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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


„Ist das ein Lümmel, ein unguter!“ brummte Schweiker; aber es war in seinen Augen zu lesen, daß er den Fischer ungerne scheiden sah. „Soll ich ihn wieder holen?“ fragte er den Pater. Und ohne eine Antwort abzuwarten, rief er dem Fischer nach, der zwischen den Büschen verschwand. „He, Du, noch ein Wörtl …“

Doch Eberwein hielt ihn zurück. „Laß ihn! Um diesen zu gewinnen, bedarf es einer besseren Stunde.“ Er wandte sich ab, und seine Blicke folgten der Richtung, nach welcher Waldram gegangen war. „Sein erstes Wort …“ sprach er leise vor sich hin, „und schon liegt ein Schatten auf meinem hellen Weg!“

Schweiker stand noch immer inmitten der Wiese, mit seitwärts hängendem Kopf, und schaute in die Büsche, hinter denen Sigenot verschwunden war. Da hörte er Bruder Wampos Stimme. „He, Schweiker, komm her da, tummel’ Dich!“ Er ging zum Feuer, bei welchem sich Wampo nach dem überstandenen Schreck schon wieder häuslich mit Spieß und Braten eingerichtet hatte.

„Komm her, dreh’ noch ein’ Weil’, er wird bald gar sein. Ich hab’ ein Wörtl mit dem Fischer zu reden.“

„Du? Mit dem Fischer?“

„Ja. Sein Lägel hat Wasser …“ Wampo kniff die Augen ein und schnalzte mit der Zunge, „es muß auch Fisch’ haben!“ Mit beiden Händen hob er die Kutte und sprang über die Steine davon; hurtig durch die Büsche schlüpfend, erspähte er den Fischer, der gerade das Lägel niedersetzen wollte, um die Angel zu werfen. Geschäftig die Hände reibend, lächelnd und nickend, ging der Bruder auf ihn zu. „Gottes Segen über Dich, mein Sohn!“

Sigenot machte große Augen. „Was willst?“

Wampo zwinkerte, fast bis zu den Ohren verzog sich sein lachender Mund, und während er mit dem Fingerknöchel an das Lägel pochte, fragte er: „Hast heut’ schon was gefangen, mein Sohn?“

„Ich bin meines Vaters und meiner Mutter Sohn, nicht der Deinige. Aber gefangen hab’ ich, denn ich hab’ gefischt.“

„Gefangen? So? So? Schöne Fische?“

„Gering’ Zeug fang’ ich nicht!“

„Freilich, freilich, bist halt ein echter Fischer, gelt? Gefangen also? So? So? Laß doch einmal sehen.“ Wampo wollte nach dem Lägel greifen, aber Sigenot streckte die Angelrute vor. Seufzend legte der Bruder die Hände über das Bäuchlein und blickte den Fischer an mit Augen voll tiefer Kümmernis. Da mußte Sigenot lächeln. „So schau halt!“ sagte er und öffnete den Deckel des Lägels. Hurtig fuhr der Bruder mit der Nase bis dicht an die Lücke. „Ei, ei, ei, da wimmelt ja ein Buckel neben dem andern!“ Er richtete sich auf und sein Gesicht strahlte. „Jetzt sag’, mein Sohn ....“ Da erinnerte er sich der abweisenden Rede Sigenots. Zutraulich klopfte er ihn auf die Schulter. „Schau, von mir kannst Dir’s schon gefallen lassen, daß ich Dich so heiß’! Bin ich nicht so alt, daß ich Dein Vater sein könnt’ … und bist Du nicht so jung, wie mein Bub’ wohl sein möcht’, wenn ich einen hätt’? Gelt, ja? Also, jetzt sag’, mein Sohn, wie wär’ denn das’ wenn Du mir für Gottes Lohn und freundlichen Dank von Deinem Fang ein paar Schwänzlein ablassen thätst? Hm?“

„Fisch’ willst haben? Das hättest kürzer auch sagen können.“

„Kurz oder lang … was meinst dazu?“

„Nichts mein’ ich!“ sagte der Fischer lächelnd; je länger er den Bruder betrachtete, desto fröhlicher wurde sein Gesicht. „Auf die Fisch’ da wartet Herr Waze, ich hab’ ihm die Ferchen zugesagt zum Mahl auf die Nacht.“

„Herr Waze? Ei, ei, ei!“ Wampo spitzte die Lippen wie zum Pfeifen. „Herr Waze? Von dem hab’ ich schon gehört! Der also, der soll die schönen Fisch’ alle haben zum Mahl auf die Nacht? Aber schau, wir haben ein Mahl zu Mittag … und haben nichts dazu als einen großen Hunger und ein kleines Stückl Fleisch. Und Mittag kommt vor Abend, Mittag ist jetzt! Also, thu’ eine gescheite Red’, sag’ Ja!“

„Du red’st Dich aber leicht! Wer bist denn eigentlich?“

„Wer ich bin?“ Wampo legte die Hände ineinander. „Ich bin der gute fromme Bruder Wampo, ein braver Knecht der Kirche.“ Breit legte der Bruder die Hände auf den Gürtel und machte die freundlichstem Aeuglein, die er zustande brachte. „Schau mich an, Fischer … wenn ich Dich gar schön bitt’, kannst da noch Nein sagen?“

„So nimm halt!“ lachte Sigenot. „An mich hat noch keiner eine Bitt’ umsonst gethan.“ Er drehte das Lägel um, und mit einem dicken Wasserguß flossen an die zwanzig der herrlichsten Forellen in das Moos und hüpften silberschimmerig durcheinander.

Bruder Wampo wußte nicht mehr, wohin er mit seinen Händen greifen sollte. „Ei, ei, ei!“ Das war der ganze Ausdruck seiner Freude. Er sah nicht, daß Sigenot sich lachend entfernte, und dachte nicht an Gruß und Dank. Mit beiden Knien warf er sich auf die Erde nieder, höhlte die Kutte zu einem Sack, und schlipp, schlupp, verschwanden die zappelnden Fischlein eines nach dem andern in seinem Schoß. Dann sprang er auf, rannte dem Feuerplatz entgegen, und breit vor Eberwein sich aufpflanzend, mit strahlendem Gesicht, zog er eine pfündige Forelle aus der Kutte und rief lachend. „Schauet, Herr, das ist die erste Steuer, die unser Kloster gehoben hat im Berchtersgadem.“

Eberwein lächelte, und hinter ihm ließ sich eine rauhe Stimme vernehmen. „Ein guter Anfang! Nur lustig fortgehoben! Und wohl bekomm’ Euch, was Herr Waze und seine Buben noch übrig gelassen!“ Während Bruder Wampo hurtig zum Feuer rannte, um die Forellen ihrem Schicksal zu überliefern, ließ sich der Sprecher dieser Worte, ein stämmiger Kriegsmann, neben Eberwein auf einen Steinblock nieder. Es war Herr Friedrich von Haunsperg, der erzbischöfliche Kastellan der Salzaburg. Ein grauer Spitzbart verlängerte das harte knochige Gesicht, darin zwei graue scharfblickende Augen funkelten; am Gürtel trug er ein breites Schwert, einen Dolch an eisernem Kettlein, und unter dem grüngefärbten Lederwams klirrte das Ringhemd. „Ich bin um Euretwillen schön in die Irre geritten,“ sagte er lachend zu Eberwein. „Draußen beim Rotemannsbach wurde mir das Warten zu lang, ich wollt’ Euch ein Stücklein den Berg hinauf entgegenreiten, im dichten Gehölz hab’ ich den Pfad verloren, und wär’ der Knecht nicht gekommen und hätt’ nach mir geschrien wie ein Jochgeier, wer weiß, ob ich den Weg so bald wieder gefunden hätt’.“

„Ich beklage die Uebermüh’, die ich Euch durch mein Zögern verursacht habe,“ sagte Eberwein. „Doch wüßtet Ihr, was alles ich erfahren und gesehen – Ihr würdet mich entschuldigt halten.“

„Entschuldigt seid Ihr für alle Fälle. Aber nun leget los, Herr Pater … oder …“ Die Augen des Kastellans wurden kleiner, und über seine schmalen Lippen zuckte ein kaum merkliches Lächeln, „oder muß ich schon sagen: Herr Propst? Also, erzählet, wie hat Euch das Ländlein gefallen, das Ihr Euch angesehen von oben herab?“ Eberweins Augen leuchteten; er hatte kein Ohr für den versteckten Spott dieser Worte, und in fließender Rede begann er zu erzählen …

Inzwischen schaffte Bruder Wampo drüben am Feuer mit brennendem Eifer und blitzschnellen Händen; bald sprang er zum Bratspieß, bald wieder zum Kessel, in welchem er die Forellen sott. Dabei wußte er für jeden der Knechte ein Geschäftlein; sie mußten durcheinandersurren wie die Hummeln. „Schwitzet nur, heut’ hab’ ich noch gute Zeit!“ kicherte Wampo. „Steht die Klaus’ einmal, dann muß ich alles selber schaffen!“

Nah im Walde klangen wuchtige Beilhiebe; Bruder Schweiker hantierte mit der Axt, und wo er hinschlug, sprangen die Splitter und sanken die jungen Bäume. Nach einer Weile kam er, ein Dutzend dicker Stangen auf dem Rücken schleppend; vier trieb er in den Grund und legte über die Stangen eine Felsplatte als Tisch; daneben errichtete er zwei kleine Bänke. Als sein Werk zu Ende gediehen war, kam Bruder Wampo herbeigeschossen, deckte den Tisch, brachte eine hölzerne Platte mit Fisch und Braten herbei und lief dann, um die Herren zu rufen, die er in heftigem Gespräche fand, auf Eberweins Zügen brannte die Erregung und Herr Haunsperg schien übler Laune zu sein. Der Bruder machte eine Verbeugung, die einem Koch des herzoglichen Hofes zur Ehre gereicht hätte, und sagte: „Das Tischlein ist gedeckt, wohl bekomm’s den Herren!“

Herr Haunsperg sprang auf. „Das erste gescheite Wort, das ich höre!“ Und zu Eberwein sich wendend, meinte er lachend: „Kommt, Pater, lassen wir jetzt die Zungen ruhen und dafür die Zähne arbeiten!“ Er ging zum Tisch.

„Wo ist Waldram?“ fragte Eberwein.

Bruder Wampo rannte davon, daß die Kutte flatterte. Nach kurzer Weile kam er zurück und schüttelte gar bedenklich den Kopf. „Ihn hungert nicht, hat er gesagt – ihn speiset die Gnade Gottes.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_038.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2019)