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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

klassischen Dichtung angedeihen läßt, es will sein ein „Burgtheater für das Volk“. Dieses volksthümliche Gepräge drückt sich auch in dem Platze aus, auf dem es steht – nicht im Herzen der Stadt; nicht in den Vierteln der Reichen und Vornehmen ist es gelegen, sondern draußen in der Wallgasse, unfern der alten „Linie“, in einer gewerbfleißigen und industriereichen Gegend, und zwar zufällig in demselben Bezirk Mariahilf, in dem einst Raimund geboren wurde. Um billiges Geld kann dort auch der bescheidene Bürgersmann sich und seiner Familie öfter einen edlen dramatischen Genuß verschaffen, und es ist zu hoffen, daß mit der erleichterten Gelegenheit zu solchem Genusse auch der Sinn dafür wieder wachse.

Adam Müller-Guttenbrunn,
der Direktor des Raimundtheaters.
Nach einer Photographie von Joh. E. Hahn in Wien.

In etwa sieben Monaten ist der stattliche Bau nach den Plänen des Architekten Franz Roth vollendet worden, gewiß eine hervorragende Leistung, wenn man bedenkt, welch ein umständliches Ding solch ein Theater ist. Das Gebäude, dessen einfache, aber äußerst gefällige Fassade in italienischem Renaissancestil gehalten ist, besteht aus dem erhöhten Bühnenhaus und dem von einem Gange umschlossenen Zuschauerraum. Der letztere faßt in seinem Parterre und auf seinen zwei Galerien im ganzen etwa 1800 Personen und wird gerühmt um seiner vorzüglichen Akustik willen, die er wesentlich der Muschelform seines Plafonds verdanken soll. Innen und außen ziert reicher plastischer und malerischer Schmuck das Haus. Der Maler Julius Schmid hat einen prächtigen Vorhang geschaffen, darauf Raimund erscheint, umgeben von Gestalten seiner Phantasie. Von dem Bildhauer Johannes Benk stammt die schöne Bronzegruppe der „entfesselten Phantasie“, welche den Giebel krönt, sowie die überlebensgroße Büste Raimunds, die von der Brüstung der im Halbrund vorspringenden Loggia hinabschaut auf die Vorüberwandelnden, und Rudolf Weyr hat u. a. sinnige Geniengestalten für die Bogenzwickel beigesteuert.

So ist es ein schmuckes, anmuthiges Heim der dramatischen Muse, das am 28. November mit Raimunds „Gefesselter Phantasie“ seiner Bestimmung übergeben wurde. Der Leiter der neuen Bühne, der Schriftsteller Adam Müller-Guttenbrunn, geboren am 22. Oktober 1852, hat unter Altmeister Laubes Führung seine dramatische Schulung durchgemacht, eine Anzahl wirksamer Stücke, auch theoretische Schriften über das Theater verfaßt, wie er ja auch als Novellist hervorgetreten ist. Es wird ihm viel Vertrauen entgegengebracht, daß er die richtigen Wege finden werde, das junge Unternehmen zu einem gedeihlichen Ziele zu führen. Und das möge ihm gelingen, zum Heile der guten Sache, der zu dienen das Raimundtheater ins Leben gerufen wurde!

Die Verbreitung der Rechtskenntniß. Es ist ein alter bekannter Satz, daß die Unkenntniß des Rechtes schadet, d. h. daß es vor dem Richter nicht die Entschuldigung giebt: „Ich habe nicht gewußt, daß ich dies oder jenes nicht darf!“ Je verwickelter aber die Rechtsverhältnisse, je größer die Zahl der gesetzlichen Bestimmungen wird, desto schwieriger ist es, den Anforderungen zu genügen, welche in Bezug auf die Rechtskunde jetzt gestellt werden.

Eine kleine Schrift von Carl Seefeld „Zur Verbreitung der Rechtskenntniß“ in den „Deutschen Zeit- und Streitfragen“ (Hamburg, Verlagsanstalt und Druckerei A. G., vormals J. F. Richter) geht von der Ansicht aus, daß im Grunde die Rechtskenntniß gleich Null ist, und zwar auch in den Kreisen, die sich zu den gebildeten zählen. Gegen diesen bedenklichen Zustand der allgemeinen Rechtsunwissenheit, wie ihn der Verfasser nennt, schlägt er einige Mittel der Abhilfe vor, welche jedenfalls Beachtung verdienen.

Zunächst sollte niemand unterlassen, sich bezüglich der Gesetzgebung möglichst auf dem laufenden zu erhalten und eine der von den Staatsverwaltungen veranstalteten billigen Gesetzessammlungen zu beziehen, wodurch er nicht nur einige Fertigkeit im Lesen und Verstehen der Gesetze, sondern auch die nöthige Uebersicht über die Entwicklung der einheimischen Gesetzgebung sich anzueignen in der Lage wäre. Ferner ist häufige Anwesenheit bei den Verhandlungen der Gerichte, nachdem auch beim Civilprozeß die Oeffentlichkeit eingeführt ist, zu empfehlen. Den meisten wird dazu freilich die Zeit fehlen und es verlangt schon ein gewisses Maß von Fachkenntniß, um diesen Verhandlungen zu folgen. Die Heranziehung der Laien zur Rechtsprechung wird zwar auch dazu dienen, die Rechtskenntnisse derselben zu vermehren; im Grunde aber setzt sie dieselben schon voraus und ist so nur eine weitere dringliche Mahnung, sie sich anzueignen. Wichtiger sind die beiden letzten Vorschläge des Verfassers.

Die so segensreich wirkende Vereinsthätigkeit der Gegenwart soll sich auch auf dies Gebiet erstrecken, vor allem aber sollen die Schulen dasselbe mehr als bisher ins Auge fassen. Nicht auf die Hochschulen soll der Rechtsunterricht beschränkt bleiben, sondern ein gewisses, dem Zweck und den Verhältnissen entsprechendes Maß von Rechtskenntnissen soll auch in den Schulen erster und zweiter Ordnung gelehrt und somit jedem Staatsbürger zugänglich gemacht werden. Dabei muß natürlich die Rücksicht auf den praktischen Nutzen der beizubringenden Rechtskenntnisse vorherrschen. In Handels- und Gewerbeschulen wird man z. B. das Hauptgewicht auf Lehren aus dem Gebiete des Handelsrechtes legen, in ländlichen Fortbildungsschulen auf die wesentlichen Punkte des Sachenrechts in Bezug auf Grundstücke und auf Kenntniß des Grundbuchwesens. Auch muß der Vortrag durchweg der geistigen Bildungshöhe der Schüler angepaßt werden.

In der That verdienen die Anregungen des Verfassers allgemeine Beachtung, denn ein ordentlicher Unterricht über das geltende Recht wird nicht nur den einzelnen vor manchem unbeabsichtigten Verstoß bewahren, sondern auch dazu beitragen, die Achtung vor Recht und Gesetz in allen Kreisen zu vermehren. †     



Inhalt: Sabinens Freier. Von W. Heimburg (4. Fortsetzung). S. 857. – Epheu und Lilie. Gedicht von Otto Braun. Mit Bild. S. 861. – Verbrecherbanden in Indien. S. 862. – Vom Hamburger Wasser. Von Gustav Kopal. S. 864. Mit Abbildungen S. 857, 864 und 865. – Etwas von der Mode. Von R. Artaria. S. 866. – Zur Geschichte des Zündhölzchens. Von C. Falkenhorst. S. 867. – Gutenberg auf dem Reichstag zu Mainz. Bild. S. 869. – Geburtstag. Von Charlotte Riese. S. 871. – Brieftaubendienst auf hoher See. Bild. S. 873. – Blätter und Blüthen: Ein zeitgemäßes Wort über den Eintritt in Diakonissenanstalten. S. 874. – Gutenberg auf dem Reichstag zu Mainz. S. 874. (Zu dem Bilde S. 869.) – Brieftaubendienst auf hoher See. S. 875. (Zu dem Bilde S. 873.) – Ein Reisetag im Innern von Afrika. S. 875. – Das Raimundtheater in Wien. S. 875. (Zu den Bildern S. 875 und 876.) – Die Verbreitung der Rechtskenntniß. S. 876.




In dem unterzeichneten Verlag ist soeben erschienen und durch die meisten Buchhandlungen zu beziehen:
Die Geschichte der Deutschen Weihnacht.
Von Alexander Tille.
Preis geheftet 4 Mark.0 In Leinwand gebunden 5 Mark.

Anderthalb Jahrtausend alt ist die Feier des fünfundzwanzigsten Dezembers. Aber nicht immer war sie wie heute. Wie das Christenthum sie nach Deutschland brachte und in hartem Kampfe gegen deutsches Volksthum zum Siege über die altheimischen Winteranfangsfeste führte; wie durch Hinüberwandern alten deutschen Brauches und Glaubens auf die große Kirchenfeier die deutsche Weihnacht sich bildete; wie die Weltanschauungskämpfe der Jahrhunderte ihr wechselvolle Züge aufprägten, und wie zuletzt das deutsche Weihnachtsfest von heute entstand mit dem blühenden Lichterbaum in seiner Mitte und dem Kinderjubel um ihn, mit seinen Tischen voll Weihnachtsgaben und der Weihnachtsstimmung, die auch der Fremde nie vergißt, der sie einmal mit durchlebt hat; – das und noch mehr erzählt das neue Weihnachtsbuch.

Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.



Nicht zu übersehen! Mit der nächsten Nummer schließt das vierte Quartal der „Gartenlaube“ 1893; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen. Wir sind in der Lage, unseren Abonnenten eine abermalige Vermehrung des Illustrations- und Lesestoffs der „Gartenlaube“, bestehend in besonderen Beilagen mit tagesgeschichtlichen, haus- und landwirthschaftlichen Notizen anzuzeigen. Damit wird für die Wochenausgabe, deren Preis seither niedriger als der Preis der Halbbeft- und Heftausgabe war, eine kleine Erhöhung von 15 Pfg. pro Quartal verbunden sein, während der Preis der Halbheft- und Heftausgabe derselbe bleibt wie bisher. Es werden sonach künftig alle Ausgaben der „Gartenlaube“ denselben Preis baben.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders darauf aufmerksam, daß der Abonnementspreis von 1 Mark 75 Pf. bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs bei der Post aufgegeben werden, sich um 10 Pfennig erhöht.

Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefert auf Verlangen gegen Einsendung von 30 Pfennig in Briefmarken direkt franko die Verlagshandlung: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. 


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 876. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_876.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)