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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


Duett. Aus dem künstlerischen Nachlaß des leider zu früh verstorbenen humorvollen Tierzeichners Gustav Süs ist der „Gartenlaube“ von der Witwe des Künstlers die beifolgende Zeichnung zur Veröffentlichung übergeben worden. Wir hoffen, daß auch die größten Verehrer Mendelssohns unter unsern Lesern und Leserinnen sich der komischen Wirkung dieses Blattes nicht entziehen und dem Humoristen mit dem Zeichenstifte nicht ernstlich grollen werden.

Duett.
Humoreske von G. Süs.

Tafelaufsatz von Karl Winterhalter. (Zu dem Bilde S. 285.) Unter den Erzeugnissen des deutschen Kunstgewerbes, die auf der Weltausstellung zu Chicago zu sehen waren, nahm ein fast einen Meter hoher, silberner, zur Aufnahme von Liqueuren bestimmter Tafelaufsatz von Juwelier Karl Winterhalter in München eine hervorragende Stelle ein. Auf vielfach gebuckeltem Fuß erhebt sich ein schlanker Schaft, dessen aus Laubwerk gebildeter Knauf das fünfteilige, etwa kopfgroße Gefäß trägt; frei getriebene Ranken und Blumen umspinnen das letztere, und dazwischen strecken die fünf durchweg verschieden gestalteten Hähne ihre langen Hälse hervor. Der Kern des Deckels besteht aus der Wurzel eines Elefantenzahnes, dessen merkwürdige Verwachsungen und Durchlöcherungen der Phantasie des Meisters die Anregung gaben, ihn zu einer Felskuppe zu gestalten; auf dieser Kuppe erhebt sich, wiederum aus Silber, eine ganze mittelalterliche Burg mit Türmen und Thoren, Mauern und Erkern, mit Zugbrücke, Brunnen und Kapelle. Wir geben den Oberteil dieses Tafelaufsatzes nach der Abbildung in dem Werke „Das deutsche Kunstgewerbe zur Zeit der Weltausstellung in Chicago 1893“, das Professor Leopold Gmelin im Auftrag des bayerischen Kunstgewerbevereins bearbeitet hat (München, M. Schorß). Der stattliche Prachtband ist geeignet, uns mit Stolz über die glänzende Leistungsfähigkeit des heutigen deutschen Kunstgewerbes zu erfüllen.

Im alten Klostergarten. (Zu dem Bilde S. 289.) Wie weitete er mir das Herz, der Sonnenschein dieser maiduftigen Sonntagsfrühe, als ich bergan stieg in den Rebengeländen des Moselthales! Junges Grün die Fülle, wohin der Blick sich wandte, Vogelstimmen an allen Enden, dazwischen das Geläute ferner Glocken.

Und dort das spitzgieblige, von Baumkronen halb verdeckte Gemäuer mit dem blitzenden Sonnenglanz auf den turmgeschmückten Schieferdächern? Seine Mauern sind zerbröckelt, wuchernder Epheu deckt die Fenster und kriecht an dem eingefallenen Dach entlang. In friedlicher Stille liegt es da wie ausgestorben, nur zahllose Bienen schwärmen in dem Blütenmeere der verwachsenen Bäume und Gesträuche und ein paar Stare schwirren geschäftig umher, ihre Nester in den aufgesteckten Starenhäuschen bereitend.

Lange saß ich da mit meinem Skizzenbuche, ganz verloren in den Reiz dieses kleinen verwilderten Idylls. Endlich erweckten mich fröhliche Kinderstimmen. Zwei kleine Mädchen kamen die Stufen vor dem Hause herabgetrippelt, einer Katze nach, die in munteren Sprüngen vorauseilte. Als die Kinder meiner ansichtig wurden, kauerten sie still sich nieder am Wasserbecken nahe dem alten verwetterten Ziehbrunnen, mit wilden Rosen sich schmückend und dazwischen mich mit neugierigen Blicken musternd – eine reizende Staffage! Mein Bild war fertig.

„Wem gehört dies Haus und der Garten?“ frug ich später die rüstige Alte, die gekommen war, die Kinder zu holen. Und von ihr erfuhr ich dann hinter einem Glase Moselwein die Geschichte des seltsam romantisch dreinschauenden Hauses. Vor langen Jahren hatten es sich die geistlichen Herren von dem Kloster im Thal hier oben als Sommerhaus gebaut. Als unter den Drangsalen der Franzosenzeit Gebäude und Liegenschaften des Klosters gebrandschatzt und verschleudert wurden, da geriet auch unser Sommerhaus in fremden Besitz, wanderte von Hand zu Hand, bis es eines wackeren Wirtes Eigentum ward. Damals ging’s lustig zu im Hause. Im Sommer und Herbst kamen die Maler und die Studenten und Wanderfreunde aus aller Herren Ländern, durch die mondhellen Nächte hallten die Lieder von der Höhe ins Thal – was aber den Leuten die Herzen so warm und die Gedanken so fröhlich machte, das war nicht bloß des Wirtes goldener Wein, das war auch des Wirtes goldblondes Töchterlein. Und eines Tages geschah’s, daß solch ein fremder Gast von weit her wiederkam und das blonde Kind zum Weibe sich erbat. Mit schwerem Herzen fügte sich der Vater, sein Liebling zog mit dem Manne hinüber übers Meer, begleitet von heißen Segenswünschen. Sie sollten an ihr nicht in Erfüllung gehen! Krankheit kam und Unglück – und von bitterem Heimweh verzehrt, starb das arme Geschöpf fern von der Heimat im fremden Lande. Der Vater hat den Schlag nicht mehr verwunden. Sein Haus zerfiel, sein Garten verwilderte, seine Habe schmolz zusammen – er merkte es nicht und wehrte sich nicht; vor ein paar Jahren hat ihn der Tod erlöst von seinem Kummer. „Da haben wir uns denn vor einem Monat das alte Gerümpel gekauft“ – schloß die Frau ihren Bericht – „und wenn es gut geht mit der Wirtschaft und der Wein gerät im Mosellande, dann soll’s auch hier wieder besser werden und lustiger.“

Ich aber hatte im Herzen den Wunsch, es möchte alles so bleiben, wie ich es an diesem herrlichen Sonntagmorgen geschaut, das ganze träumerisch schöne Bild vom verlassenen Klostergarten! R. P.     

Leonardo da Vincis Selbstbildnis. (Zu unserer Kunstbeilage). In der berühmten Galerie der Uffizien zu Florenz befinden sich zwei Säle, die ganz mit Künstlerbildnissen angefüllt sind, und zwar meist mit Selbstbildnissen. Zu den berühmtesten Stücken dieser Sammlung gehört auch das Porträt Leonardo da Vincis, das unsere heutige Kunstbeilage wiedergiebt. Es zeigt uns den berühmten Florentiner, der unter den vielseitigen Genies der Renaissance das vielseitigste war, der als Maler schon allein durch die Schöpfung des „Heiligen Abendmahls“ in dem Refektorium von Santa Maria delle Grazie in Mailand sich die Unsterblichkeit erwarb und zugleich als Plastiker und Baumeister, als Ingenieur, Mathematiker und Naturforscher, als Sänger und Lautenspieler, als Dichter und Improvisator sich auszeichnete und durch Schönheit, Kraft, Gewandtheit, durch Geist und Witz alle Zeitgenossen bezauberte, die in den Bannkreis seiner Persönlichkeit gerieten. Daß das Bild von Leonardo selbst gemalt sei, wird zwar von einigen Gelehrten bestritten; alte Ueberlieferung aber bezeichnet es als Selbstbildnis, und jedenfalls wird daran nicht gezweifelt, daß es die Züge des genialen Mannes der Wahrheit getreu wiedergebe.


Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Neue Gedichte.
Von Emil Rittershaus.
5. Auflage.
Preis elegant gebunden mit Goldschnitt 6 Mark 50 Pf.

Emil Rittershaus ist längst ein vielgefeierter und beliebter Dichter, fehlt er doch nie mit seinem Liede, wenn es gilt, ein Ereignis der Zeit zu erfassen und im Herzen des Volkes zur verständnisvollen Geltung zu bringen. Wir empfehlen die obige, bereits in 5. Auflage erschienene Sammlung aufs wärmste zur Anschaffung für die Hausbibliothek.

Zu beziehen durch die meisten Buchhandlungen.



manicula Hierzu Kunstbeilage V: Leonardo da Vincis Selbstbildnis.

Inhalt: Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (16. Fortsetzung). S. 277. – Zum Gruße. Bild S. 277. – Schultheiß Wengi verhindert den Religionskrieg in Solothurn 1533. Bild. S. 280 und 281. – Schwerhörige Kinder. Ein Wort an Eltern und Lehrer. S. 283. – Havarien. Von W. Berdrow. S. 283. – Silberner Tafelaufsatz. Bild. S. 285. – Die Perle. Roman von Marie Bernhard (16. Fortsetzung). S. 286. – Im alten Klostergarten. Bild S. 289. – Blätter und Blüten: E. Werners neuer Roman. S. 291 – Steigerung der Kartoffelerträge. S. 291. – Schultheiß Wengi verhindert den Religionskrieg in Solothurn. S. 291. (Zu dem Bilde S. 280 und 281.) – Duett. S. 292. (Mit Abbildung.) – Tafelaufsatz von Karl Winterhalter. S. 292. (Zu dem Bilde S. 285.) – Im alten Klostergarten. S. 292. (Zu dem Bilde S. 289.) – Leonardo da Vincis Selbstbildnis. S. 292. (Zu unserer Kunstbeilage.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_292.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)