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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Alberts sich abquälen, um nur einige Stunden zu bekommen. Und dabei leisten beide etwas. Soll ich ihnen nun auch noch Konkurrenz machen? Nein, ich habe schon etwas anderes in Aussicht, das mir Verdienst bringen soll. Aber inzwischen verkaufen wir das Instrument und vorläufig ist geholfen.“

„Das gebe ich nie und nimmer zu!“

„Schatz, sei nicht böse – es ist schon verkauft. Morgen wird’s geholt und morgen haben wir die Miethe. Ich fragte vorhin nur so, um Dir klar zu machen, daß es gar keinen anderen Ausweg mehr giebt.“

Grimmig rannte Arnold auf und ab. Plötzlich erhob er die Fäuste gegen Magda. „Du bist – Du bist – ein Prachtweib!“ rief er dann, indem er sie in seine Arme schloß. „Aber daß Du mich heirathen mußtest – diese Kapitaldummheit kann Dir kein verständiger Mensch verzeihen!“


Man soll nie im Leben verzweifeln. Es war gegangen und zwar ganz gut gegangen.

Arnolds Kapelle hatte so sehr gefallen, daß die Firma ihm für die Zukunft bessere Preise für seine Zeichnungen versprach. Magda machte sich das plötzliche Modernwerden einer Metallfädenstickerei zu nutze, in der ihr einst ihre Großmutter eine gewisse Virtuosität beigebracht hatte. Für die erste Zeit war durch das Pianino geholfen worden. Und wenn auch fernerhin Schmalhans Küchenmeister blieb, so verstand Frau Magda ihn doch mit Anmuth und Phantasie zu behandeln, und zum Aerger des Steuerraths hörte das Singen und Pfeifen bei den Großgrundbesitzern schier nimmer auf.

„Du, Magda,“ erklärte Arnold eines schönen Tages, als der Sommer ins Land gekommen war und Freund Gumprecht längst sich jenseit des Oceans befand, „jetzt müssen wir endlich einmal unseren Besitz in Augenschein nehmen. Die Erbtochter fährt selbstverständlich mit.“

Und am nächsten Sonntagnachmittag kam die denkwürdige Unternehmung zustande. Erst ging es mit der Bahn, dann zu Fuß. Die Erbtochter wurde getragen.

Schöne alte Pappeln standen längs der Landstraße, an welcher sich der Bauplatz befand. Sonst bereitete die Natur der lieben Sonne wenig Hindernisse.

„Ei der tausend, da wird ja schon gebaut, Magda! Unsere Aktien steigen! Sieh, sieh, die ersten Villen in unserer Nachbarschaft!“

In der That erhoben sich rechter Hand über dem Akazienbuschwerk, von kümmerlichen Kiefern umgeben, einige ganz romantisch geformte Dächer. Noch eine kurze Strecke weiter und „Hier ist es!“ rief Arnold, indem er eine Gebärde machte wie etwa Polykrates, als er Aegyptens König auf das von ihm beherrschte Samos hinwies. Magda schnitt ein verdutztes Gesicht. Es schien ihr kaum glaublich, daß so ein unwirthliches Stück Land mehrere tausend Mark werth sein könne.

„Ist es nicht herrlich hier, Kind? Athme doch nur die Luft ein! Diese Luft! Diese unvergleichliche Luft! Köstlich, balsamisch! Nicht wahr?“

„Freilich,“ sagte Magda, „die Luft ist ausgezeichnet.“

„Und sieh doch ’mal die Vegetation! Diese drei Kiefern, wirkliche große Bäume, gehören uns. Wenn man sie düngt, kann noch alles Mögliche aus ihnen werden. Dann die Akazienbüsche! Und da ist ein Tümpel mit richtigen Weiden dabei! An Wasser fehlt’s also nicht. Das wird einst einen großartigen Teich für einen Park abgeben! Komm’, wir wollen uns im Schutze unseres Laub- und Nadelholzes lagern! Von dort aus kannst Du gut übersehen, wie weit sich unser Land erstreckt.“

Mit Hilfe der mitgenommenen Schirme wurde nun unter Kiefern und Akazien ein ganz brauchbarer Schatten hergestellt, in dessen Schutz man sich niederließ und die Vorräthe an Speise und Trank auskramte.

Toni krabbelte und wühlte seelenfroh im Sande umher; ein derartiger Göttergenuß wurde ihr in der Stadt nicht geboten. Magda rief entzückt. „Ach, aber die Blumen! Jetzt sieht man sie erst ordentlich: wilde Stiefmütterchen, Glockenblumen und Pechnelken! Da winde ich gleich einen Prachtstrauß!“ Und Arnolds Entzücken stieg aufs höchste, als er hinter den Akazien eine schön gewachsene kleine Zirbelkiefer entdeckte.

So vergnügte sich die Großgrundbesitzersfamilie dankbar gegen Gott und Menschen auf ihrem Eigenthum, als um die Büsche herum ein verdächtiger alter Herr heranschlich, den ein grauer Cylinder schmückte.

Dieser Herr grüßte in mürrischer Verbindlichkeit und benahm sich wie ein Mann, der ein Gespräch anzuknüpfen wünscht. Den Architekten kitzelte der Stolz, sich dem Publikum zum ersten Mal als Besitzer der umliegenden schönen Landschaft bekannt zu geben. Leutselig, wie es Magnaten gegen Fremdlinge, welche die Bewunderung zu einem Besuch anlockt, sich erlauben können, rief er: „Bitte, schauen Sie sich nur ungeniert überall um, mein Herr! Ein nettes Grundstück, nicht, obgleich vorläufig noch unbebaut? Aber das wird bald anders werden.“

Den Redner scharf musternd, trat der alte Herr näher, indem er trocken bemerkte: „Danke für die gütige Erlaubniß. Aber entschuldigen Sie, woher wissen Sie denn, daß sich das bald ändern wird?“

„Nun,“ entgegnete Arnold überlegen lächelnd, „weil es mir gehört und ich so meine Pläne habe.“

„Ihnen gehört’s? So, so! Dann sind Sie wohl der Herr Architekt Arnold?“

„Allerdings, der bin ich.“

„So, so! Wer hat Ihnen die Baustelle denn verkauft, wenn ich fragen darf? Ein Herr Gumprecht vermuthlich?“

Die Art des Mannes hatte wirklich etwas sonderbar Zudringliches. Indessen, weshalb sollte man seine Neugierde nicht befriedigen? „Gewiß – Herr Gumprecht.“

Der Bewunderer schwieg eine Weile, worauf er, seinen stattlichen Hut ziehend, nachdrücklich erklärte: „Erlauben Sie mir Ihnen mitzutheilen, mein werther Herr, daß Sie nicht der Eigenthümer sind!“

„So?“ rief Arnold halb belustigt, halb geärgert. „Wer wäre es denn sonst?“

„Ich!“

Arnold sprang auf seine Füße. Den blitzschnellen Gedanken, der unheimlich alte Herr mit dem Cylinder sei verrückt, gab er sofort wieder auf. Eine Ahnung, daß er sich auf einen furchtbaren Schlag gefaßt machen müsse, schnürte ihm die Kehle zu. „Sie, Sie?“ stieß er hervor. „Aber das Grundstück ist ja für mich gerichtlich eingetragen worden!“

„Mag schon sein. Trotzdem ist es mein oder wenigstens so gut wie mein, denn binnen morgen und drei Tagen werden Sie doch wohl keine Villa hier errichten können?“

„Wie – wieso? Das verstehe ich nicht. Was meinen Sie damit?“

„Die Sache ist sehr einfach. Ich – beiläufig bemerkt, bin ich der Bauunternehmer Emil Pistor aus Pappelfelde – ich habe seiner Zeit dieses Grundstück an Herrn Gumprecht unter der ausdrücklichen Bedingung verkauft, daß er innerhalb zwei Jahren hier ein Wohnhaus zu erbauen habe, widrigenfalls das Land ohne weiteres wieder an mich zurückfällt. Diese Bedingung ist im Grundbuch eingetragen; sie haftet an dem Grundstück und geht nothwendigerweise auf jeden Käufer über. Nächsten Donnerstag ist die Baufrist verstrichen. Sollte Gumprecht Ihnen nichts davon mitgetheilt haben?“

„Keine Silbe!“ stotterte Arnold schreckensbleich.

„So, so! Das bedauere ich ungemein. Uebrigens hätten Sie es trotzdem aus dem Grundbuch ersehen können. Haben Sie das nicht gethan?“

Grundbuch! Grundbuch! Das Wort schwirrte durch Arnolds Kopf. Ja, daran hatte er nicht gedacht, daß da noch etwas Besonderes, etwas so Tolles stehen könnte! „Nein,“ erwiderte er tonlos.

„Dann sind Sie eben hereingefallen! Sehen Sie, ich habe zufällig meinen Vertrag bei mir. Ueberzeugen Sie sich selbst!“

Dem armen Großgrundbesitzer tanzten die Buchstaben vor den Augen. Magda, die in steigender Erregung dem Gespräch gefolgt war, drängte sich wie zu seinem Schutze ebenfalls heran.

„Großer Gott,“ murmelte er, während kalter Schweiß auf seinem Gesicht perlte, „es ist so! O ich, ich –“ Dann wendete er sich erregt gegen Pistor. „Ihr Verhalten finde ich aber auch nicht schön, mein Herr! Sie haben alles gewußt und mich doch nicht gewarnt!“

Pistor deutete mit dem Finger auf seine Stirn. „Herr, Sie sind wohl –? Sie verstehen selbst Ihre Interessen nicht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 660. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_660.jpg&oldid=- (Version vom 17.3.2023)