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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Goethes Dichtung ruhig an sich vorüberziehen zu lassen, wie sich dem deutschen Zuschauer auch bei Rossinis „Tell“ oft das Herz im Leibe umdreht. Ein um so glänzenderes Zeugniß aber liegt darin für den Komponisten, daß er dieses Mißbehagen durch seiner Melodien Reiz siegreich zu überwinden vermochte. Immerhin darf man vielleicht ein Zugeständniß an die Empfindungen deutscher Hörer darin erblicken, daß Gounods „Faust“ in Deutschland meist unter dem Titel „Margarethe“ gegeben wird.

Vor wie nach dem „Faust“, der am 19. März 1859 im „Lyrischen Theater“ zu Paris zum ersten Male über die Bühne ging, hat Gounod nichts geschaffen, was jenem an Wirkung gleichgekommen wäre, obwohl noch eine ganze Reihe von Opern und kirchlichen Kompositionen aus seiner Hand hervorgegangen ist. In Deutschland ist seine „Meditation“ zu Bachs C-dur-Präludium, ursprünglich für Violine geschrieben, wohl noch am bekanntesten. Sonst aber ruht sein Ruhm ausschließlich auf dem „Faust“.

Gounod war am 17. Juni 1818 zu Paris geboren und hat dort auch den größten Theil seines Lebens zugebracht. Ein fünfjähriger Aufenthalt in England, wozu ihn zunächst der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges veranlaßte, bildet die einzige größere Unterbrechung. An äußeren Ehren hat es Gounod nicht gefehlt: er war Kommandeur des Ordens der Ehrenlegion und Mitglied der Pariser Akademie der Künste. In St. Cloud besaß er eine Villa, und dort ist er auch am 18. Oktober gestorben. Als ihn der tödliche Schlaganfall ereilte, hielt er, wie man erzählt, in der Hand die Partitur seines in jungen Jahren komponierten „Requiems“. Er hatte noch eben einem jungen Organisten Winke für einen daraus zu fertigenden Klavierauszug gegeben.

Hund und Maulkorb. Die Polizeiverordnungen unserer Städte zwingen uns vielfach, unseren Hunden Maulkörbe anzulegen; auch giebt es unter den „Freunden des Menschengeschlechts“ bissige Exemplare, die sich dauernd dieser Maßregel fügen müssen. In beiden Fällen wollen wir einem Schaden vorbeugen, den die Thiere anrichten könnten, keineswegs aber sie quälen. Und doch ist in dieser Beziehung aus Unverstand schon viel gesündigt worden. Das „Neue Universum“, dieses volksthümliche Jahrbuch der neuen Erfindungen und Entdeckungen, bringt nun in seinem neuesten (14.) Jahrgang eine sehr lehrreiche Zusammenstellung schlechter und guter Maulkörbe, die wir auch unseren Lesern vorführen möchten. Ein Marterinstrument ist der unter Nummer 1 dargestellte Maulkorb, weil er dem Hunde nicht gestattet, die Kiefer zu öffnen. Nun sind aber die Nasengänge des Hundes so eng, daß er, wenigstens wenn er erhitzt ist, das Maul öffnen muß, um athmen zu können; ebenso ist er auch gezwungen, die Zunge herauszustrecken, um das Innere seiner Rachenhöhle abzukühlen. Das Thier muß also, wenn der Nasenriemen des Maulkorbs 1 eng angezogen ist, fast ersticken, lockert man aber diesen Riemen so weit, daß der Hund das Maul öffnen kann, so ist der Maulkorb überflüssig, denn nun kann der Hund auch beißen. Der unter Nummer 2 dargestellte Maulkorb ist schon besser. Er macht dem Hunde das Beißen unmöglich, ohne ihn in der freien Athmung zu behindern. Er besteht aus Lederriemen und einem Geflecht von vernickeltem Eisendraht, ist ziemlich leicht und hat nur die eine Schattenseite, daß sein Träger einige Zeit braucht, bis er sich daran gewöhnt hat. Leichter geschieht dies bei dem nur aus Lederriemen hergestellten Maulkorb Nummer 3. Da aber das Leder sehr porös ist, so wird dieser Maulkorb, wenn er naß wird, recht schwer, und leicht scheuert sich der Hund sein edles Geruchsorgan durch.

Schlechte und gute Maulkörbe.

Letzteren Uebelstand vermeidet zum Theil der unter Nummer 4 abgebildete Maulkorb, welcher gänzlich aus vernickeltem Eisendraht hergestellt und daher ziemlich leicht ist. Doch schließt auch er einen Druck auf die Nase nicht ganz aus, auch scheuert sich der Hund oft die Haut über den Augen ab, was sehr entstellend wirkt. Nach dieser Richtung hin bedeutet eine Verbesserung der entweder aus schmalen Lederriemen oder aus verzinntem Eisendraht herzustellende Maulkorb 5, am besten aber entspricht allen Anforderungen der Maulkorb 6. Wird das breite, über die Nase laufende Band mit Rehfell weich gefüttert und in gutem Zustand erhalten, so dürfte ein Durchscheuern nicht leicht vorkommen, im übrigen besteht er aus schmalen flachen oder runden Lederriemen sowie aus vernickeltem oder verzinntem Eisendraht. – Es wird nach dieser Anleitung jedem Hundebesitzer leicht sein, für seinen Liebling einen zweckentsprechenden Maulkorb ausfindig zu machen.

Zum Gedächtniß eines Patrioten. In Schleswig-Holstein begeht man am 18. November mit besonderer Herzlichkeit die Feier des hundertjährigen Geburtstages von Uwe Jens Lornsen, und überall im Reiche wird man sich in dankbarem Gedenken an den edlen Friesen mit seinen engeren Landsleuten zusammenschließen. Von seiner Hand ist ein Stein ins Rollen gesetzt worden, der erst mit der Befreiung der Elbherzogthümer von der dänischen Herrschaft wieder zur Ruhe kam, und in seinem prophetischen Geiste hat er die Zukunft Deutschlands schon fast genau so geschaut, wie sie sich in der Folge wirklich entwickelt hat. Seine im Jahre 1830 erschienene Schrift „Ueber das Verfassungswerk in Schleswig-Holstein“ war eine That, ein Weckruf und eine Richtschnur zugleich, und ihre Wirkung von unberechenbarem Segen für sein Volk. Für ihn selbst freilich war sie ein tragisches Verhängniß. Nicht, daß sie ihn um sein Amt und ins Gefängniß brachte, war das Schwerste – das haben schon viele erduldet, und das Märtyrerthum war nur ein Vortheil für ihre Sache! Aber die seelischen Qualen einer einsamen Haft fanden in Uwe Jens Lornsens Gemüth einen schwachen Punkt, von dem aus sie die schmerzlichsten Verheerungen anrichteten. Eine tiefe Neigung zur Schwermuth, hervorgerufen durch ein an sich bedeutungsloses körperliches Uebel, konnte durch die keineswegs schonend gehandhabte Untersuchungs- und Strafhaft nur ungünstig beeinflußt werden, und nach einem jahrelangen Ringen mit dem ihn finster umschleichenden Dämon endete der sonst so willensstarke und verstandesklare Mann am 13. Februar 1838 durch eigene Hand.[1] Sein glühender Wunsch, seinem Volke in den Stürmen der Zeit ein Führer zu Licht und Freiheit sein zu dürfen, ist nicht mehr in Erfüllung gegangen.

Aber jene eine That ist nicht vergessen worden, und wenn man heute die Männer aufzählt, die an der Wiege des deutschen Einheitswerkes gestanden haben, so ist auch Lornsens Name darunter. Dafür bleibt ihm das treue Gedächtniß seines Volkes!

Der Wasserfall. (Zu unserer Kunstbeilage.) Es ist ein Werk des größten holländischen Landschaftsmalers, das wir heute den Lesern vorführen, ein Werk Jakob van Ruisdaels, das jetzt eine Zierde des an klassischen Gemälden holländischer Meister so überaus reichen „Rijks Museums“ zu Amsterdam bildet. Man sagt von Ruisdael, er habe zum ersten Mal die Landschaft zum Spiegel des menschlichen Empfindens gemacht, und in der That sind seine Bilder in hohem Grade durch das ausgezeichnet, was man heutzutage „Stimmung“ nennt. Und dieser Künstler, der über 400 Gemälde von klassischer Schönheit geschaffen hat, mußte, erst etwa 54jährig, ein trauriges Ende nehmen. Er war ein Haarlemer Kind und mit 30 Jahren nach Amsterdam ausgewandert. Weil er aber gänzlich verarmte, so sandten ihn die Amsterdamer nach Haarlem zurück, und dort starb er im März 1682 – im Armenhaus.


  1. Das Leben und Wirken Uwe Jens Lornsens ist im Jahrgang 1879 der „Gartenlaube“, Nr. 5 und 6, ausführlich geschildert. Wir besitzen auch in dem Buche von C. Jansen, „Uwe Jens Lornsen. Ein Beitrag zur Geschichte der Wiedergeburt des deutschen Volkes“ (Neue Ausgabe, Kiel 1893, Eckardt) eine vortreffliche Biographie des Mannes.

manicula 0 Hierzu Kunstbeilage XIII: Der Wasserfall. Von Jakob van Ruisdael.

Inhalt: Ein Lieutenant a. D. Roman von Arthur Zapp (6. Fortsetzung). S. 773. – Charles Gounod. Bildniß. S. 773. – Asthma. Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch. S. 776. – Am Hinterpförtchen. Bild. S. 777. – Weinlese im Rheingau. Von Ernst Lenbach. S. 780. Mit Abbildungen S. 780, 781 und 782. – Sein Minister. Novelle von E. Merk (Schluß). S. 783. – Jessika. Bild. S. 785. – Blätter und Blüthen: Trübe Zeichen der Zeit. S. 787. – Charles Gounod †. S. 787. (Zu dem Bildniß S. 773.) – Hund und Maulkorb. Mit Abbildungen. S. 788. – Zum Gedächtniß eines Patrioten. S. 788. – Der Wasserfall. S. 788. (Zu unserer Kunstbeilage.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 788. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_788.jpg&oldid=- (Version vom 6.5.2023)