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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Die Lotte, die Lotte.

Just, wenn ich bei der Arbeit bin,
Gedankenerz zu schürfen,
Mir vielerlei huscht durch den Sinn
Von Plänen und Entwürfen,
Kaum daß ich noch mein Buch aufschlug,
Kaum that ich einen Federzug,
So kommt mein Kind, die Lotte;
So geht es draußen trippetrapp
Und an der Thüre klippeklapp –
Husch! fliegt herein die Lotte!

Sie hüpft im Nu mir auf den Schoß
Und streichelt mir die Wangen;
Die braunen Augen, klug und groß,
Die lachen vor Verlangen.
Am Ohr mir und am Barte zupft,
Mit Rotstift aufs Geschrieb’ne tupft
Mein wildes Kind, die Lotte.
Auf meinem Schreibtisch kreuz und quer
Wirft sie die Bücher hin und her,
Die Lotte, die Lotte!

Sie bettet ihre Puppen fein
In meinem Bücherschränke –
Von Arbeit und Gesammeltsein
Ist nunmehr kein Gedanke.
Statt, daß ich tüchtig schelten soll,
Treib’ ich es selber nun wie toll
Mit meiner süßen Lotte.
Durch Flur und Zimmer, trallalla,
Hüpft lustig immer, Hoppsassa,
Papa mit seiner Lotte!

Als Hottepferd lauf’ ich dahin
Mit Tändelei und Necken;
Und wenn ich außer Atem bin,
So spielen wir Verstecken.
Macht ihr auch dies nicht Freude mehr,
Schleppt sie ein Bilderbuch daher,
Die wißbegier’ge Lotte.
Und nun erklär’ ich: eins-zwei-drei,
Die bunten Bilder nach der Reih’
Der Lotte, der Lotte!

Sie lacht – das klingt so frisch und hell!
Und ach, wie nett sie plappert!
Der Brummbär tanzt, der Pulcinell,
Die Klappermühle klappert! –
Wie sieht’s in meinem Zimmer aus!
Drunter und drüber, wirr und kraus
Warf alles meine Lotte.
Am Ende aber, Hopphopphopp,
Tanz’ ich mit ihr hinaus Galopp
Und bring’ ins Bett die Lotte!

Nun hab’ ich endlich Ruh’ im Haus
Und greif’ zur Feder wieder;
Doch mit der Sammlung ist es aus –
Nichts Kluges schreib’ ich nieder,
Vor meinen Augen mit Gesumm’
Schwirrt immer noch und spielt herum
Mein Kind, die wilde Lotte.
Und daß ich heut’ nichts schreiben kann:
Die Schuld hat ganz allein daran
Die Lotte, die Lotte!

 Richard Zoozmann.


Das Ende eines königlichen Abenteurers.

Von Eduard Schulte.

Als Napoleon im April des Jahres 1814 zur Abdankung gezwungen wurde, waren die Königsthrone, welche er für seine Verwandten errichtet hatte, längst zusammengebrochen. Nur der Gemahl seiner Schwester Karoline, Joachim Murat, behauptete sich noch über ein Jahr lang auf dem Thron von Neapel.

Freilich war dies letzte Regierungsjahr Murats zunächst nur eine Gnadenfrist, die er sich von den gegen Napoleon verbündeten Mächten dadurch erkauft hatte, daß er sich ihnen im Kampf gegen Frankreich angeschlossen; er ließ sich schon im Januar 1814 von Vertretern der österreichischen Regierung zusagen, daß die Verbündeten ihn dauernd als König von Neapel anerkennen würden, wenn er die französische Herrschaft in Mittel- und Oberitalien stürzen helfe, und er sandte nun eine Kriegserklärung an den Stellvertreter Napoleons in Italien, den in Mailand herrschenden Vizekönig Eugen. Der Wunsch, den Thron sich und seinen Kindern auch nach dem Sturze Napoleons zu erhalten, mußte in Murats Augen den Uebertritt zu den Verbündeten rechtfertigen oder wenigstens entschuldigen, aber wohl war ihm bei der Sache doch nicht. Der Schritt, den er nun gethan hatte, war ein Verrat an dem Kaiser, seinem Wohlthäter, und konnte nicht geeignet sein, das Mißtrauen zu entwaffnen, das seine neuen Verbündeten gegen ihn hegten. Er empfand das Unnatürliche seiner Lage, und das lähmte seine Entschließungen. Lässig, schwankend und zweideutig in der Erfüllung der von den Verbündeten ihm zugewiesenen Aufgabe und seinerseits von ihnen mit merklicher Kühle behandelt, trat er wieder auf die Seite Napoleons zurück, als die Kunde kam, daß dieser von Elba her an der französischen Küste gelandet sei und an der Spitze seiner alten Soldaten das Kaiserreich wieder aufrichte. Großer Pläne voll, rief Murat, der Rom und Florenz besetzt hatte, zu Ende März 1815 die Italiener auf, sich als ein einiges Volk zu erheben und ihre Unabhängigkeit zu erkämpfen.

Unleugbar war dieser Aufruf eine weltgeschichtliche That. Zum

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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_425.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)