnten Jahrhundert, hob sich weiß und duftig von dunklen Waldmassen ab, die einen hohen Hügel überdeckten. Zwischen den Wohngebäuden und dem Waldessaume zogen sich große Parkanlagen hin mit hundertjährigen Bäumen und einem wegen seines Reichthums berühmten Wildstand. Vom Balkon des Schlosses aus erblickte man in der Ferne das schimmernde unendliche Meer.

In diesem herrlichen Heim verbrachte Pauline den Sommer mit ihrem Sohn und den neugewonnenen Lieben. Welch ein seliger Sommer war das! Ihr Kind, sie selbst umgeben von zarter Liebe, geborgen in starker Hand! Welches Glück nach so viel Kampf und Leid!

Und als der Winter kam mit seinem harten Frost und seinen endlosen Nächten, da meinte der alte Graf: „Kinder, es wird Zeit, daß wir unser Nest in Kopenhagen aufschlagen und uns nach Menschen umsehen!“ Und man bezog das Winterpalais der Familie in der Hauptstadt.

Dort traf Pauline an der Spitze der zahlreichen Dienerschaft ihre gute treue Frau Hinrik und noch eine zweite Ueberraschung, die ihr nicht minder bewies, wie sorgsam die Liebe ihres Gatten war.

Im Salon nämlich entdeckte sie gleich auf den ersten Blick fast alle jene Bilder, die einst in Amsterdam ihre Wohnung geschmückt hatten. Mit einem Ausruf innersten Glückes warf sie sich in die Arme ihres Gatten, dem Frau Hinrik verrathen hatte, was ihre Gebieterin am meisten überraschen und freuen würde.

Eine Reihe glänzender Feste begann, bei denen die Gräfin Matthison den bewunderten Mittelpunkt bildete. Alles huldigte dem Reiz ihrer Schönheit; der durch das seltsame Schicksal der Gefeierten nur erhöht wurde. Pauline fühlte sich glücklich in der Verehrung, die man ihr von allen Seiten entgegenbrachte, am glücklichsten aber daheim im Familienkreise, im stillen Geben und Nehmen einer treuen unerschütterlicheu Liebe. Wie ein Märchen war ihr der wunderbare Wechsel, den ihr der Himmel beschert hatte, und doch war alles strahlende Wirklichkeit.

Und wunderbar wie ein Märchen scheint vielleicht auch Dir, lieber Leser, diese Geschichte von dem schönen Limonadenmädchen, und doch ist sie Wahrheit – eine Wahrheit, wie die Schönheit eine ist und die Tugend auch.



Blätter und Blüthen.

Das erste deutsche Mädchengymnasium wurde, dem Wiener Vorgang folgend, am 16. September d. J. in Karlsruhe eröffnet. Eine Reihe von tüchtigen Lehrern ist für das Unternehmen gewonnen, der Lehrplan schließt sich genau demjenigen des Knabengymnasiums an, da er das gleiche Ziel, Reife zur Universität, bezweckt.

Der Eintritt erfolgt mit 12 Jahren, nachdem der dreijährige Besuch einer höheren Töchterschule vorausging, Die erste Klasse des Gymnasiums entspricht der Untertertia, sie ist als Uebergangsklasse gedacht, in der Latein und Mathematik als neue Fächer erscheinen, wird aber gerade darum an die Lernkraft der Schülerinnen starke Ansprüche stellen. Indessen sucht man hier durch die Art der Unterrichtsertheilung Vorsorge zu treffen: die Schulstunden fallen sämtlich auf den Nachmittag, so daß die Vormittage sowohl für häusliche Beschäftigung als für die Schularbeiten frei sind, somit das gesundheitsschädliche Arbeiten in die Nacht hinein völlig vermieden wird. Auf diese Weise und mit Hilfe der sechs wöchentlichen Turnstunden läßt sich hoffen, daß von Ueberanstrengung der jugendlichen Schülerinnen keine Rede sein und daß es gelingen wird, ihnen die für den künftigen Erwerb nothwendige gründliche und ernsthafte Bildung ohne Schaden für ihr körperliches Gedeihen zu geben.

Die Gründer der Anstalt hoffen, daß in sechs Jahren, wo die ersten Abiturientinnen das Gymnasium verlassen, die Universitätsthore ihnen geöffnet sein werden, und nach dem heutigen Stand der Frage kann man zugeben, daß dies nicht ausgeschlossen ist. B.      

Die Internationale Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung zu Leipzig. (Zu dem Bilde S. 632 und 633.) Zu den ältesten Bauten Leipzigs zählt der Kuhthurm, der sich am Eingang zu dem Vororte Lindenau erhebt. Vor acht Jahrhunderten zum Schutze der auf benachbarten Wiesen weidenden Viehherden errichtet, war er in letzter Zeit der Sitz einer landwirthschaftlichen Versuchsanstalt. Dicht an diesen Bau schließt sich ein Grundstück von etwa 136000 Quadratmetern Fläche, das, von einem Gürtel prachtvoller Baumgruppen eingerahmt, jahrzehntelang in stiller Ahgeschiedenheit lag und selbst dem größten Theil der Leipziger Bürger so gut wie unbekannt war. Und doch ist es eine Perle voll landschaftlichen Reizes, in der unmittelbarsten Nähe der Altstadt, werth, zum Anziehungspunkt der Tausende zu werden, die nach des Tages Last und Mühe in frischer Luft, in Gottes freier Natur aufathmen möchten. Das hat man in jüngster Zeit erkannt und darum beschlossen, dieser Perle würdige Einfassung zu geben. Auf dem Kuhthurmgrundstücke soll sich demnächst ein Palmengarten erheben, und die weiten Wiesen, die sich zwischen Lindenau und Leipzig erstrecken, beabsichtigt man in große Wasserbecken, die sogenannten „Elsterbassins“, zu verwandeln.

Ein glückliches Zusammentreffen von Umständen brachte es mit sich, daß wir schon heute die voraussichtliche Wirkung der geplanten Anlagen uns vergegenwärtigen können; denn das Kuhthurmgrundstück wurde in diesem Frühjahr und Sommer zum Schauplatz einer überaus regen gärtnerischen Thätigkeit.

In diesem Jahre feiert der „Leipziger Gärtner-Verein“ das fünfzigjährige Jubelfest seiner Gründung, und seine Mitglieder faßten den Entschluß, dieses Fest mit einer Internationalen Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung zu verbinden; in dankenswerther Weise wurde ihnen zu diesem Zwecke die Umgebung des Kuhthurms zur Verfügung gestellt, und Leipziger Gärtner schritten nun mit unverdrossenem Fleiß und echtem Kunstsinn ans Werk und zauberten in der kurzen Zeit von wenigen Monaten nicht nur eine „Ausstellung“, sondern einen wirklichen Lustgarten inmitten der von der Natur gegebenen Parkeinfassung hervor.

In der That war diese Ausstellung, zu welcher in der Zeit vom 25. August bis 5. September Tausende und Abertausende von nah und fern herbeiströmten, eine landschaftliche Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Das beweisen die naturgetreuen Abbildungen unseres Zeichners, denen leider eines – die Farbenpracht fehlt, die wir auch durch Worte nicht zu ersetzen vermöchten. Wandelte man auf den Kieswegen durch die weiten Anlagen, so entzückten stets neue Bilder das Auge, und es war schwierig, einen Standpunkt zu finden, von dem aus man das Ganze am besten überschauen konnte. Am günstigsten erwies sich der Ausblick von dem am äußersten Ende aufgestellten Pavillon, unter dem eine Wasserkaskade hervorbrach, und auch unser Zeichner hat diese Ansicht von der „Grotte“ aus zum Hauptstück seiner Darstellung gewählt. Drei Leipziger Kunstgärtner, J. C. Hanisch, Albert Wagner und Otto Mann, hatten sich hier in die Aufgabe getheilt, die weiten ehemaligen landwirthschaftlichen Versuchsfelder in eine entzückende Gartenanlage zu verwandeln, zwischen deren Baum-, Strauch- und Blumengruppen die gefälligen Ausstellungshallen, Kioske und Pavillons malerisch hervorragten. Alle Welttheile, alle Zonen des Erdreichs hatten zur Schmückung dieser Rasenflächen beigetragen. In den Gruppen der Nadelhölzer standen traut vereint neben der ehrwürdigen aussterbenden Eibe unseres Nordens und dem duftigen Wachholder die Cypressen Asiens, die Wellingtonien Kaliforniens und die symmetrischen Araucarien. Dazwischen erhoben Palmen aller Art ihre Wedel; unter alten deutschen Eichen sah man das größte Kraut der Erde, die riesige Banane, Musa ensete, deren gewaltige Blätter der Wind zerrissen hatte, daß sie dahinflatterten wie zerfetzte Standarten, und tief im Grase staken die Zwergorangen Chinas mit ihren goldenen Früchten.

Nicht minder reich an Ueberraschungen und lehrreich in hohem Grade

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 647. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_647.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2023)