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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

er nicht zur Verwirklichung zu bringen – bis zum Ende seiner Tage hatte er gegen auswärtige Feinde wie gegen widerspenstige Vasallen das Schwert zu führen.

Zu den Männern, die Heinrich III. wohl am meisten Schwierigkeiten bereiteten und am längsten Trotz boten, gehört Herzog Gottfried von Oberlothringen, der nach seines Vaters Tode auch Niederlothringen für sich in Anspruch nahm. Dieser ewig unruhige und fehdebereite Fürst hatte nun zur Unterstützung seiner Pläne hochverräterische Verbindungen angeknüpft mit König Heinrich I. von Frankreich, dem es ganz gelegen gekommen wäre, Lothringen für Frankreich zu gewinnen. Einmal wurde des Franzosenkönigs Absicht, Aachen zu überfallen, nur durch den Ausbruch innerer Unruhen im französischen Reiche vereitelt.

Wohl gelang es dem deutschen Kaiser später, im Jahre 1048, mit dem begehrlichen Nachbar ein Abkommen zu schließen, das diesen von Gottfried trennte. Allein der französische Heinrich war ein unzuverlässiger Herr, und der Kaiser sah sich 1056, im letzten Jahre seines Lebens, genötigt, bei einer neuen Zusammenkunft zu Ivois am Chiers, eiuem Nebenflusse der Maas, auf die Erfüllung der eingegangenen Versprechungen zu dringen. Der französische König weigerte sich anfangs, diese überhaupt anzuerkennen, durch Eideshelfer, welche die Wahrheit seiner Aussagen bekräftigen sollten, und durch Urkunden suchte er sich als den rechtmäßigen Herrn von Lothringen zu erweisen. Allein Kaiser Heinrich ließ ihn nicht so leichten Kaufs davonkommen. Als alles Verhandeln nichts mehr half, warf der Deutsche dem Franzosen den Fehdehandschuh vor die Füße und forderte ihn nach ritterlichem Brauche zum Zweikampf, um sein Recht mit den Waffen zu erhärten. Ob der König nun fürchtete, in diesem Zweikampf zu unterliegen, oder ob er andere Gründe hatte, genug, er gab seine Sache verloren und entfernte sich samt seinem Gefolge heimlich bei Nacht und Nebel.

Unser Bild von Fritz Roeber stellt den Augenblick dar, wo König Heinrich unter der Wucht von Kaiser Heinrichs kühner Herausforderung in sich zusammensinkt. Die beteuernd erhobenen Schwurfinger seiner Eideshelfer vermögen ihn über das Gefährliche seiner Lage nicht hinwegzutäuschen, beängstigend klingen die kriegerischen Drohungen der Deutschen an sein Ohr. Machtvoll gebietend aber steht Kaiser Heinrich da, die Linke am Schwert, mit der Rechten auf den hingeworfenen Handschuh weisend – ganz Größe, ganz Rechtsbewußtsein gegenüber dem peinlichen Bilde zusammengebrochenen Hochmuts.

Joseph Hyrtl †. Südlich von Wien, angelehnt an die Hänge des Wiener Waldes, liegt der anmutige Flecken Perchtoldsdorf. Dort lebte seit 20 Jahren in stiller Zurückgezogenheit der Mann, zu dem ganze Generationen von Medizinern als zu ihrem ersten Lehrer aufschauen – Joseph Hyrtl. Bei einem halbverfallenen burgartigen Bau inmitten des Orts hatte er sich ein trauliches Heim gegründet, das nur seine treue Gattin, eine feinsinnige Dichterin, mit ihm teilte; wenige vertraute Freunde bildeten seinen Umgang. So lange das schwindende Licht seiner Augen es ihm erlaubte, setzte er seine wissenschaftlichen Forschungen fort, für die er sich in dem alten, unmittelbar an den Friedhof anstoßenden Gemäuer eine seltsame Studierstube geschaffen hatte. Wie ein Patriarch erschien er mit dem großen weißen Vollbart, den leider keines seiner Bilder zeigt, da er sich seit vielen Jahren nicht mehr photographieren ließ. Gewöhnlich trug er ein langes talarähnliches Gewand, das er von der Gewohnheit des Lehrsaals her beibehalten hatte, das Haupt war tief beschattet mit einem grünen Schirm oder einem breitkrämpigen Hut, der leidenden Augen wegen. Warme Verehrung aber genoß er in den Herzen der Perchtoldsdorfer, für deren Kinder er, der Kinderlose, durch Stiftung einer Schule und eines Asyls in freigebiger Weise gesorgt hatte; wie ja auch ein Waisenhaus im benachbarten Mödling und namhafte Stipendien für Studierende der Wiener Hochschule von seinem hochherzigen Wohlthätigkeitssinne Zeugnis ablegen.

Joseph Hyrtl.
† 17. Juli 1894.

Joseph Hyrtl hat nun auch dem Gesetze alles Lebenden sich beugen müssen – am Morgen des 17. Juli ist er, plötzlich und unvermittelt, einem Herzschlag erlegen. Dank einer äußerst regelmäßigen Lebensweise hatte er seinen Körper bis in das hohe Alter von 831/2 Jahren frisch erhalten.

Hyrtls wissenschaftliche Verdienste liegen, wie man weiß, hauptsächlich auf dem Gebiete der Anatomie. Schon als junger Mann von 23 Jahren war er Prosektor an der Wiener Anatomie, 1837 wurde er Professor in Prag, kehrte 1845 nach Wien zurück, dessen Hochschule er von da ab bis 1874 treu blieb. Berühmt sind seine anatomischen Lehrbücher, von denen eines es bis auf 20 Auflagen gebracht hat, und seine anatomischen Präparate, die er meisterhaft herzustellen verstand und mit denen er die Universitäten der halben Welt versorgte. Als Lehrer war Hyrtl von ungemeinem Einfluß. Seine Vorträge, die er mit köstlichem Humor zu würzen pflegte, während er äußerlich unerschütterliche Würde und Ruhe bewahrte, waren von bewundernswerter Klarheit, ein unschätzbarer Vorzug, wenn man daran denkt, daß der Anatomie in der Regel gerade die Anfänger im medizinischen Studium sich zuwenden.

Als Hyrtl am 7. Dezember 1890 seinen 80. Geburtstag feierte – er war 1810 zu Eisenstadt in Ungarn geboren – da entließ er die Freunde, die ihn besucht hatten, mit dem heiteren Gruße: „Auf Wiedersehen in zehn Jahren!“ Das aber ist dem Einsiedler von Perchtoldsdorf nun doch nicht mehr beschieden gewesen. Der Tod, mit dessen Anblick ihn Beruf und Leben so vertraut gemacht, hat ihn früher abgerufen aus seinem ungewöhnlich reichen und gesegneten Dasein.

Der „deutsche und österreichische Alpenverein“ hält vom 8. bis 11. August seine 21. Generalversammlung zu München mit ganz besonderer Feierlichkeit ab. Sind es doch heuer 25 Jahre, seit in der Jsarstadt die Sektion München und der „deutsche Alpenverein“ ins Leben trat, der sich dann infolge seines Zusammenschlusses mit dem sieben Jahre früher gegründeten „österreichischen Alpenverein“ zu einem mächtigen, die beiden Reiche umschließenden Verband entwickelt und von allen alpinen Vereinigungen weitaus die größte Bedeutung gewonnen hat. Nicht weniger als 214 Sektionen zählt er heute, die von Königsberg bis Triest, von Metz bis Wien sich erstrecken, und die Mitgliederzahl übersteigt die 30000. Wenn die österreichischen und bayerischen Alpenländer heute dem fremden Wanderer in geradezu vorbildlicher Weise zugänglich gemacht sind, so gebührt ein wesentliches Verdienst hieran den Männern vom silbernen Edelweiß. In litterarischen Veröffentlichungen mannigfacher Art weckt und nährt der Verein den Sinn für die Schönheiten des von ihm in Pflege genommenen Gebiets, er bildet den Mittelpunkt für seine wissenschaftliche Erforschung, giebt vortreffliche Kartenwerke heraus und hat eine musterhafte Organisation des Führerwesens geschaffen.

Durch seine Wegbauten öffnet er auch dem weniger geübten Bergsteiger sonst verschlossene Pfade, ganze Straßen sind auf seine Anregung und mit seiner Unterstützung gebaut worden, auf denen ein frischer Verkehrsstrom in seither abgelegene Winkel sich ergießt, und seine Schutzhütten, gegen 150 an der Zahl, bieten in unwirtlicher Einöde willkommene Stätten der Ruhe und Stützpunkte für neue Wanderungen. Und nicht bloß das! Durch eine reich ausgestattete Führer-Unterstützungskasse sorgt er für die Männer, deren Beruf im Dienste des Touristen so oft den Einsatz von Gesundheit und Leben mit sich bringt, und man weiß, wie bei besonderen Unglücksfällen, Bergstürzen, Wasserschäden und dergleichen, durch freiwillige Beiträge aus den Reihen der Mitglieder namhafte Hilfsgelder aufgebracht worden sind. So ist der „deutsche und österreichische Alpenverein“ zu einem Kulturförderer geworden, und mit Genugthuung darf er von der erreichten Höhe aus auf die Summe gerade dieser Leistungen zurückblicken.


Inhalt: Die Brüder. Roman von Klaus Zehren (5. Fortsetzung). S. 533. – Tragödien und Komödien des Aberglaubens. Der „Tschört“. Nach einer wahren Begebenheit erzählt von Olga Wohlbrück. S. 538. – Die „Kieler Woche“. S. 541. Mit Abbildungen S. 533, 537, 541 und 542. – „Up ewig ungedeelt!“ Novelle von Jassy Torrund (1. Fortsetzung). S. 542. – Der deutsche Kaiser Heinrich III. fordert König Heinrich I. von Frankreich zum Zweikampf. Bild. S. 544 und 545. – Blätter und Blüten: Zum 350jährigen Jubiläum der Leipziger Buchbinder-Innung. S. 547. – Der deutsche Kaiser Heinrich III. fordert König Heinrich I. von Frankreich znm Zweikampf. S. 547. (Zu dem Bilde S. 544 und 545.) – Joseph Hyrtl †. Mit Bildnis. S. 548. – Der „deutsche und österreichische Alpenverein“. S. 548.


Soeben ist erschienen und durch die meisten Buchhandlungen zu beziehen:

Gartenlaube-Kalender 1895.
Zehnter Jahrgang. Mit zahlreichen Illustrationen.
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Der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1895 bringt u. a. die neueste Erzählung von W. Heimburg: „Der silberne Hirschfänger“ mit Illustrationen von Fritz Bergen, ansprechende und humorvolle Erzählungen von J. Wilda und E. Lenbach, unterhaltende und belehrende Beiträge von E. Peschkau, A. Ohorn, L. Holle u. a., ferner zahlreiche Illustrationen von hervorragenden Künstlern, Humoristisches in Wort und Bild und viele praktische und wertvolle Kalender-Notizen und Tabellen zum Nachschlagen bei Fragen des täglichen Lebens.

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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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