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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Nr. 26.   1894.
      Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.


Die Martinsklause.
Roman aus dem 12. Jahrhundert.
Von Ludwig Ganghofer.
(25. Fortsetzung.)


Henning sprang seiner Schwester in den Weg, und schmähend umringten sie die Brüder. „Wohin willst Du?“ Wortlos stand sie, und schreiend wiederholte Henning seine Frage. „Wohin willst Du?“

„Meine Heimat suchen!“ erwiderte Recka mit dumpfer Stimme. „Ich find’ sie wohl bei meiner Mutter!“

„Oder näher noch! Beim Fischer! Gelt, es möcht’ Dir taugen bei ihm? Weg von der Thür ... Du bleibst!“

„So gieb ihr den Weg doch frei!“ klang Eilberts Stimme aus dem Geschrei der Brüder. „Lieber sitzt sie mit am Tisch des Fischers als mit uns vor der gleichen Schüssel. Gieb ihr den Weg doch frei ... er wird ja lachen, wenn sie kommt.“

„Ich sag’, sie bleibt!“ schrie Henning und schleuderte die Schwester von der Thür zurück. „Sie bleibt, so lange des Fischers Haus noch steht. Oder soll sie es halten mit ihm ... wider uns?“

Taumelnd unter dem Stoß, welchen Henning ihr versetzte, war Recka neben dem Tisch auf einen Sessel gefallen. Sie versuchte nicht, sich wieder aufzurichten, zitternd an allen Gliedern saß sie und hielt das Gesicht mit den Händen bedeckt. Henning trat zu ihr und schüttelte sie am Arm. Doch Herr Waze, der das Haupt bedeckt und einen Mantel umgeworfen hatte, schob ihn zurück. „Jetzt macht ein End’ mit dem Geschrei! Kehr’ ich heim zur Nacht, so will ich raiten mit ihr. Jetzt aber haben wir Besseres zu schaffen! Fort mit Euch! Die Wehr’ an jeden Gurt, den Sattel auf jedes Roß! Wir reiten!“

„Wohin, Vater, wohin?“ schrien die Brüder durcheinander.

„Das fragt Ihr noch?“ Herr Waze lachte. Hell und scharf klang seine Stimme, sein ganzes Wesen war verwandelt, und die Faust, die er hob, schien wie aus Erz gegossen. „Den Vogel fang’ ich wieder ein, dem Euere Schwester den Käfig aufgethan! Jetzt weiß ich: hätt’ ihm nicht die Dirn’ geholfen ... er hätt’ wohl lang’ gewartet auf einen Heiligen! Jetzt wird er laufen wollen und Klag’ tragen zum Herzog oder zum Reich. Ich will ihm den Weg verlegen ... und wie der Würfel fallt, so mag er fallen. Jetzt weiß ich: ich hab’ nur Menschen wider mich, ich bin auf meine gute Kraft gestellt, und so lang’ ich noch eine Faust hab’, schlag’ ich zu! Der Salzburger soll lachen zu der Arbeit, die ich mach’. Was steht Ihr noch all’weil’? Fort mit Euch! Fort!“

Während die Brüder lärmend in ihre Stuben eilten, hob Herr Waze den Jagdspeer von der Erde, stieß die alte Magd mit einem Fußtritt aus seinem Weg und blieb vor Recka stehen. „Dirn’! Schier mein’ ich, ich müßt’ Dir noch danken für das Wort, das Du heut’ geredet hast. Es hat mir den Nebel aus dem Hirn geblasen und hat mir die Knochen zu Eisen gemacht!“ Er puffte mit der Faust an Reckas Schulter, und lachend schritt er in die Halle hinaus.

Ueber dem Burghof lag schon der weiße Morgen. Eintönig rauschten in aller Runde die Bäche, kein Lufthauch rührte sich, und wolkenlos dehnte sich der Himmel über die mit silberigem Schnee behangenen Berge, deren höchste Zinnen im rosigen Glanz erschimmerten. Immer tiefer glitt auf den Bergspitzen der rote Glanz, und wachsende Helle goß sich über den Himmel aus; zuweilen


Emanuel Lasker und Wilhelm Steinitz.
Adolf Anderssen.     Paul Morphy. Joh. Herm. Zukertort.     Louis Paulsen.
Meister des Schachspiels.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_429.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2021)