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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Dir die Wort’ ausgehen, red’ nur gleich mit der Faust. Bei Dir giebt’s aus ... wo Du hinhaust, da wachst sieben Jahr’ kein Gras nimmer. Und ich, Fischer, ich halt’ zu Dir! Dich hab’ ich gern, das weißt. Du bist der einzig’ im Gadem, den ich stehen hab’ lassen wie Herr neben Herr. Das wirst mir zugeben – nie hab’ ich mit einem Finger an Dein Sach’ und Recht gerührt.“

„Das hat wohl einen guten Grund gehabt,“ sagte der Fischer trocken.

Herr Waze zog die Brauen hoch. „Wieso? Wie meinst Du das?“

„Ich mein’, es wär’ schiech ausgegangen. Kann sein, für mich ... für Euch aber auch! Wenn ein Baum fallt, Herr, giebt’s Trümmer.“

Herr Waze machte zu dieser Rede ein schiefes Gesicht, und dunkle Röte stieg ihm ins Antlitz. Aber er lachte und griff nach der Bitsche. Abermals that er einen tiefen Zug, klappte den Deckel zu und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Schau, Fischer, das gefallt mir, daß Du so redest! Wer was ist, den laß ich gelten! Und drum wär’s mir leid, wenn es Dir an den Leib ging’. Aber ich halt’ zu Dir.“

„Ich mein’, ich brauch’ keinen Helfer.“

„So? Paß’ nur auf! Du, freilich, Du bist noch nie hinausgekommen aus dem Gadem. Aber ich, Fischer, ich weiß, wie sie’s machen!“ Mit hohler Hand strich Herr Waze über die Tischplatte, als lägen goldene Schätze vor ihm, die er einstreifen möchte in seinen Schoß. „Beim Kleinen fangen sie an, schön langsam, und allweil schneller geht’s, und beim Großen hören sie auf. Mit Gotteslieb’ und Himmelsgnad’ aißen[1] sie die Gruben an, und was drauf hereinfallt, das kommt in den Klostersack. Und der hat kein Loch ... was da einmal drin ist, das bleibt!“

Sigenot schüttelte den Kopf und lächelte vor sich hin.

„Warum lachst Du?“ brummte Herr Waze, während draußen der erste brausende Windstoß um das Haus fuhr.

„Der Ramsauer Pfarrherr ist mir eingefallen, der alte Hiltischalk.“

„Was willst mit dem?“

„Der hat mich als Bub getauft ... das ist der einzig’, den ich kenn’. Und wenn die vier, die heut’ gekommen sind, dem Ramsauer nachgeraten, so könnt’ man allweil hausen mit ihnen. Denn vom Ramsauer hab’ ich noch nie gehört, daß er ’was eingestrichen hat in seinen Sack. Ich hör’ nur allweil, daß er giebt ... das letzte Haftl und das letzte Pfaid und Herz und Leib dazu.“

Herr Waze hatte regungslos gesessen, mit funkelnden Augen an dem Munde des Fischers hängend. Jetzt sprang er auf und warf den Stuhl beiseite. „Hol’ ihn der Teufel, den er predigt!“ schrie er mit zitternden Lippen. „Der gerad’, der ist von den Aergsten einer! Der weiß, wie man’s machen muß, daß die Roß’ nach dem Fuhrmann schlagen! Die ganzen Leut’ in der Ramsau hat er mir verdorben in Grund und Boden. Da steht ja einer neben dem andern wie Stein bei Stein in der Mauer!“

Sigenot erhob sich. „Ich mein’, Herr Waze, das hat ein anderer fertig gebracht als der Ramsauer Pfarrherr.“

Herr Waze hörte diese Worte nicht; der zweite Windstoß rauschte um das Haus, daß alles Gebälk erzitterte; an einem der Fenster riß der dünne Schliem, ein zischender Luftstrom fuhr in die Stube und machte die Kerzen flackern. Mit zorniger Faust stieß Herr Waze den Laden vor. „Und jetzt,“ so schrie er, „jetzt will sich gleich ein ganzes Bündel festsetzen im Gadem. Und eine Klaus’ wollen sie bauen, und aus der hölzernen Klaus’ soll ein steinernes Kloster wachsen mit Mauer und Türm’ ... und wie man der Sau das Blut ablaßt, langsam, aber sicher, so soll ich Stückl um Stückl herlassen, was ich halt’ in meiner Faust. Aber die sollen den Waze kennenlernen! Wenn ich nur wüßt’, wer hinter ihnen steht! Ob der Salzburger? Oder gar noch ein Stärkerer, der mir ans Fleisch kann! Wenn ich nur das wüßt’ ... dann möcht’ ich ihnen morgen ein Wörtl sagen, daß ihnen die Zung’ in den Hals fallt! Aber so ...“ Herr Waze schluckte die Worte und griff sich mit den Fäusten an die eigene Brust.

Sigenot stand schweigend, mit ernstem Blick. Keuchend trat Herr Waze an den Tisch und hob den Krug. Als er ihn niedersetzte, schnitt er ein Gesicht, als wär’ ihm die Zunge bitter geworden. „Was nur das wieder für ein Gesüff ist! Den Met hat der Schönauer gesteuert ... und hat mir mit Fleiß den Honig verdorben!“

„Nein, Herr!“ sagte der Fischer. „So was thut der Schönauer nicht. Aber wenn einer zu oft in den Immstock greifen muß und mehr vom Stock verlangt, als er geben kann, so sind die Immen bald nimmer heikel im Blumensuchen und heimsen auch auf schlechtem Kraut und auf Giftblumen. Das merkt man halt nachher im Met ... obenauf schmeckt er freilich süß, aber der Satz wird bitter auf die Letzt.“

„So? Meinst?“ brnmmte Herr Waze und roch in die offene Bitsche. Er stieß den Krug von sich und schrie: „Was mich am meisten ärgert, was mir alles umdreht im Leib –“ die beiden Fäuste schlug er an seine Stirn’ – „ich selber bin schuld, daß ich die Schermäus’ jetzt im Land hab’!“ Er trat vor den Fischer hin und mit fuchtelnden Armen begann er zu erzählen: „Vor Jahr’ einmal, da sind der Sulzbacher und seine Gräfin auf den Einfall gekommen, sie möchten Nachschau halten im Gadem. Ohne Troß und Knecht’ sind sie draußen weggeritten von der Herrenburg; und unterm Lokistein, wo der Goldenbach in die Achen fließt, sind sie in die Irr geraten. Da haben sie aus dem Sattel steigen müssen und zu Fuß weiter suchen. Und auf einmal, da bricht unter ihnen die Erd’ ein, und halb verschüttet sind sie in der brunnentiefen Grub’ gelegen, zwei Tag’ und eine Nacht. Und was sagst? Da muß mich mein Unstern dazuführen ...“ Herr Waze lachte zornig auf und streckte die Fäuste gegen die Decke.

„Unstern?“ Sigenot furchte die Brauen. „Es sind doch Menschen in der Not gewesen, und Eure Herrenleut’ dazu!“

„Paß’ nur auf, was weiter kommt!“ schrie Herr Waze. „Auf der Sauhatz hab’ ich die ledigen Roß’ gefunden, hab’ vom Sattelzeug richtig auf die Reiter geraten und hab’ mich mit meinen Leuten ans Suchen gemacht. Und finden hab’ ich sie müssen! Finden! Und hab’ noch eine Freud’ gehabt, weil ich gemeint hab’: jetzt, wo mir der Graf und die Gräfin ihr Leben danken müssen, hätt’ ich einen rechten Stein im Brett. Und weißt, was geschehen ist?“ Mit beiden Händen faßte Herr Waze den Fischer am Wams. „Wie der Graf und die Gräfin wieder daheim waren, hat der Burgpfaff angefangen, der Frau Adelheid ins Ohr zu reden: ihr Unglück und die Rettung ... hörst, Fischer, die Rettung! .. das wär’ ein Vermerk von Gott gewesen, daß Frau Adelheid das alte Gelübd’ ihrer Mutter erfüllen müßt’ und den Berchtersgadem hingeben an die Kirch’!“ Herr Waze schlug die Fäuste auf den Tisch und lachte mit bleichen Lippen. „Und wie schon allweil der Zwölfer fallt, wenn die Schwarzkittel ihre Knöchel werfen ... so hat’s nicht lange gedauert, da kommt das Siechtum über Frau Adelheid und auf dem Totenschragen hat sie den Eid gethan und zwölf Edelleut’ haben mitschwören müssen, daß der Berchtersgadem an das Kloster fallt!“

Sigenot hob den Kopf und zog die Kappe aus dem Gürtel. „So wär’ das richtig und wahr? Die Schenkung ist beschworen und gethan?“

„Ja, ja, ja!“ schrie Herr Waze. „Und das ist der Dank, den ich hab’! Was sagst, Fischer? Was sagst?“

„So muß ich sagen, daß die Leut’ ein Recht haben, wenn sie kommen ... daß sie die Herren im Gadem sind.“

„Was Herr? Wer Herr?“ klang die kreischende Antwort. „Ich bin der Spisar im Gadem, und ich bin nicht gefragt worden, ich hab’ der Schenkung nicht zugestimmt – und ich thu’s auch nimmer!“

„Wer hätt’ Euch denn fragen müssen? Wenn ich mein Wesen verschenken will, muß ich denn da mein Gesind’ erst fragen?“

Herrn Waze blieb die Antwort in der Kehle stecken; seine Augen erweiterten sich, und ein Zittern befiel seine Knie. Er lachte nur gepreßt und heiser. Mit zuckenden Fäusten zog er die Rocksäume über der Brust zusammen und schritt in der Stube auf und nieder. Draußen kam der Sturm gezogen. Es pfiff und heulte um das Haus, dumpf rauschten die Wipfel der Bäume, man hörte das Krachen brechender Aeste, das Geklapper fallender Schindeln, und in weiter Ferne rollte der erste Donner.

Herr Waze blieb vor Sigenot stehen, mit funkelnden Augen

und fahlem Gesicht. „Fischer! Da steh’ ich vor Dir ... und

  1. ködern.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_071.jpg&oldid=- (Version vom 24.4.2019)