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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Die Maximiliansbrücke.

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Deutsche Städtebilder.

München.
Von Dr. Max Haushofer.0 Mit Zeichnungen von Hans Bartels.

Man hat der bayerischen Hauptstadt mitunter den Vorwurf gemacht, sie habe eine langweilige Umgebung. Rebenhügel besitzt sie freilich nicht in ihrer Nachbarschaft; auch keine mit Villen besetzten Uferhänge. Aber einen gewissen grandiosen Zug kann man der Münchener Landschaft nicht absprechen. Die mächtige Ausdehnung der Hochebene mit ihrem Kranze ferner Waldungen, durchfurcht von dem tief eingeschnittenen Strombett und überragt von der langen Zackenreihe des Hochgebirges, dessen ewigen Schnee man auch in den heißesten Sommern fernher glänzen sieht: das erfrischt ein Auge, welches nicht am Lieblichen, sondern am Großen sich erfreut.

Im Inneren der Stadt aber ist es das massenhafte Grün, welches den Fremden überrascht. Mit Ausnahme der Altstadt, die kaum zwei Kilometer im Durchmesser hat, sieht man überall reichlich Buschwerk und Bäume zwischen den Häusermauern. Und da die Münchener im allgemeinen ein gutes Herz haben, fangen sie aus diesen Bäumen die Singvögel nicht weg, so daß man morgens und abends in den Straßen auch fröhliches Zwitschern und Trillern vernehmen kann. Es sind zwar keine exotischen Bäume, Blumen und Vögel, die das rauhe Klima der Hochebene duldet, aber dauerhafte Kinder der heimischen Natur mit geringen Ansprüchen.

Der Königsplatz.

Ein weiteres Schönheitsmerkmal des Münchener Landschaftsbildes ist der intensiv blaue Himmel. Wenn man den Himmel vor Wolken überhaupt sieht, ist er von einem tieferen leuchtenderen Blau, als man dies in anderen Städten beobachten kann. Die Ursache liegt einerseits in der hohen Lage der Stadt über der Meeresfläche (519 Meter); andrerseits ist die Münchener Luft durch Steinkohlenrauch und Industriedünste noch nicht in dem Grade verdüstert, wie dies bei anderen Städten von gleicher Größe der Fall ist. Etwa entstehende Dünste aber werden durch die Stürme der Hochebene, welche ungehindert die Straßen der Stadt durchfegen können, rasch zerstreut und verblasen.

Münchens Fluß, die Isar, ist leider kein verkehrsreiches Gewässer. Das Gefäll dieses Stromes ist viel zu stark, um irgendwelche andere Fahrzeuge zu dulden als die aus dem Oberlande herabkommenden urwüchsigen Flöße. Da schaukeln sich keine zierlichen Dampfer; kein Ruder- und Segelsport belebt die Stromfläche. Hastig eilen die Wellen, über zahlreiche Wehre stürzend, durch die Stadt, bei andauernd schönem Wetter von kristallener Klarheit, nach Regengüssen und zur Zeit der Schneeschmelze dagegen graugelb, mächtig angeschmollen und tosend, als wollten sie Stücke der Stadt abreißen und hinunterschwemmen in die ferne Donau, der sie sich zuwälzen. Und es ist nicht zu leugnen, daß man Einzelnes ganz gut wegschwemmen lassen könnte, ohne daß dem Ganzen Eintrag geschähe.

Das Herz der Stadt München ist der Marienplatz. Es ist ein alterthümlich aussehender Platz von einer malerischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_676.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2023)