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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

als eine Freistatt der von Leipzig Verbannten; an der Saale erstand das Heim einer freieren Wissenschaft, die an der Pleiße in Acht erklärt worden war.

Unmerklich wuchs aus der Ritterakademie, zu welcher außer Thomasius und Francke auch andere Lehrkräfte herangezogen wurden, die Universität heraus. Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, nachher als Friedrich I. erster König von Preußen, Gemahl der geistvollen Königin Sophie Charlotte, war bei aller körperlichen Schwächlichkeit doch ein geistig hochstrebender Fürst, der nicht bloß nach äußerem Prunk und Glanz, sondern auch nach dem Ruhm strebte, ein Förderer der Wissenschaft zu sein. Die Gründung einer Universität in Halle lag schon längere Zeit in der Luft; der Große Kurfürst dachte wenigstens an die Errichtung einer allgemeinen Landesschule; als Friedrich III. mit dem Plane Ernst machte, kam ihm die bestehende Ritterakademie, die einen Stamm von Lehrern und Schülern hatte, sehr zu statten. Als Friedrich 1691, von Karlsbad zurückkehrend, von berittenen Zöglingen der Akademie eingeholt wurde, bestärkte ihn dies in seinem Vorhaben und er sprach alsbald in einem Erlaß seine Absicht aus. Zur Seite stand ihm dabei der später mit so schnödem Undank belohnte Minister Eberhard von Danckelmann, ein stolzer düsterer Herr, aber hochverdient um den Staat durch die eifrige Fürsorge für alle wichtigen Angelegenheiten, auch die wissenschaftlichen Anstalten. Ein zweiter Erlaß bestimmte die ersten Berufungen der Professoren, ihre Gehälter sowie die Summe zur Unterstützung bedürftiger Studenten, die Einrichtung eines theologischen Seminars; er setzte ferner fest, daß den juristischen Studenten zu ihrer praktischen Ausbildung der Zutritt zu den dortigen Gerichts- und Verwaltungsbehörden gestattet werden solle. Die allgemeine Leitung übertrug Friedrich dem zum Kanzler ernannten Veit Ludwig von Seckendorff, einem durch Gelehrsamkeit und edle Gesinnung gleich ausgezeichneten Manne, der aber schon gegen Ende desselben Jahres 1692, in welchem er sein Amt angetreten hatte, verstarb. Kleinliche Intriguen traten der Gründung der Universität und den Anfängen ihres Wirkens entgegen; die Konsistorien nahmen die Bevormundung der Theologen, der Professoren und Studenten, für sich in Anspruch; merkwürdigerweise begrüßte auch die Stadt Halle die Anlage der Universität keineswegs mit freudiger Zustimmung. Schon 1690 hatte sie über die Hergabe städtischer Gebäude, namentlich des geräumigen und für öffentliche Feste benutzten Wagehauses, zu Lehrzwecken heftigen Streit geführt; sie fürchtete die Kosten, welche die neue Anstalt verursachen würde, und legte im November 1693 Einspruch gegen deren Sonderrechte ein. Doch Friedrich ließ sich durch keinerlei Widerstand beirren; es gelang ihm, am 19. Oktober 1693 die kaiserliche Bestätigung für seine Stiftung zu erhalten und am 1. Juli[1] 1694 fand die feierliche Einweihung derselben statt.

Christian Thomasius.   Aug. Herm. Francke.   Christian Wolff.

Derartige Feste waren ganz nach dem Geschmack des Kurfürsten: noch auf ihrem Sterbebette tröstete die geniale Kurfürstin sich und andere mit dem Gedanken, daß sie ihrem Gatten Gelegenheit gebe, ein prunkvolles Leichenbegängnis zu veranstalten und mitanzusehen. So lag ihm auch eine glänzende Feier bei der Einweihung der Halleschen Universität besonders am Herzen. Die Stände des Herzogtums Magdeburg, die fremden und die übrigen inländischen Universitäten wurden besonders eingeladen. Der Kurfürst traf am 30. Juni in Trotha bei Halle ein, der schon in der Stadt weilende Hofstaat zog ihm entgegen, ebenso 150 Studenten zu Pferde und die Halloren. Dreyhaupt liefert in seinen ehrwürdigen Folianten, welche die Geschichte des Saalkreises behandeln, von dem Einzug in die Stadt, sowie von allen darauffolgenden Feierlichkeiten eine genaue Beschreibung, welche uns von der Prachtliebe des Fürsten und den geschickten Anordnungen seines Ceremonienmeisters von Besser ein anschauliches Bild giebt. Den Einzug eröffneten Jäger zu Pferde, dann folgten zwei Kompagnien Halloren und drei Kompagnien kurfürstlicher Trabanten in ihren prächtigen Röcken, die eine auf weißen, die andere auf schwarzen, die dritte auf braunen Pferden; dann kamen die Kutschen der Landstände, dreißig an der Zahl, die Pagen, die Studenten, wohlgekleidet und wohlberitten, die Degen in der Hand, die Pauker und Trompeter, die Hofkavaliere; der Stadtrat schloß sich am Thor der äußeren Vorstadt dem Zuge an, die Professoren am innern Stadtthor; der Kurfürst und sein Bruder, Markgraf Philipp, der Statthalter von Magdeburg, fuhren in einer über und über vergoldeten Chaise, von sechs isabellenfarbenen Pferden gezogen und von Trabanten mit vergoldeten Hellebarden umgeben. Die Bürgerschaft der drei Städte Halle, Glaucha und Neumarkt stand vom äußersten Thor bis an die Residenz im Gewehr. An einer prachtvollen Ehrenpforte, reich mit Sinnbildern und Statuen und den Bildnissen der vier Kurfürsten geschmückt, welche die vier brandenburgischen Universitäten Halle, Duisburg, Frankfurt an der Oder und Königsberg gegründet hatten, hielt der Student v. Rochow die Begrüßungsrede. Am Tage der Einweihung selbst begab sich der Kurfürst mit seinem Gefolge in die „Alte Wage“ auf den Marktplatze, übergab den Professoren den mit Bildern geschmückten, für akademische Feierlichkeiten bestimmten Festsaal und die Hörsäle. Von hier bewegte sich der Festzug nach der Domkirche; es beteiligten sich daran etwa 2000 Studenten, von denen 700 damals in Halle studierten. Die Professoren erschienen in langen Talaren oder Chorröcken von verschiedenfarbigem Tuch je nach den Fakultäten; der Hut und Mantel des Rektors waren von feinstem Sammet, mit goldnen Posamenten besetzt. Die Professoren wurden an diesem Ehrentage der jungen Universität von je zwei kurfürstlichen Räten begleitet. Acht Grafen, welche auf der Universität studierten, trugen die Insignien derselben auf acht karmoisinroten, mit goldenen Franzen besetzten Sammetkissen; die zahlreichen Herolde, welche die einzelnen Gruppen des Zuges leiteten, waren Hallesche Bürger von ansehnlicher, gleicher Größe, in gold- und silbergestickten Wappenröcken, auf jedem das Wappen einer Provinz, mit gekrönten, silbernen achtpfündigen Heroldstäben in den Händen und Federbüschen auf den Hüten. Bürger in Waffen bildeten Spalier und alle Glocken läuteten; zudem waren Einrichtungen getroffen, um auf den Estraden allen Abstufungen des Ranges von den Fürstlichkeiten abwärts gerecht zu werden. Nach der Predigt hielt der Geheime Rat von Fuchs die lateinische Festrede und verkündete die Namen der neuangestellten Professoren der „Friedrichsuniversität“, denen dann von dem Staatssekretär Ilgen der Eid abgenommen wurde. Volksbelustigungen beschlossen den festlichen Tag.

Fast alle, welche über die Geschichte der deutschen Wissenschaften geschrieben haben, heben die Bedeutung der Halleschen Universität hervor, die, nach einen Ausspruch Giesebrechts, einen Einfluß auf die Nation ausgeübt, wie man ihn seit der Blütezeit Wittenbergs keiner anderen Universität habe nachrühmen können.

  1. Alten Stils. Der Gregorianische Kalender wurde im evangelischen Deutschland erst 1700 eingeführt. Auf den neuen Stil berechnet ist es der 12. Juli.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_379.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2022)