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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Stunde auf die Hochebeue, auf der Arolsen in 272 Meter Meereshöhe liegt. Das Häuflein Menschen, das in Arolsen den Zug verläßt, hat sich bald zerstreut; die meisten schlagen die vom Bahnhof schnurgerade der Stadt zustrebende Straße ein, wir aber benutzen sogleich die Gelegenheit, eine der hervorragendsten Sehenswürdigkeiten Arolsens zu schauen und zu genießen – es ist eine prachtvolle Eichenallee, die mit einem kleinen Umweg ebenfalls der Stadt zuführt; sechs Reihen uralter Eichen laufen nebeneinander her und unter dem Schutze ihrer mächtigen Hallen wandern wir langsam die fast unmerkliche Steigung hinan. Schon schlägt das Geräusch des Bahnhofs nur noch fern an unser Ohr, und noch immer wölbt sich das grüne Dach über unserem Haupte, behaglich schlürfen wir die würzige reine Luft.

Ansicht von Arolsen.

Ein Gebäude schimmert durch die Bäume, Hundegebell und das Brüllen von Kühen tönt herüber; durch das offene Thor schreitet eine Magd mit einem blanken Milcheimer – wir sind an der Meierei der fürstlichen Domäne Hünighausen. Und weiter geht’s unter den alten Eichenwipfeln. Da endlich sind wir an der Stadt. Zur Linken schaut ein stattlicher Bau durch das Grün der Bäume, umgeben von freundlichen Blumenbeeten; Diakonissen in weißen Häubchen huschen durch die Gänge, bleiche Männer und Frauen in sauberen Gewändern ergehen sich im Garten, auf der Front des Hauses steht, in Stein gehauen, „Paulinenhospital“. Es ist das Landkrankenhaus. Die verstorbene Fürstin Helene von Waldeck hat es gebaut und dem Audenken ihrer Mutter, einer Herzogin von Nassau, geweiht.

Gehen wir weiter in der Allee, so öffnet sich links eine breite Straße, der Kirchturm des Städtchens grüßt freundlich herüber, von rechts aber vernehmen wir schneidige Kommandorufe. Fast befremdend wirkt in dieser klösterlich stillen Umgebung das „Rechts – um!“ – „Links – um!“ – „Gerade – aus!“ der Unteroffiziere. Da steht sie ja auch schon, die Kaserne, in welcher die gesamte Aushebung des Fürstentums ihrer Dienstpflicht genügt, dem großen Organismus des deutschen Heeres eingefügt als III. Bataillon des Infanterieregiments v. Wittich (3. Hess.) Nr. 83.

Das Fischhaus.

Der Markusstein.

Noch immer hat unsere große Allee kein Ende; ist sie doch fast einen Kilometer lang. Wir verlassen sie aber nunmehr und schlagen den Weg zur Linken nach der schmucken Hauptstraße ein. Zierlich reiht sich Haus an Haus, oft mit hoher, terrassenartig vorgebauter Doppeltreppe, deren oberste Stufe ein eisernes Gitter schmückt; doch steht jedes Haus – und das ist charakteristisch für Arolsen – isoliert, vom Nachbarhause stets durch eine breite Thorfahrt getrennt und so, seit langer Zeit der modernen Hygieine entsprechend, Luft und Licht von allen Seiten Zugang gewährend. Unser Ziel ist die hübsche schlichte Kirche, die am unteren Ende der Straße, doch im eigentlichen Mittelpunkt der Stadt, auf freiem, lindenbepflanztem Platze sich erhebt und in der ein großer Sohn Arolsens sich ein Denkmal von wunderbarer Schönheit gesetzt hat.

Auf dunkeln Marmorsockeln stehen an den Stufen des Altars drei ideale Marmorstatuen: in der Mitte die Hoffnung, sehnsüchtig die Arme zum Himmel hebend, links die Liebe, ein flammend Herz in emporgehaltener Schale tragend, rechts der Glaube, sinnend in das Buch der Bücher vertieft. Der diese Standbilder der Kirche gewidmet hat, ist kein geringerer als Christian Rauch, der Schöpfer des Mausoleums in Charlottenburg und so vieler anderer herrlicher Werke. Christian Rauch ist am 2. Januar 1777 zu Arolsen geboren, das erzählt uns, wenn wir es noch nicht wissen, die mit seinem Porträtmedaillon geschmückte Gedächtnistafel an der Wand rechts vom Altar. In einem winzigen bescheidenen Häuschen in der

Helser Allee, das zwischen Bäumen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 685. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_685.jpg&oldid=- (Version vom 19.3.2019)