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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

seine Arbeiten unermüdlich fort und es gelang ihm endlich im Jahre 1853, das Erdöl zu raffinieren und ein Erzeugniß zu liefern, welches das Hydrocarbür an Leuchtkraft weit übertraf und dabei billiger war als die damals vorhandenen Mineralöle. Die Direktion der Nordbahn in Wien, welche bisher ihr Photogen ausschließlich aus Hamburg bezogen hatte, deckte nunmehr einen Theil ihres Bedarfs in Galizien. Es bildeten sich kleine Gesellschaften von 8 bis 10 Personen, die in verschiedenen Gegenden auf Oelgewinnung ausgingen, und so konnte der Wiener Markt im Jahre 1854 mit etwa 300 Centnern beschickt werden.

Inzwischen fand aber der kunstlose galizische Oelbergbau einen mächtigen Förderer in Titus von Trzecieski, der in Bóbrka, südöstlich von Lemberg, sich nicht mehr mit dem Sammeln des oberflächlich hervorquellenden Oeles begnügte, sondern tiefere Schächte abteufen ließ. Die Schächte wurden mit mäßig starken Bohlen verzimmert, die losgearbeiteten Gesteinmassen mit einfachen Haspelwinden zu Tage gefördert, während ein der gewöhnlichen Getreideputzmaschine sehr ähnlicher Ventilator den in der Tiefe Arbeitenden frische Luft zubrachte. Solche Schächte rückten begreiflicherweise sehr langsam in die Tiefe vor und selbstverständlich drang durch die Zimmerung immer Wasser ein, so daß man immer nur Oel mit Wasser aus dem Schachte heben konnte. Dieses Gemisch trennte sich dann in Behältern, indem das Oel wegen seines leichteren spezifischen Gewichtes nach oben stieg und dort ablief, während das Wasser unten seinen Abzug fand. Es gelang Trzecieski auf diese Weise, einen Schacht abzuteufen, der einige Jahre hindurch täglich 32 Centner Oel lieferte.

Lukasiewicz und Trzecieski arbeiteten nun zusammen und gründeten im Jahre 1858 in Ulaszowice bei Jasło die erste größere Petroleumraffinerie Galiziens. Das Oel konnte erfolgreich gegen das Hydrocarbür aufkommen und im Jahre 1859 deckte die Nordbahn ihren 1100 Centner betragenden Bedarf vollständig aus Galizien. Um dieselbe Zeit verbesserte Dittmar in Wien die Einrichtung der Lampen für die Destillate von Lukasiewicz, die in Oesterreich immer mehr Anklang fanden.

Das Oelfeld von Wietrzno.

So konnte sich Galizien rühmen, vor den amerikanischen Triumphen aus eigener Kraft am Fuße der Karpathen eine lebenskräftige Leuchtölindustrie hervorgebracht zu haben, und mit Recht wird Ignaz Lukasiewicz als deren „Vater“ von den Galiziern geehrt.

Die Amerikaner hatten inzwischen ebenfalls selbständig dem Erdöl ihre Aufmerksamkeit zugewendet und im Jahre 1859 mit Erfolg Petroleum raffiniert; doch war die Gewinnungsart so unvollständig, der Mangel an rohem Erdöl so groß und der Preis so hoch, daß dieses Petroleumraffinat gegen die bisherigen Mineralöle nicht aufkommen konnte. Diese Verhältnisse änderten sich aber mit einem Schlage, als die von George H. Bissel angeregten Bohrungen bei Titusville von Erfolg gekrönt wurden und der Oelsegen über Amerika kam. Nunmehr erblühte dort an den Oelquellen ein neues Leben, in kurzer Zeit entstanden Städte, wurden neue Eisenbahnlinien nach früher menschenleeren Gebieten gebaut. Von einer derartigen phänomenalen Entwicklung war auf den Oelfeldern Galiziens nichts zu spüren; hier herrschte Mangel an technischen Kräften und Mangel an Kapital. Aber durch das Eingreifen der Amerikaner wurden die Gewinnung und das Raffinieren des Oeles vervollkommnet, die Lampen verbessert, und alle diese Fortschritte mußten schließlich auch dem galizischen Petroleum zugute kommen, das in seiner Zusammensetzung dem amerikanischen fast ganz gleich ist. Immerhin blieb Amerika das wichtigste Petroleumland der Welt; im Jahre 1885 betrug der Werth der nordamerikanischen Petroleumerzeugung ungefähr 81 Millionen Mark, der von Rußland 9 Millionen Mark, während Galizien nur für 51/2 Millionen Mark hervorbrachte. Es wird aber von verschiedenen Seiten behauptet, daß die galizische Erdölgewinnung einer beträchtlichen Steigerung fähig sei. In der That hat die Erfahrung der letzten Jahrzehnte gezeigt, daß die ölführenben Schichten sich auf verschiedenen Linien längs des Karpathengebirges durch West- und Ostgalizien und über die Bukowina bis nach Rumänien erstrecken; und als man nach amerikanischem Muster zu bohren anfing, wurden einige Quellen erschlossen, die in ihrer Ergiebigkeit den berühmten pennsylvanischen durchaus nicht nachstanden, und unter denen namentlich die in Sloboda rungurska erbohrten hervorzuheben sind.


Zu den bemerkenswerthesten Erfolgen gehören zweifelsohne die Bohrungen, welche in den achtziger Jahren der kanadische Schotte Mac Garwey ausgeführt hat. Dieser hatte eine Zeitlang erfolglos auf den hannöverschen Oelfeldern gearbeitet, als er im Jahre 1873 veranlaßt wurde, mit seinen Bohrmaschinen und seinen kanadischen Leuten nach Galizien zu kommen. Nach einigen beachtenswerthen Erfolgen in der Gegend von Gorlice wandte er sich im Jahre 1886 in die Nähe der berühmten, von uns bereits erwähnten Oelgruben von Bóbrka, und hier gelang es ihm, die berühmtesten Oelquellen Galiziens zu erschließen.

Auf einem kleinen Landstrich von 2 bis 3 Hektaren wurden in der Nähe des Dorfes Wietrzno Brunnen mit einer Anfangsergiebigkeit von 300 bis 2800 Barrels (zu 150 kg) in 24 Stunden erbohrt. Jeder dieser Brunnen gab also in den ersten Tagen seines Daseins innerhalb 24 Stunden 45 000 bis 420 000 kg Oel im Werthe von 1500 bis 15000 Gulden. Wohl gemerkt, nur in den ersten Tagen! Denn alle Quellen von so mächtiger Ergiebigkeit lassen in ihrer Fülle sehr rasch nach, liefern bald nur zwei Drittel oder die Hälfte der ursprünglichen Menge, halten einige Monate an, um wieder zu sinken und dann einige Jahre hindurch noch mäßig zu fließen. Um die gewaltigen Oelmengen möglichst rasch verfrachten zu können, ließ Mac Garwey später eine 14 Kilometer lange unterirdische Röhrenleitung nach der Eisenbahnstation Krosno anlegen.

Natürlich erzeugten diese Erfolge auch in Galizien ein Oelfieber gleich dem nordamerikanischen, und da zu erfolgreichem Bergbau außer Sachkenntniß und Ausdauer auch noch ein unbestimmtes Etwas, das Glück, nöthig ist, so konnte es nicht ausbleiben, daß viele in ihrer Spekulation schwere Enttäuschungen erlebten. Andererseits wurden die Bemühungen auch von Erfolg gekrönt. Auf dem alten Gebiete von Bóbrka, wo der Oelbergbau schon seit etwa 40 Jahren geblüht, aber sich mehr auf die Oberfläche beschränkt hatte, stellte man Tiefbohrungen an und stieß in der That in 300 Metern Tiefe auf eine neue ölführende Schicht, welche sich noch reicher als die oberflächliche zeigte und Quellen mit einer Anfangsergiebigkeit von 300 Barrels und darüber lieferte. In Równe, östlich von den Mac Garweyschen Feldern, wurden ähnliche Erfolge in Tiefen von 300 bis 370, ja bis 626 Metern erzielt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 763. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_763.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2023)