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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

„Diejenigen Indianer, welche Rohre zum Einsaugen des Tabakrauches verkaufen, schneiden Schilfrohre und reinigen sie von den Blättern. Dann werden sie mit fein zerriebener, nasser Kohle überstrichen und mit Blumen und Tieren, Adlern, Fischen u. dgl. bemalt. Man hat auch solche, deren Malereien erst sichtbar werden, wenn das Rohr gebraucht und vom Feuer verzehrt wird. Manche sind schön vergoldet. Die Rohre werden mit dem trockenen Kraute des Tabaks und verschiedenen aromatischen Kräutern, Rosenblättern, wohlriechenden Gummiarten, gefüllt und angezündet.“ Diese Rauchrohre, deren Abkömmlinge man vielleicht in den noch heute üblichen, mit weißen Zeichnungen, Messingknöpfen, Spiegeln. u. dgl. verzierten Rauchgeräten der Pampasindianer erblicken darf (S. 208), fanden aber in Europa ebensowenig Anklang wie die ersten Cigarren.

Verschiedene Pfeifenformen.
1. Geschnitzter Meerschaumkopf. 2. Ulmer Maserkopf. 3. Schwertpfeife. 4. Holländische Thonpfeife. 5. Göttinger Maserkopf. 6. und 7. Meerschaumpfeifen.

Im Jahre 1512 besuchte der Portugiese Juan Ponce de Leon zum erstenmal das Land Florida. Die Eingeborenen waren dem Tabakrauchen sehr ergeben, aber die Art und Weise, wie sie diesem Genusse frönten, war wieder eine andere. Sie benutzten hohle Gefäße aus gebranntem Thon, in die sie ein Rohr aus Schilf einsetzten. Die Gefäße wurden mit den trockenen Tabakblättern gefüllt, angezündet und der Rauch durch das Rohr eingesogen. Hier lernte man also wirkliche Tabakspfeifen kennen; aber auch sie blieben zunächst unbeachtet.

Holländische Soldatenpfeife aus dem
17. Jahrhundert.

Sechs Jahrzehnte später rüstete der englische Ritter Sir Walter Raleigh eine Expedition aus, um neue Länder in Amerika zu entdecken. Er landete an der Ostküste Nordamerikas, benannte den von ihm in Besitz genommenen Landstrich Viginien, der jungfräulichen Königin Elisabeth zu Ehren, und gründete dort eine Niederlassung. Die englischen Kolonisten traten in nähere Beziehungen zu den Eingeborenen, die ebenso wie die Rothäute in Florida aus thönernen Pfeifen die getrockneten Blätter des Krautes Yppowoc rauchten, nahmen diese Sitte der Wilden an, und ein ehemaliger Lehrer Raleighs, der Mathematiker Thomas Hariot, schrieb aus Virginien die ersten Lobreden auf das Tabakrauchen: der Rauch reinige das Haupt von überflüssigen Feuchtigkeiten, eröffne die Schweißlöcher und andere Gänge des Leibes. Raleighs Kolonie nahm freilich ein frühes Ende, und als im Jahre 1586 der Admiral Francis Drake, von einem Raubzuge in den westindischen Gewässern heimkehrend, sie besuchte, baten ihn die Ansiedler, er möchte sie doch wieder nach England mitnehmen. Am 27. Juli 1586 landeten diese Leute in Plymouth, ein Gegenstand eifrigen Staunens für das Volk, da sie zum erstenmal in England das seltsame Schauspiel des Tabakrauchens aus Pfeifen darboten. An jenem Tage wurde der Bacillus des Tabakrauchens in Europa ausgestreut. Die indianischen Thonpfeifen gefielen; das Beispiel der zurückgekehrten Ansiedler wirkte ansteckend, bald sah man überall in England Leute mit Pfeifen und im Jahre 1598 rauchte man in London bereits in Theatern. Das Kraut selbst wurde aus Amerika bezogen, aber die englischen Töpfer brannten sofort thönerne Pfeifenköpfe im Lande und es entstand alsbald ein Gewerbe der Pfeifenmacher, dem bereits im Jahre 1619 in London Körperschaftsrechte erteilt wurden. Hauptsitz der ersten europäischen Thonpfeifenindustrie wurde die Ortschaft Broseley in Staffordfhire, wo man einen geeigneten Thon fand.

1. Altes Bild eines Cigarrenrauchers. 2. Indianische Friedenspfeife.
3., 4., 5., 6. Altamerikanische Pfeifenköpfe.

Die Verbreitung der Thonpfeife über Albions Grenzen hinaus war zunächst das Werk englischer Studenten, welche die Universität Leiden besuchten. Hier sah man sie bereits um das Jahr 1590 ihre Pfeifen schmauchen, und ihr Beispiel steckte die Holländer an. Schon im Jahre 1610 war der Tabak ein wichtiger Handelsartikel in Holland, und bei Gouda entstand ein neuer Mittelpunkt der Tabakspfeifenindustrie. In der Glanzzeit waren hier an 300 Thonpfeifenfabriken thätig, welche Millionen der einst sehr beliebten holländischen Thonpfeifen (vergl. die nebenstehende Abbildung Nr. 4) alljährlich in die Welt versandten.

Die Thatsache, daß durch das Tabakrauchen Durst und Hunger vorübergehend betäubt werden, machte die Pfeife bald in den Heeren der damaligen Zeit beliebt, und so wurden englische und holländische Truppen zu weiteren Vorkämpfern der Tabakspfeife; sie waren es, welche während des Dreißigjährigen Krieges die Sitte nach Deutschland trugen. In den Jahren 1620 und 1622 sah man englische und holländische Truppen zum erstenmal in Sachsen und in Süddeutschland rauchen, und bald darauf rauchte man auch in den Lagern von Tilly und Wallenstein.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts „trank“ oder „schmauchte“ man in Deutschland den Tabak nur aus Pfeifen, und zwar aus thönernen nach virginisch-indianischem Muster. In einem gereimten „Lob des Tabaks“ aus jener Zeit wird das Gerät des Rauchers ausführlich geschildert. Es heißt darin:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_209.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)