Seite:Die Gartenlaube (1893) 716.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Personenzüge bei gewöhnlicher Eisenbahnfahrt etwa gleich kommt, ist groß genug, um den Torpedo bei seinem Eintritt in das Wasser von dem Wogengange ziemlich unabhängig zu machen.

Früher benutzte man zumm Lancieren des Rohres fast ausschließlich gepreßte Luft, die auch heute noch viel verwendet wird, insbesondere bei dem Abschießen der Torpedos unter Wasser.

Bei dem Eintauchen des Torpedos in die Fluth setzt sich selbstthätig die am hinteren Ende des Geschosses angebrachte Schraube ln Thätigkeit, um die erforderliche Kraft zur weiteren Fortbewegung zu liefern. Die Schraube wird durch Preßluft getrieben, die in einer besondern, sorgfältig gedichteten Kammer des Torpedos eingeschlossen ist. Sie wirkt auf eine kleine Betriebsmaschine mit drei Cylindern, die ähnlich der Maschine von Brotherhood eingerichtet ist, wie sie heutigestags oft zum Betriebe von elektrischen Beleuchtungen dient. Die verbrauchte Luft entweicht in Form von Blasen, und diese verrathen den Weg, den der heimtückische Geselle zurücklegt.

Daß alle diese Vorrichtungen mit äußerstem Scharfsinn erdacht sind und mit denkbarster Vollkommenheit ausgeführt werden müssen, bedarf wohl kaum der Erwähnung, insbesondere wenn man bedenkt, auf welch kleinen Raum der Mechanismus zusammen gedrängt werden muß. Es wird aber jetzt auch die angeführte Höhe des Preises eines Torpedos nicht mehr befremden.

Der Posten an der Scheibe.

Die zweite Abbildung zeigt, wie der Torpedo mit gepreßter Luft gefüllt wird. Der unten befindliche Torpedomann hat die erwähnte Luftkammer des Torpedo mit einem beweglichen Leitungsrohre in Verbindung gesetzt, zu dem der obenstehende den Zulaßhahn mit der rechten Hand hält, während er die linke auf das Manometer legt, mittels dessen er die Höhe des Luftdruckes genau beobachten und regeln kann. Die erforderliche Preßluft wird in einem besondern Maschinenhause mit Hilfe einer von einer Dampfmaschine betriebenen Luftpumpe gewonnen. Der Mann links oben bedient den Hebekrahn und hat mittels der Bremse den Torpedo auf seine Auflager sinken lassen. Jetzt steht er bereit, den Torpedo zum Zweck des Einladens in das Lancierrohr heraufzuwinden.

Als Ziel für die Schießprobe dient ein 200 bis 500 Meter entferntes Floß von 25 Metern Länge und 11/2 Metern Breite, unter dessen Mitte sich als eigentliches näheres Ziel eine Scheibe befindet, die aus einem Gewebe besteht. Durch die Maschen desselben kann der Torpedo zwar hindurchschlüpfen, jedoch nicht ohne die von ihm durchfahrene Masche auszuweiten oder zu zerreißen und dadurch den Treffpunkt bemerkbar zu machen.

Sind alle Vorbereitungen getroffen, so erscheint auf der Brücke des Lancierrohres eine rothe Fahne, um dem Scheibenpersonal das Signal „Klar zum Schuß“ zu geben. Nachdem vom Scheibenstande aus „verstanden“ zurückgemeldet ist, erfolgt seitens des leitenden Ingenieurs oder Offiziers das Kommando „fertig“ und ein Mann holt die Abzugsleine auf. Auf das Kommando „los“ schießt der Torpedo mit starkem Gebrülle aus dem Lancierrohr hervor und verschwindet blitzschnell unter dem Spiegel des Meeres. Hier verräth, wie schon bemerkt, nur noch ein eigenartiges Kielwasser, in dem große Blasen aufsteigen, seinen verderbenbringenden Lauf.

Der Posten an der Scheibe, den unser drittes Bild darstellt, hat in der Ferne das Kielwasser bemerkt und beobachtet jetzt scharf die Bahn des heraneilenden Torpedos. Plötzlich entsteht ein Brausen auf der Oberfläche des Wassers, mit hellem Scheine fährt der Torpedo durch die Scheibe hindurch. Zugleich senkt der Posten seine bis dahin hochgehaltene Fahne, indem er mit derselben die Durchgangsstelle markiert.

Das durchschlagene Netz des Scheibenstandes wird im Vorbeifahren von der in der Nähe harrenden Dampfpinasse zur Ablieferung an das Kommando in Empfang genommen, um als Kontrolle für die Richtung und den Tiefgang des Torpedos zu dienen.

Im Vorstehenden handelte es sich um einen Schuß, der über Wasser abgesandt wird. Soll der Schuß unter Wasser abgegeben werden, so wird das geladene Lancierrohr in die vorgeschriebene Tiefe gesenkt und der Torpedo alsdann mit gepreßter Luft abgeschossen.

Das Einfangen des Torpedos.

Bei dem Versuchen fehlt natürlich die explodierende Ladung, sie ist durch geduldigere Stoffe von demselben Gewichte und derselben Dichte ersetzt. Noch etwa 100 Meter läuft der Torpedo, nachdem er das Netz der Scheibe durchschlagen hat, dann ist seine Triebkraft erschöpft und die Dampfpinasse nimmt sich seiner an, um ihn einzufangen und ihn dem Schießstande wieder zuzuführen.

Mitunter ist das Einfangen keine leichte Arbeit, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß der Torpedo, durch irgend einen Zufall von seiner Bahn abgelenkt, in die Tiefe geräth und sich festbohrt.

So zeigt auch der Torpedodienst, mit welchem Ernste unsere vaterländische Seemacht bestrebt ist, sich auf der Höhe ihrer verantwortungsvollen Aufgabe zu erhalten. A. H.     


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 716. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_716.jpg&oldid=- (Version vom 28.3.2023)