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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Anders verhält es sich mit dem Aal. Hochgeschätzt in manchen Gegenden, wird er an anderen Orten kaum gegessen. Als ich in Neuchatel wohnte, war das Haus von Agassiz das einzige, welches den Fischern die seltenen Aale abnahm, die zuweilen nach Gewittern gefangen wurden; in Genf findet man den Aal fast nie bei den Fischhändlern. Dagegen wandern Genuesen, Mailänder und Turiner in Scharen zur Fangzeit nach Ponte Tresa im Tessin, um sich dort durch übermäßigen Aalgenuß den Magen zu verderben, und der Neapolitaner, der auf Weihnachten keinen „Capitone“ verzehren könnte, würde sich für den unglücklichsten der Sterblichen halten.

san kann aber den Aal nicht im süßen Wasser züchten wie andere Fische. Die Männchen, die man erst seit wenigen Jahren kennt, leben im Meere und steigen höchstens einige Kilometer weit in die Flüsse und in die Lagunen. Noch heute weiß man nicht, wo die weiblichen Aale, die allein in den süßen Wässern sich finden, ihre Eier ablegen, jedenfalls geschieht dies nicht im süßen Wasser. Es ist sogar wahrscheinlich, daß die weiblichen Aale nach der Eiablage im Meere absterben.

Die zur Gestalt ihrer Eltern entwickelten jungen Flußaale, feine Fischchen von Nadelgestalt, steigen in Scharen von Millionen zu bestimmten Zeiten in den Flußmündungen auf, schlängeln sich überall durch, sogar an steilen Wasserfällen hinauf und leben im süßen Wasser, bis der Fortpflanzungstrieb sie wieder dem Meere zuführt.

Hier läßt sich also weder künstliche Befruchtung noch erste Anzucht der Jungen veranstalten. Man muß die „Montée“, wie die Franzosen diese jungen Aalscharen benennen, auffischen und nach den Orten verpflanzen, wo man sie einbürgern will. Glücklicherweise haben sie ein außerordentlich zähes Leben und lassen sich leicht versenden, Direktor Haack reist alljährlich nach Pisa, wo er eigene Einrichtungen getroffen hat, um Millionen der im Arno aufsteigenden Aalbrut fangen zu lassen und sie nach Hüningen zu befördern, wo sie in besonderen Teichen gehalten und gefüttert werden bis zur Versendung an die Abnehmer. So hat man jetzt den Aal im Donaugebiete und an verschiedenen Orten, wo er früher nicht zu finden war, eingebürgert, und sobald er einmal zum Gemeingut wird herangewachsen sein, wird sich auch der Geschmack der Bewohner zu seinen Gunsten ändern.


Die Fischzucht, deren neueste Entwicklung ich hier nur in ihren allgemeinsten Umrissen zu schildern versucht habe, dient sowohl allgemeinen als privaten industriellen Zwecken. In allen Kulturländern haben sich zahlreiche Vereine gebildet, welche bestrebt sind, die rationelle Bewirthschaftung der Binnengewässer in jeder Art zu fördern und durch Bereicherung derselben den nationalen Wohlstand zu mehren. Viele Anstalten wirken nur in diesem Sinne und haben keinen Gewinn im Auge. Unter diesen Anstalten dürfte die Reichsanstalt in Hüningen, die von dem ebenso kenntnißreichen als thätigen Direktor Haack geleitet wird, den ersten Rang einnehmen. Sie ist klein, hat nur 48 Hektare Oberfläche; ihre Bäche, Kanäle und Teiche werden theils von Quellwasser, theils vom Rheine aus gespeist. Die Kosten tragen die einzelnen Uferstaaten des Rheins und das Elsaß, welchen dafür Eier und Junge von Salmoniden geliefert werden, theils ohne Entgelt; theils unter Ermäßigung des Verkaufspreises, und den Rest bezahlt das Reich, da der Verkauf von mehreren Millionen Eiern und Setzlingen die Kosten nicht deckt. Für den Markt liefert die Anstalt nichts; sie hat also nur Zwecke des Gemeinwohles.

Daß unter den Anstalten, welche privaten Zwecken gewidmet sind, sich auch Kleingewerb und Großbetrieb herausgebildet haben, kann nicht auffallen. Der kleineren, mehr spezialisierten Anstalten giebt es unzählige; zum Großbetrieb, der alles für den Markt züchtet, Edelfische wie Karpfen und ausländische Arten, gehören begreiflicherweise weite Güter in geeigneter Lage, welche nur Großgrundbesitzer sich leisten können.

Hier mag nun Wittingen, die Besitzung des Fürsten Schwarzenberg im südlichen Böhmen, obenan stehen. Die dortige Anstalt leitet einer der erfahrensten und denkendsten Fischzüchter, Joseph Susta, der 6292 Hektare Teichfläche zu bewirthschaften hat, worunter Teiche von 3000 und 2000 Morgen Flächengehalt. Kein Wunder, wenn Herr Susta den Wiener Markt beherrscht, wenn die Fischhändler, seine Kunden, nicht nur aus den größeren Städten Oesterreichs, sondern auch von München, Berlin, Hamburg und anderen Orten zusammenströmen, sobald diese großen Teiche ausgefischt und Tausende von Centnern lebender Karpfen und anderer Nutzfische auf langen Wagenreihen fortgeführt werden; kein Wunder auch, wenn in solchen großen und tiefen Teichen sogar eigentliche Seebewohner, wie die Madui-Maränen, sich wie in ihrem natürlichen Elemente befinden, laichen und gedeihen! Wittingen liefert alljährlich zwischen 5- bis 6000 Centner Karpfen auf den Markt und verbraucht dafür nahezu 2000 Zollcentner Futter, weiches zur Hälfte aus Fleischmehl, zur Hälfte aus Lupinen besteht. Gegen eine solche Riesenanstalt stehen alle ähnlichen Wirthschaften im Deutschen Reiche weit zurück, denn die bedeutendste derselben, Königswartha im Königreich Sachsen, welche etwa 2500 Hektare Teichfläche umfaßt und Herrn von Rabenau angehört, liefert im Durchschnitt nur etwa 2500 Centner Karpfen im Jahre.

Glücklicherweise sind diesen großen Anstalten, welche auf den sogenannten Fischbörsen die Preise bestimmen können, doch Grenzen gesetzt, die nicht leicht überwunden werden können. Das Kleingewerbe, welches nur wenige Hektare Teichfläche zur Verfügung hat, kann noch durch gründliche Bewirthschaftung mit Erfolg in Wettbewerb treten. Die Fischzucht wird sich also weiter entwickeln, wenn auch die Hindernisse, welche ihr besonders durch anderweitige Benutzung der Gewässer in den Weg gelegt werden, sich vermehren sollten, wie wohl vorausgesetzt werden kann. Von den süßen Gewässern aus aber wird sich nach und nach die Bewirthschaftung auf das Meer ausdehnen, wo in unserer Zeit nur die sinnlos raubende Ausbeutung betrieben wird, ohne daß man daran dächte, einen Ersatz dafür zu schaffen. Freilich müssen wir auch gestehen, daß uns hier die wissenschaftlichen Grundlagen für rationelle Maßnahmen fast gänzlich abgehen, denn wenn schon unsere Kenntnisse über die Lebensbedingungen der Süßwasserfische sehr mangelhaft sind, so wissen wir von denjenigen der Meerfische fast gar nichts.


Ein Lieutenant a. D.

Roman von Arthur Zapp.
 (Schluß.)

Erwin war fürs erste geborgen. Jänicke war sehr stolz und glücklich, daß er sich in der Lage befand, etwas für „seinen“ Lieutenant zu thun. Und wenn auch sein Onkel ihm unter vier Augen vorstellte, daß sie ja eigentlich im Geschäft niemand weiter nöthig hätten – er bestand darauf, mit seinem ehemaligen Herrn, der ihm die harten Militärjahre so sehr erleichtert habe, Brot und Obdach zu theilen.

Erwin fand sich schwer in die neue Lage der Dinge. Er war jedoch von den Entbehrungen der letzten Tage so niedergedrückt, daß er froh war, wenigstens unter Dach und Fach zu sein. Nur des Abends, wenn er nach vollbrachtem Tagewerk mit Jänicke in die kleine Bodenkammer hinaufstieg und in dem großen amerikanischen Bett neben seinem früheren Burschen sein Lager einnahm, kam ihm der Gegendatz zwischen Einst und Jetzt überwältigend zum Bewußtsein, vollends wenn dann Jänicke allerlei Erlebnisse aus dem Soldatenleben auszukramen begann. Derselbe war unerschöpflich in diesem Punkt und gerieth dabei nicht selten so in Hitze, daß er im Ueberschwang seiner Gefühle mit seiner rauhen Stimme das eine oder andere der alten Soldatenlieder anstimmte. Und es machte sich wunderlich genug, wenn es hier auf amerikanischem Boden begeistert durch die Stille der Nacht klang:

„Drum, Brüder, stoßt die Gläser an:
Hoch lebe der Reservemann!“

Auch über Erwin kam dann die Erinnerung mit doppelter Macht und legte sich ihm schwer aufs Herz; und wenn Jänicke von Müdigkeit überwältigt, plötzlich abbrach und in tiefen Schlaf fiel, so drückte Erwin sein Gesicht in die Kissen und wälzte sich noch lange schlaflos in bitteren Gedanken an die Vergangenheit.

Die Arbeit, die er im Geschäft des Kaufmanns zum Entgelt für die ihm gewährte Unterkunft verrichtete, bestand darin, mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 828. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_828.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2023)