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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

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Die „Kieler Woche.“

Mit Zeichnungen von Fritz Stoltenberg.

Salut bei der Ankunft des Kaiserpaares.

Eine ganz besondere Vorliebe, die Kaiser Wilhelm II. allen seemännischen Angelegenheiten widmet, hat auch dem Segelsport in deutschen Gewässern einen bemerkenswerten Aufschwung gebracht. Wohl giebt es seit vielen Jahren auch in Deutschland Jachtenbesitzer und Segelregatten, aber erst in neuester Zeit haben sich die großen dem Segelvergnügen huldigenden Vereine, der Norddeutsche Regattaverein in Hamburg und der Kaiserliche Jachtklub in Kiel, so zu fühlen begonnen, daß sie mit den Engländern in Wettbewerb traten und in der „Kieler Woche“ ein Regattenschauspiel schufen, das den Vergleich mit der berühmten „Cowes-Woche“ in England nicht zu scheuen brauchte. Zum erstenmal erschienen auch fremde Gäste, namentlich Engländer, in größerer Anzahl am Start, ein Beweis, wie sehr die Rennpreise von der Kieler Föhrde in der internationalen Wertschätzung gestiegen sind.

Prachtvoller Sonnenschein strahlte über der Bucht die ganze Woche hindurch. Aber der Sonnenschein, so sehr er das Bild belebt und verschönt, ist doch für den Segler nur ein sehr unwesentlicher Bestandteil des Wetters. „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind“ – das ist der Herrscher, von dessen Gnade alles abhängt auf dem flüssigen Rennfelde. Und seine Gnade war sehr wechselnd in den Regattatagen vom 23. bis zum 30. Juni. Einmal, am 28. Juni, blies er so schwach, daß die Boote zum Teil von Dampfern und Torpedobooten in den Hafen geschleppt werden mußten, nachdem sie 10 Stunden lang vergeblich alle Leinwand ausgebreitet. Und ein andermal, am 26. Juni, war er so kräftig, daß gar manchem der Zuschauer an Bord der begleitenden Personendampfer das Herz sehr, sehr tief sank. Doch wir wollen nicht vorgreifen.

Die Festlichkeiten der „Kieler Woche“ nahmen ihren Anfang mit dem Einzug des Kaiserpaares und des Prinzen Adalbert am Freitag den 22. Juni. In der Mitte des Kriegshafens lagen in langer Front die mächtigen Panzerkolosse, die weißleuchtenden Schulschiffe und die flinken Avisos, wohl 25 größere Kriegsfahrzeuge, während in einer zweiten Linie näher dem Ufer die Jachten, die an den Wettfahrten sich beteiligen wollten, bis zu den Toppen beflaggt, sich aufreihten. Etwa um 4 Uhr nachmittags mochte es sein, als unter dem Donner der Geschütze sämtlicher im Hafen ankernden Kriegsschiffe, unter den Klängen des Präsentiermarsches von allen Verdecken, unter dem Hurra der Mannschaften und dem Jubel der Menschenmassen am Ufer das blaue Kaiserboot auf die „Hohenzollern“ zusteuerte, den Kaiser, seine Gemahlin und seinen dritten Sohn an Bord zu führen.

Gleich am folgenden Tage begannen die Wettfahrten mit der Segelregatta des Norddeutschen Regattavereins, an der sich nicht weniger als 30 Jachten beteiligten. Unser Bild S. 537 zeigt uns die stolze Flottille in ihrer ganzen Pracht. Da nur ein mäßiger Wind wehte, so setzten die Boote gleich nach dem Start alle Leinwand bei, die sie nur tragen konnten, und so ergab sich der großartige Anblick, den unser Künstler festgehalten hat. Der „Meteor“ mit dem Kaiser und der Kaiserin an Bord übernahm sehr bald die Führung. Er gehört zu den Jachteu der Ia Klasse, d. h. zu denen, die am meisten „Segeleinheiten“ aufweisen, oder mit anderen Worten, die dem Wind im Verhältnis zu ihrem größten Querschnitt unter der Wasserlinie am meisten Segelfläche zu bieten imstande sind; der „Meteor“ hatte darin bei den Kieler Rennen nur einen Genossen, den „Wiking“ des Earl of Caledon, der indessen bei dem flauen Wind am 23. etwas zurückblieb und überdies an der ersten Segelmarke, der Heulboje, auf der falschen Seite vorbeifuhr, worauf er das Rennen aufgab. Auch die „Mücke“ des Herrn Ziese in Elbing hatte dasselbe Mißgeschick. Sie ließ sich aber nicht irremachen, kehrte um und nahm die Boje von der richtigen Seite.

„Carina.“   „Wiking.“   „Meteor.“

Die Regatta am 26. Juni.
Bei der Heulboje.

Der „Irene“ des Prinzen Heinrich begegnete das Unglück, daß ihr die Verlängerung des Mastes, die sogenannte „Stänge“, brach, so daß man plötzlich das Toppsegel herunterwehen sah. Allein Prinz Heinrich, der seine Jacht stets selbst steuert, gab das Rennen deshalb nicht auf, obwohl er keine Aussichten mehr hatte. Die „Mücke“, die „Irene“ sowie die auf unserem Bilde S. 537 noch weiter sichtbaren Jachten „Varuna“, „Carina“ und „Lais“ gehören sämtlich der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_541.jpg&oldid=- (Version vom 16.10.2022)