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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Afrikanische Haartrachten.
Von C. Falkenhorst. Mit Abbildungen von G. Mützel.

Chanca, ein Arzt aus Sevilla, der Christoph Columbus auf seiner zweiten Reise nach Westindien begleitet hatte, beschrieb in einem später berühmt gewordenen Briefe ausführlich die Lebensgewohnheiten der Eingeborenen auf den Antillen und äußerte unter anderem: „Ihren Kopf rasieren sie an verschiedenen Orten, dann lassen sie wieder Haarbüschel stehen – es ist unmöglich, ihre Frisuren zu beschreiben; nur soviel läßt sich sagen, daß, was man in Spanien auf den Kopf eines Wahnsinnigen zusammemhäufen könnte, man hier auf den Köpfen der Vornehmsten als höchsten Schmuck sieht.“

Aehnliche Beobachtungen werden fast überall gemacht, wo Europäer mit Naturvölkern zusammentreffen. In den Augen der großen Masse der daheimsitzenden Europäer ist der „Wilde“ ein glückliches anspruchsloses Geschöpf, das sich weder um Kleidung, noch um die neuesten Moden zu bekümmern braucht, das nichts von sogenannten Sitten der Gesellschaft gehört hat und sein Haar wachsen läßt, wie es ihm beliebt. Das ist aber in Wirklichkeit durchaus nicht der Fall. Die Ceremonien der Naturvölker sind viel umständlicher als die unsrigen, und Eitelkeit ist ihnen ebensogut bekannt wie uns, nur mit dem Unterschied, daß sie mehr Zeit haben, ihr zu frönen.

So hat auch das sonst so kleiderarme Afrika seine Stutzer und seine Salondamen, und manches Fräulein, welches das Näschen rümpft, wenn man es tadelt, weil es zu viel Zeit vor dem Spiegel verbringt, würde mit heller Befriedigung die Schilderungen lesen, welche Afrikaforscher von den oft sehr langwierigen Toiletten der Negerinnen gegeben haben.

Manjema-Frauen.

Auch das krause Wollhaar auf dem Kopfe des Negers sowie sein Bart erfreuen sich einer ausgezeichneten „Pflege“. Man kann mit Chanca sagen, daß es unmöglich ist, alle ihre Frisuren zu beschreiben, immerhin aber dürfte es interessant sein wenigstens einige hervorzuheben. Unsere Friseure mud Friseusen sind manchmal in Verlegenheit um neue Haartrachten. Der dunkle Weltteil bietet ihnen einen unerschöpflichen Brunnen, einen Füllkorb, aus dem Haarfrisuren ohne Ende zu Tage gefördert werden können. Vielleicht verlegen sie sich auf solche anthropologische Studien.

Wir wollen uns gleich in das Herz des Dunklen Weltteils versetzen und unweit von Njangwe an dem Riesenstrom Lualaba das menschenfressende Volk der Manjema aufsuchen, das durch seine Grausamkeiten, sowie durch die Helfershelferdienste, die es arabischen Sklavenjägern leistet, eine traurige Berühmtheit erlangt hat. Als Stanley auf seinem Zuge durch den Dunklen Weltteil im Jahre 1876 die Manjema besuchte, hefteten sie sich Knöpfe, kleine Kegel und Kuchen von Schlamm wie Schönheitspflästerchen an ihre Bärte, hinten an die Haare und hinter die Ohren. Der alte Häuptling Mwana Ngoy hatte seinen Bart in einen Ball schwarzen Schlammes zusammengerollt, seine Kinder trugen ihr Haar in Flechten mit daran hängenden Schlammfransen. Sein Trommler hatte eine große halbmondförmige Masse Schlamm am Hinterkopfe befestigt.

Einige hatten Hörner und Spitzen von Schlamm auf ihren Kopfscheiteln; andere, die noch stutzerhafter waren, bedeckten gleich den ganzen Kopf mit einer Krone von Schlamm. Die mit einer Fülle von Haar gesegneten Weiber gestalteten dasselbe vorn mit einem eingeflochtenen Gestell von leichtem Rohre zu einer damenhutförmigen Frisur und ließen es hinten bis auf die Taille in Massen von Locken herabfallen.

Häuptling Kitete von Mpungu.
Neger von Qua am Tanganjika. („Schneckenkopf.“)
Eine Frau des Königs Tschumbiri. („Das Schöpsköpfchen.“)

Ein anderer Häuptling, Kitete von Mpungu, der als Abzeichen seiner königlichen Würde eine im Feuer geschwärzte Herkuleskeule oder einen tüchtigen Knüttel führte, zeichnete sich durch einen 50 Centimeter langen geflochtenen Kinnbart aus, der an der äußersten Spitze mit einer Menge blauer Glasperlen verziert war. Sein[1] Haar war auch auf dem Wirbel seines Kopfes zu einer formlosen Masse in die Höhe gezogen.

Dieser Kitete begrüßte sechs Jahre darauf auch Wißmann und erschien vor ihm mit einem alten Ziegenbock zum Geschenk. „Sein Bild aus Stanleys Reisewerk,“ schreibt Wißmann, „erkannte er und war sehr entzückt, als ich es ihm schenkte. Was mußte er für ein Mann sein, daß sich die Weißen so mit ihm beschäftigten!“

Ja, so findet die afrikanische Reiselitteratur selbst im dunkelsten Afrika ihren Absatz, wenn auch nur blattweise.

Um aber auch die Frisur einer Häuptlingsfrau kennenzulernen, wollen wir rasch den Kongo hinabfahren und beim König von Tschumbiri verweile. Seine Damen sollen von schöner Gestalt sein, sie sind aber leider nicht nur Sklavinnen des Mannes, sondern auch Sklavinnen der Mode. Sie tragen Halsbänder von gar absonderlicher Art. Nicht einmal diejenige junge Europäerin, die bescheiden von Talmischmuck träumt, würde die Frauen von Dschumbiri darum beneiden; denn deren Schmuck besteht aus Messing, und die Halsbänder, die schon mehr auf den Schultern ruhen, sind bis zu drei Zoll stark und wiegen bis zu dreißig Pfund. Aber die schwarzen Schönen tragen diese Last mit stolzer Freude, denn auch ihre Weiberherzen sind eitel und von der Modethorheit befangen. Die Frisur dieser Tschumbiri-Damen ist sehr interessant. Die Haare werden zu drei oder vier Locken zusammengedreht und steif gemacht, so daß dann die Locken, wenn man sie so nennen darf, gekrümmten Spitzen oder Hörnern gleich das Haupt umgeben. Ein solches Porträt nannte ein Afrikaschwärmer einen „Poseidonkopf“, indem er an den Dreizack des Meergottes dachte, während ein anderer nüchternerer Mann auf die richtigere Bezeichnung „Schöpsköpfchen“ verfiel.

Gehen wir aber einmal nach Deutsch-Ostafrika! Halten wir an dem herrlichen Tanganjika! Eine große Zahl von Stämmen hat sich hier niedergelassen, und ebenso bunt sind die Haartrachten.

Wir finden hier die Widderhörner in den prächtigsten Exemplaren vertreten, und der englische Reisende Cameron versichert uns sogar, daß von den Wagguhha der Natur durch Anwendung falscher Haare nachgeholfen

werde. Wir möchten aber aus diesem Gebiet nur zwei bezeichnende

  1. WS: Im Original „Sin“
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 717. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_717.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)