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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

daß sie den alten Phosphorhölzchen die Lebensbedingungen schwer machen und einige Staaten sich überhaupt mit der Absicht tragen, die Verwendung des giftigen weißen Phosphors zur Herstellung von Zündhölzchen gänzlich zu verbieten.

Damit hat jedoch das Zündhölzchen die höchste Stufe seiner Vollkommenheit sicher noch nicht erreicht. Es steht ihm noch eine dritte glorreichere Entwicklungsepoche bevor. Es ist doch ein Mangel, daß das Sicherheitshölzchen sich nur an der präparierten Reibfläche der Schachtel entzündet. Immerfort strebt man einem höheren Ziel entgegen, nämlich dem, giftfreie Zündhölzchen zu schaffen, die sich ebenso leicht wie die Phosphorhölzchen an jeder rauhen Fläche entflammen lassen. Zweifellos wird dies auch gelingen. Betrachten wir nur die Köpfchen der „Schweden“! Wenn man behauptet, daß sie sich nur an der dunklen Fläche der Schachtel entzünden, so ist das streng genommen eine Uebertreibung. Die ersten Zündhölzchen Kammerers bestanden ja auch aus einem Gemenge von chlorsaurem Kali und Schwefelantimon und wurden, wenn auch mit Schwierigkeit, an rauhen Reibflächen angebrannt. Wir können auch die Köpfchen der „Schweden“ auf einer nicht zu harten Papierunterlage, z. B. auf dem Umschlag eines Schreibheftes, anbrennen, wenn wir mit einigem Nachdruck und einer gewissen Schnelligkeit darüber streichen. Die Chemie kennt aber noch eine Reihe anderer Körper, die sich durch Reibung leichter als dieses Gemenge entzünden, so z. B. das unterschwefligsaure Bleioxyd oder pikrinsaures Kali. Von Natur sind dies wilde Gesellen, die so rasch explodieren und verbrennen, daß die entstandene Flamme keine Zeit hat, das Hölzchen selbst zu entzünden; aber es wird dem Menschen wohl noch glücken, die Unbändigen zu zähmen, wie das bei so vielen anderen Explosionskörpern der Fall war. Dem Scharfsinn der Erfinder ist somit auf dem Gebiete der Zündwarenfabrikation noch immer ein dankbares Feld vorbehalten.

Wir haben bis jetzt nur die chemische Seite der Zündhölzchenfrage betrachtet; nicht minder wichtig ist aber die Entwicklung der Technik in der Herstellung der winzigen Feuergeber. Die Zeiten sind dahin, wo der kleine Mann mit wenigen Apparaten Zündhölzchen zu Hause oder in einer einfachen Werkstätte mit Gewinn herstellen konnte. Heutzutage haben die Maschinen auch auf diesem Felde den Sieg über die Handarbeit davongetragen und sie sind auch allein imstande, die ungezählten Milliarden der Hölzer zu liefern, die wir alljährlich verbrennen.

Man muß hinauswandern in waldreiche Gebiete, um diesen Zweig der menschlichen Thätigkeit in seiner vollen Leistungsfähigkeit kennenzulernen, um mit Staunen wahrzunehmen, wieviel Scharfsinn nöthig war, um uns das Zündhölzchen in glatter, tadelloser Gestalt für so billiges Geld liefern zu können. In Deutschland blüht die Zündwarenindustrie vor allem in den Waldgegenden Bayerns und im Harz, wo auch – in Garmisch und in Clausthal – besondere Fachzeitschriften für die Zündwarenindustrie erscheinen.

Das beste und schönste Holz für unsere Ware liefert die Espe; aber sie könnte allein den Bedarf nicht decken, und so wird auch Fichten- und Tannenholz vielfach zur Bereitung von Zündhölzchen verwendet. In den ersten Zeiten, als das Zündhölzchen sich Geltung errang, hobelten fleißige Männer aus Holzscheiten den feinen „Holzdraht“, wie die runden Hölzchen heißen. Gegenwärtig sind die Holzdrahtmaschinen so vervollkommnet, daß eine einzige bis 6 Millionen Hölzer während eines zehnstündigen Arbeitstages zu liefern vermag. Der gehobelte Holzdraht eignet sich aber wenig zu Zündhölzchen, deren Köpfchen keinen Phosphor enthalten, und man hat darum zur Herstellung der schwedischen Hölzer ein neues Verfahren ersonnen, wobei man die Hölzchen durch Schälen gewinnt.

Da liegen vor uns die geraden Stämme der Waldbäume, sehen wir zu, wie sie in Millionen Hölzchen zersplittert werden! Zunächst wird das Stammholz entrindet und dann mittels der Kreissäge in Klötze von etwa 40 cm Länge zerlegt. Nun wandern die Klötze in einen Apparat, in dem sie ausgekocht oder „gedämpft“ werden. Mit mächtigen Zangen wird darauf das Holz aus dem Brühbottich herausgeholt und im heißen Zustande in eine Schälmaschine eingespannt. Hier wird es um seine Achse gedreht und trifft auf ein scharfes Messer, das ein zusammenhängendes Holzband von der Dicke eines Streichhölzchens von ihm abschält; gleichzeitig wird dieses Band in etwa 5 cm breite, also der Länge eines Zündhölzchens entsprechende Streifen zerschnitten. Diese Maschinen vermögen während eines Arbeitstages 4000 Quadratmeter Holzspan zu liefern, aus dem 15 Millionen Hölzchen bereitet werden können; dabei beträgt ihr Kraftbedarf nur 2 Pferdestärken und an Bedienung erfordern sie nur einen Mann.

Die schmalen Holzbänder wandern nun in eine „Abschlagemaschine“, welche der gewöhnlichen Häckselmaschine ähnlich ist. Durch einen einfachen Mechanismus werden 50 bis 70 übereinander gelegte Holzbänder langsam vorwärts gerückt und kommen unter ein scharfes Messer, das sie in Hölzchen von der gewünschten Dicke zerlegt. Die abgetrennten Hölzchen fallen auf ein Band ohne Ende und werden von diesem in die Trockenräume befördert. Es giebt Abschlagemaschinen, die, von einem Mann und einem Jungen bedient, bis zu 28 Millionen Hölzchen im Tage liefern.

Wir möchten gleich an dieser Stelle bemerken, daß auch die Schachteln zu schwedischen Zündhölzchen mit Hilfe verschiedener Maschinen angefertigt werden. Eine Beschreibung derselben würde uns zu sehr in das Technische führen, nur über ihre Leistungsfähigkeit werden einige Mittheilungen willkommen sein.

Die erste Maschine ist eine Schälmaschine und liefert täglich 3000 Quadratmeter Schachtelspan, woraus man 200000 Schachteln machen kann. Die zweite Maschine theilt den Schachtelspan auf genaue Schachtelbreite und liefert 300 000 bis 400 000 Holzstückchen, aus welchen Schachteln geklebt werden können. Auch diese Klebearbeit besorgt eine Maschine. Die Außenschachtel oder die „Hülse“ wird bekanntlich durch blaues Papier zusammengehalten. Dieses Papier wird in endlosen Streifen von 56 mm Breite von einer seitwärts stehenden Rolle der Maschine zugeführt, und diese besorgt das Abschneiden, Kleben, Biegen etc. selbstthätig, bedarf zu ihrer Bedienung nur eines Mädchens und liefert im Tag 36 000 Hülsen. Eine andere Maschine fertigt die Schieber oder Einschiebsel für die Schwedenschachteln und liefert in ähnlicher Weise 25000 Schieber in 10 Stunden. Nun müssen noch die Schachteln auf beiden Schmalseiten mit der Anstrichmasse versehen werden. Auch dafür giebt es eine Maschine, die täglich 120000 bis 150000 Schachteln mit dem Anstrich versieht, und zwar sauberer und genauer, als dies die Menschenhand vermöchte. Endlich ist noch eine Maschine für das Aufkleben des Firmaschildchens da, welche im Tag 40 000 bis 50 000 Schachteln etikettiert und dabei mit dem Kleister sparsamer umgeht als ein Arbeiter.

Und nun bedenke man noch, daß diese Maschinen heutzutage in Tausenden von Exemplaren in der Welt verbreitet sind, dann wird man sich einen Begriff machen können von der Bedeutung, welche die Zündhölzchenindustrie in unserer Zeit erlangt hat.

Doch kehren wir zu unseren Hölzchen zurück, die wir im Trockenraume gelassen haben, und die nunmehr mit dem feuerbergenden Köpfchen versehen werden sollen! Bevor dies geschieht, müssen die Spitzen der Hölzchen mit leicht entzündbaren Stoffen, wie Schwefel, Paraffin oder Stearin getränkt werden. Zu diesem Zwecke werden sie in die betreffenden erwärmten Stoffe getaucht oder „getunkt“. Schon im Anbeginn der Geschichte des Zündhölzchens sah man ein, daß man nicht vorwärts kommen würde, wenn man die Hölzchen einzeln mit der Hand eintauchen wollte, und erfand den Tunkrahmen. Es sind dies dünne Brettchen, die mit einer Reihe gleichlaufender Einschnitte versehen sind. In diese Rinnen legte man die Hölzchen, und da die Rinnen seicht waren, so ragte der Holzdraht über sie hervor. Die gefüllten Brettchen schichtete man auf einem Gestell übereinander und preßte sie zusammen, so daß ihr Inhalt fest eingeklemmt wurde. Aus solchem Rahmen starrten mehrere Hunderte oder Tausende von Hölzchen nebeneinander hervor, die dann alle zusammen in die Tunkmasse gebracht werden konnten.

Früher wurde das Einlegen der Hölzchen in die Rahmen von Arbeiterinnen besorgt, welche darin eine so große Fertigkeit erlangten, daß sie an einem Arbeitstage bis 200000 Hölzchen in die Rahmen faßten. Aber auch für diese mühselige Arbeit hat man später Maschinen ersonnen, mit deren Hilfe heute eine Arbeiterin während eines Arbeitstages etwa anderthalb Millionen Hölzchen in den Rahmen zu bringen vermag.

Dagegen ist es bis jetzt nicht gelungen, die wichtige Arbeit des Eintunkens in die Zündmasse durch Maschinen besorgen zu lassen; hier muß noch immer die menschliche Hand eingreifen.

Sind nun die Hölzchen mit den Köpfchen versehen, so wandern sie wieder in Trockenräume, in welchen sie verbleiben, bis sie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 870. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_870.jpg&oldid=- (Version vom 1.9.2020)