Seite:Die Gartenlaube (1894) 724.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Ernst Keils Witwe †. Die treue Lebensgefährtin Ernst Keils, des Begründers der „Gartenlaube“, Frau Lina Keil, ist ihrem im Jahre 1878 verstorbenen Gatten in einem Alter von 72 Jahren am 1. Oktober in die Ewigkeit nachgefolgt. Lina Aston aus Zorge im Harz war eine anmutige Erscheinung, als sie Ernst Keil in Leipzig kennenlernte und mit ihr 1844 den Bund fürs Leben schloß. Aber nicht diese Aeußerlichkeit, sondern ihre inneren Vorzüge, die er sehr bald erkannte, waren es, die ihn zu dieser Wahl bestimmten. Und er sollte sie nicht bereuen. Sie war ihm ein treues und liebendes Weib, dem kein Opfer zu groß erschien, wenn es sich um das Wohl des Gatten handelte. Alle Widerwärtigkeiten, die ihm das Leben brachte, suchte sie ihm durch verdoppelte Liebe vergessen zu machen. Und wenn er abends überanstrengt von des Tages Mühen und Sorgen an ihrer Seite saß, dann wußte sie ihm sein Heim durch liebevolles Eingehen auf allerlei kleine Wünsche oder Eigenheiten zu einer wahren Stätte der Erholung zu gestalten. Aber nicht allein das – Lina Keil besaß nicht nur Gemüt, sie verfügte auch über seltene Geistesgaben, welche es ihr ermöglichten, den Ideen und Zielen, denen Ernst Keil nachstrebte, das vollste Verständnis entgegenzubringen. Ja, sie stand mit ihrer Begeisterung für alles Gute und Schöne, mit ihrem festen klaren Urteil und dem warmen richtigen Empfinden, das doch frei von aller Empfindelei war, ihrem Manne als echte und rechte Beraterin zur Seite, der er gern seine Ansichten mitteilte, seine Pläne anvertraute. Und so hat sie auch bei der Begründung der „Gartenlaube“ eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Es war im Jahre 1852. Keil war – ein Opfer der zu jener Zeit herrschenden Censur – als „Staatsverbrecher“ wegen Preßvergehens nach Hubertusburg gebracht worden, sein Weib war ihm mit den Kindern bis ans Thor des Gefängnisses gefolgt und hatte sich, um ihm nahe zu sein, in dem unfern gelegenen Wermsdorf niedergelassen. Mit umsichtiger Sorglichkeit war sie von hier aus bemüht, dem Gefangenen sein Los zu erleichtern, sie ermöglichte es mit Ueberwindung der größten Schwierigkeiten, ihm durch Lektüre und Briefe sowie andere Liebesbeweise die trüben Tage zu erhellen, und vermittelte die ersten Schritte zur Verwirklichung des in dieser Haft von ihm gefaßten Planes der Gründung der „Gartenlaube“. Was sie damals gethan, das ist von ganz entscheidendem Einfluß auf Ernst Keil und sein Blatt gewesen und ihr von ihrem Manne nie vergessen worden.

Eine schwere Zeit brach mit dem Weihnachtsfeste 1871 über die Familie herein, an dem die Nachricht von dem Tode des einzigen Sohnes, der sich auf einer Forschungsreise im Orient befand, in die Heimat gelangte. Da galt es, dem Vaterherzen über den ersten großen Schmerz hinwegzuhelfen und die verzweifelten Gedanken in ruhigere Bahnen zu lenken. Aber auch diese Aufgabe vollbrachte – ungeachtet der eigenen Herzenswunde – die treue Gattin durch die Liebe. Und sieben Jahre später traf sie das Schwerste, das ihr das Schicksal bringen konnte. Auch ihr Gatte, mit dem sie 34 Jahre hindurch Freud’ und Leid geteilt, sank in das dunkle Grab hinab. Das war ein harter Schlag, der sie tief daniederbeugte. Aber ihr Pflichtbewußtsein ließ sie nicht in thatenloser Trauer ihre Tage verbringen, sie raffte sich zu neuem Leben empor und betrachtete es fortan als ihre Aufgabe, ganz in dem Andenken des teuren Entschlafenen aufzugehen und im Sinne desselben weiter zu wirken. Und so nahm sie seine stille Wohlthätigkeit, die Einfachheit und Schlichtheit nach innen und außen und die Sorge um die geliebte „Gartenlaube“ auf sich.

Aber bald sah sie doch ein, daß die „Gartenlaube“, sollte sie das, was Keil aus ihr gemacht, auch in Zukunft bleiben, einer festen leitenden Manneskraft bedurfte, die sich ihr voll und ganz widmen konnte. Und so gab sie das geliebte Blatt im Jahre 1884 wohl aus der Hand – die „Gartenlaube“ erschien von da ab im neuen Verlage – aber aus den Augen, aus dem Herzen hat sie es nie gelassen und bis an ihr Ende ein warmes Interesse für das aus dem Bunde mit ihrem Gatten hervorgegangene Geisteskind bewahrt. Und darum steht auch die „Gartenlaube“ heute unter den nächsten Leidtragenden am Grabe der seltenen Frau und trauert um ihre treueste Freundin.


Ein Matrosenskat. (Zu dem Bilde S. 709.) An Bord eines Kriegsschiffes ist eigentlich niemand – am allerwenigsten der Kommandant – zu irgend einer Zeit dienstfrei. Selbstverständlich fehlt es nicht an den nötigen Pausen zum Schlafen und Essen, und es sind auch die sogenannten „Freizeiten“ da, an denen in der Regel der allgemeine Dienst ruht. Aber niemals sind Offiziere und Mannschaften sicher, daß sie nicht im nächsten Augenblick durch irgend ein unvorhergesehenes Ereignis zur Arbeit gerufen werden. Um so höher schätzt der Matrose die kargen Stunden der Freiheit, die ihm vergönnt sind, und jeder beeilt sich, denjenigen Gebrauch von ihnen zu machen, der seinen Neigungen oder Bedürfnissen am meisten entspricht. Dabei entstehen dann solche Bilder wie das, welches unser Zeichner festgehalten hat. Der eine schläft, der andere liest, ein dritter holt einen Brief aus der Heimat hervor, andere rauchen oder thun gar nichts oder „kibitzen“ bei dem Skat, den ein paar Kameraden zusammen „schmettern“. Denn der unvermeidliche Skat macht nicht bloß auf dem Lande, sondern auch auf dem Meere seine Herrscherrechte geltend, „soweit die deutsche Zunge klingt“, und unsere Blaujacken, die in der Auswahl ihrer Unterhaltungsmittel so knapp gestellt sind, nehmen natürlich gern zu ihm ihre Zuflucht. – Ueber dem ganzen Bilde lagert der Eindruck des Behagens, um so fühlbarer für den, der weiß, wie spärlich solche Augenblicke im Seedienst zugemessen sind.


Die Vorstellung der Braut. (Zu dem Bilde S. 713.) Ein entscheidender Augenblick! Nicht kraft einer lange vorher getroffenen Abmachung der Eltern, wie es sonst wohl unter den Familien des alten französischen Adels Sitte war, ist der junge Marquis zu seiner Braut gekommen, er selbst hat sie sich gewählt, und vielleicht aus einem Geschlechte, das seinem stolzen Herrn Vater nicht ganz ebenbürtig dünkt. Da können nur die persönlichen Eigenschaften der Erkorenen die Kluft überbrücken, alles kommt darauf an, ob der natürliche Liebreiz ihrer Erscheinung, ihre tadellose gesellschaftliche Sitte dem Oberhaupte der Familie soviel Achtung abnötigen, daß es, wenn auch ungern, seine Einwilligung erteilt. Vorerst malt sich denn auch noch viel kritische Zurückhaltung im Gesicht des alten Marquis, und auch seine Umgebung scheint nicht geneigt, aus der rein beobachtenden Rolle herauszutreten, bevor die Mienen des Hausherrn dies rätlich erscheinen lassen. Mit einem gewissen Stolz in den Zügen läßt die schöne Braut die nicht eben wohlwollende Prüfung über sich ergehen; sie wie die begleitenden Verwandten sind sich ihres Wertes wohl bewußt. Aengstliche Spannung aber verrät die Miene des Bräutigams: wie wird der Spruch des allgewaltigen Vaters ausfallen? Und wenn er „Nein“ sagt – die weichen Linien im Gesicht des Sohnes deuten nicht darauf hin, daß dieser einem ernsthaften Kampf um den Besitz der Geliebten gewachsen wäre.


Die Wirkung der neuen Handfeuerwaffen. Als die kleinkalibrigen Gewehre bei den Heeren Europas eingeführt wurden, brachten die Aerzte die tröstende Kunde, daß diese neuen Waffen „human“ seien, d. h. daß das neue Geschoß im Vergleich zu dem alten Wunden erzeuge, die leichter heilen. Nur zu gern hat auch die „Gartenlaube“[1] dieser frohen Botschaft Glauben geschenkt. Leider waren die Bedingungen, unter welchen man damals die Wirkung der neuen Geschosse prüfte, nicht einwandsfrei: den Aerzten standen nicht genügend große Schießplätze zur Verfügung, und so führten sie ihre Versuche mit verringerter Pulverladung aus, indem sie von der Ansicht ausgingen, daß diese auf kurze Entfernungen ebenso wirke wie die volle Ladung auf große. Um Klarheit zu schaffen, wurden nun neuerdings von deutschen Militärärzten Versuche mit voller Pulverladung auf gefechtsmäßige Entfernungen bis zu 2000 Metern angsstellt. Da zeigte sich, daß die früheren Proben zu einer leider ganz falschen Ansicht über die Wirkung der kleinkalibrigen Gewehre geführt hatten. Oberstabsarzt Schjerning hat im Auftrage des Generalstabsarztes Dr. v. Coler auf dem internationalen Aerztekongreß zu Rom einen Vortrag gehalten, aus dem zweifellos hervorgeht, daß die Ansicht von dem humanen neuen Geschoß unwiderbringlich verloren ist. In künftigen Kriegen werden wir nicht nur mehr Verwundete, sondern auch mehr Schwerverwundete zu versorgen haben, und die Thätigkeit des Arztes wird viel schwerer, viel verantwortlicher sein. Ein Trost bleibt allerdings: die Chirurgie hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht, und so wird sie sich hoffentlich auch der schwierigeren Aufgabe gewachsen zeigen. Eine Erörterung der Zerstörungen, die das neue Geschoß anrichtet, möge uns erspart bleiben. Wir wollen durchaus nicht durch grausige Schilderungen aufregen, sondern in Anbetracht jener feststehenden betrübenden Thatsache daran erinnern, wie wichtig es ist, schon im Frieden die Thätigkeit der deutschen Vereine vom Roten Kreuz nach allen Kräften zu fördern, damit im Falle der Not die Liebe die Schrecken des Krieges zu mildern vermöge! *      

Aufstieg zur Kirchweih. (Zu dem Bilde S. 721.) Das ist ein beschwerlicher Aufstieg! Und wenn die Kirchweih, die von den beiden alten Musikanten alljährlich ein so mühevolles Wandern fordert, auch glücklicherweise in die kühle Herbstzeit fällt, warm ist’s ihnen längst geworden und dazu regt sich ein Durst in ihren Kehlen … ein Durst, der nachgerade unerträglich wird. „Uff!“ – Aber dieser Quälgeist spornt sie auch an, das letzte Stück unverdrossen zu überwinden. Denn oben im „Goldnen Lamm“ erwartet sie nicht nur die ungeduldige Schar der Burschen und Mädchen, die ihrem meisterlichen Spiel auf Brummbaß und Waldhorn das rechte Verständnis entgegenbringt, sondern auch der frische Labetrunk aus Maßkrügen, die einen tiefen Boden haben und aus denen ein ordentlicher Musikantentiefschluck für den langen Marsch aus der Tiefe zum Dorf empor ein „Lohn, der reichlich lohnet“ sein wird.


  1. Vergl. Jahrgang 1890, Nr. 10.

KLEINER BRIEFKASTEN.


Anfrage. Giebt es jemand, der alte ausgeschriebenen Stahlfedern kauft? Ein wohlthätiger Verein bittet uns um Vermittlung eines Absatzgebietes dafür, um den Erlös zur Unterstützung armer Kinder vernwenden zu können. Für gütige Angabe einer Adresse im voraus besten Dank!

J. W. v. Eyndhoven in Pittsburg. Leider konnten wir für Ihre Schilderung des Festes, mit welchem der Deutsche Kriegerbund der Vereinigten Staaten in den Tagen vom 19. bis 22. August sein zehnjähriges Bestehen gefeiert hat, keinen Raum erübrigen. Doch geben wir gern wenigstens in dieser kurzen Form von der Thatsache des Festes und den auf Pflege des Heimatgefühls gerichteten Bestrebungen des „Bundes“, der von ehemaligen Mitgliedern des Deutschen Heeres gebildet wird, den Lesern der „Gartenlaube“ Kenntnis.

A. V. in C. Für Ihr Manuskript haben wir zu unserem Bedauern keine Verwendung.

P. W. in Caracas. Der Roman „Gesprengte Fesseln“ von E. Werner erschien im Jahrgang 1874 der „Gartenlaube“, liegt aber jetzt auch in der reizenden illustrierten Ausgabe von E. Werners gesammelten Romanen und Novellen als deren dritter Band (zusammen mit „Verdächtig“) vor. Wenn Sie die Wernerschen Erzählungen beisammen haben wollen, so können wir Ihnen diese illustrierte Ausgabe sehr empfehlen.

Teresa de A., Avila. Wir sind, so leid es uns thut, nicht in der Lage, von Ihrer Anregung Gebrauch zu machen.


Inhalt: Um fremde Schuld. Roman von W. Heimburg (6. Fortsetzung). S. 709. – Ein Matrosenskat. Bild. S. 709. – Die Vorstellung der Braut. Bild. S. 713. – Der letzte Lieutenant der Großen Armee. Von Paul Holzhausen. S. 714. Mit Bildnis S. 716. – Afrikanische Haartrachten. Von C. Falkenhorst. S. 717. Mit Abbildungenn S. 717 und 718. „Versalzen!“ Eine küchenwissenschaftliche Skizze. S. 718. Mit Abbildung S. 719. – Die Sklaven. Novelle von Ernst Eckstein (2. Fortsetzung). S. 719. – Aufstieg zur Kirchweih. Bild. S. 724. – Blätter und Blüten: Für die darbenden Weber im Glatzer Gebirg. S. 723. – Ernst Keil’s Witwe †. S. 724. – Ein Matrosenskat. S. 724. (Zu dem Bilde S. 709.) – Die Vorstellung der Braut.S. 724. (Zu dem Bilde S. 713.) – Die Wirkung der neuen Handfeuerwaffen. S. 724. – Aufstieg zur Kirchweih. S. 724. (Zu dem Bilde S. 721.) – Kleiner Briefkasten. S. 724.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 724. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_724.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)