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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


BLÄTTER UND BLÜTEN.

Der Schillerpreis ist durch die Ereignisse der letzten Zeit der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden. Gestiftet wurde der Preis bei der Säkularfeier Schillers 1859 durch den damaligen Regenten Prinz Wilhelm von Preußen, den späteren Kaiser Wilhelm I. Nicht wie bei anderen Preisen handelt es sich bei diesem um einen ausgeschriebenen Wettbewerb, sondern der Preis soll – alle drei Jahre – stets dem besten innerhalb dieses Zeitraums veröffentlichten Drama zuerteilt werden. Der Erfolg der Aufführungen soll dabei mitsprechen; doch ist er allein keineswegs maßgebend, und nach den Satzungen kann der Preis auch einem nur durch den Buchhandel veröffentlichten Drama zufallen. Das Prüfungskomitee ist nicht ständig, sondern wird durch den preußischen Kultusminister allemal für drei Jahre von neuem ernannt. Sein Vorschlag unterliegt der Entscheidung des Königs von Preußen. Ist kein Drama vorhanden, das die Auszeichnung verdient, so wird dem Komitee ein gewisser freier Spielraum gewährt; der Preis, bestehend in 3000 Mark und einer goldenen Medaille, kann auch an Dichter verliehen werden, welche sich im allgemeinen und durch frühere Werke um die dramatische Litteratur verdient gemacht haben, ja selbst an solche, deren Talent sich in anderen Dichtgattungen bewährt hat. So ist vor drei Jahren der Preis zwischen Theodor Fontane und Claus Groth geteilt worden, welche beide niemals ein Drama geschrieben haben. Außer diesen haben bisher den Schillerpreis erhalten Friedrich Hebbel für seine „Nibelungen“, Albert Lindner für „Brutus und Collatinus“, Emanuel Geibel für „Sophonisbe“, Franz Nissel für „Agnes von Meran“, außerdem Adolf Wilbrandt, Ernst von Wildenbruch, Paul Heyse, Ludwig Anzengruber. Bei diesen letzteren allen wurde mehr der Nachdruck auf ihr ganzes dramatisches Schaffen gelegt. Seit dem Bestehen des Schillerpreises ist den Entscheidungen der Kommission noch nicht die königliche Bestätigung versagt worden. Dies ist bei Fuldas „Talisman“ zum erstenmal geschehen.†      

Ein Marabut in Verzückung. (Zu dem Bilde S. 89.) Die Glut der afrikanischen Sonne zeitigt ungewöhnliche Arten von Frömmigkeit. Das zeigt unser Bild, zu welchem dem Maler ein von ihm geschauter Vorgang in Tanger an der Nordküste von Afrika den Stoff gegeben hat. Zwar die Worte, die in arabischen Schriftzeichen an der Wand stehen, muten auch uns vertraut an, wenn wir sie uns ins Deutsche übersetzen lassen: „Gott möge Dich beschützen. Möge Gott seinen Segen herabsenden auf Dein Haupt!“ Aber die Erregung, die Leidenschaft derer, die auf dem Bilde uns entgegentreten, versetzen uns unter fremden Himmel. Da fallen die Blicke zuerst auf den Mann, der, verzückt und weltentrückt, den Mittelpunkt des seltsamen Kreises bildet. Es ist ein „Marabut“ – so nennen die mohammedanischen Bewohner des nordwestlichen Afrika jene Fanatiker, die Allah zu Ehren ein „heiliges“ Leben führen, indem sie sich mit aller Glut versenken in die heiligen Dinge und ihre Andacht bis zur Verzückung steigern. Dafür wird ihnen unbedingte Verehrung zu teil, man sieht in ihnen Propheten, denen die Zukunft enthüllt sei, Wunderthäter, die in allerlei Not noch eine letzte Hilfe geben können. Wie tritt auf unserem Bild diese Verehrung auf jedem Gesicht hervor! Der eine berührt mit scheuer Gebärde das zerrissene Gewand des Marabut, als wollte er es küssen, ein anderer, der Alte rechts mit dem grauen Bart, streckt betend und segenflehend seine Hände aus, und im Vordergrund hat sich einer im Ueberschwang seines Gefühls zur Erde geworfen, nur die gefalteten Hände über seinem Kopf deuten an, daß andächtige Schauer ihn erfüllen. Selbst die beiden, die aus dem Koran Gebete murmeln, wenden ihre Augen wie gebannt dem „Heiligen“ zu. Der aber verharrt in seiner Unbeweglichkeit, sein Blick bleibt starr nach oben gerichtet, als schaute er seinen Gott in lebendiger Nähe.

Nächtlicher Kaffeeschank in Berlin. (Zu dem Bilde S. 93.) Das nächtliche Leben in einer Großstadt treibt allerlei sonderbare Blüten. So kann man in der Friedrichstraße zu Berlin des Nachts einen Wagen umherfahren sehen mit einem großen Kessel, aus dem ein Mann ein dampfendes Getränk verzapft. Es ist eine fliegende Kaffeeküche, die ihr Erzeugnis zu 10 Pfennig den Topf an die dort viel verkehrenden Zeitungs- und Streichholzhändler, Blumenverkäuferinnen, Droschkenkutscher, Straßenreiniger u. dergl. abgiebt. In kalten Nächten ist der Wagen stets von einer zahlreichen Kundenschar belagert, und wie in Berlin der Volkswitz gern allem und jedem seine scherzhafte Bezeichnung giebt, so hat er auch für diese nächtliche Kaffeeschenke den stolzen Namen „Café Bauer“ erfunden, in ironischer Anlehnung an das benachbarte wirkliche „Café Bauer“. Aber vielleicht wird manche arme durchkältete Seele bei ihrer Tasse Kaffee auf der vom eisigen Windhauch durchfegten Straße mehr Genuß haben als der flotte Nachtschwärmer bei seinem Schälchen „Melange“ in den wohlig durchwärmten Prachträumen.

Straßenbild aus dem alten Pompeji. (Zu dem Bilde S. 85.) Das alte Pompeji, das im Jahre 79 n. Chr. durch einen furchtbaren Ausbruch des Vesuvs verschüttet, dann um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wieder entdeckt und seitdem zu einem großen Teile – und zwar dem wichtigsten – wieder ausgegraben wurde, bietet für uns Kinder einer anderen Zeit das treueste und anschaulichste Bild einer alten griechisch-italienischen Stadt aus der ersten römischen Kaiserzeit. Mit Vorliebe hat darum auch die Kunst dort ihre Studien gemacht, wenn sie das Privatleben der Römer und römischen Unterthanen jener Zeit zu schildern unternahm. Einmal bevölkerten sich sogar die zweitausendjährigen Ruinen wieder mit festlichem Menschengedränge, die alten Trachten, die alten Sitten lebten wieder auf zwischen den gebrochenen Mauern, als wären die glücklichen Tage des Kaisers Titus zurückgekehrt – es war vor zehn Jahren, als zum Besten der vom Erdbeben schwer geschädigten Bewohner der Insel Ischia jenes antike Kostümfest in Pompeji veranstaltet ward, das die „Gartenlaube“ im Jahrgang 1884, Nr. 25 beschrieb. Auch der italienische Maler, dem wir unser Bildchen verdanken, hat mit der Kraft der Phantasie den Trümmern wieder Leben eingehaucht. Durch die wohlgepflasterte Gasse wandelt die schöne Sklavin mit der bauchigen Amphora, das Blumenmädchen weiß ihr ein zärtliches Geheimnis zuzuflüstern, indes der wohl von griechischer Erde stammende Tabellarius oder Sekretär – auch er nach dem Brauch der Zeit ein Sklave – zu einem durstigen Zug aus dem Inhalt des Wasserkruges sich anschickt. Knechte eines Fechterhauses haben sich zu ihnen gesellt, von denen einer mit großen Buchstaben die Ankündigung des nächsten Gladiatorenspiels an die Wand des mit freundlichem „Salvete“ („Willkommen!“) grüßenden Hauses malt. Ein halbwüchsiger Knabe trägt auf seinem Kopfe ein Brett mit den Farbentöpfen, während im Hintergrund der Laden eines Geflügelhändlers sich aufthut. Ja, so mag es wohl ausgeschaut haben in der altberühmten Colonia Venerea Cornelia Pompeji, in der blühenden Stadt der Venus, ehe der Vesuv sie unter der Asche begrub.


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Inhalt: [ Verzeichnis des Inhalts von Heft 4/1894 - hier nicht dargestellt.]




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_100.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2023)