Seite:Die Gartenlaube (1894) 764.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

schönste das mächtige Büffett der Restauration, ein Prachtstück seiner Art, dessen Abbildung sich auf Seite 766 findet. Von den Raumverhältnissen mögen ein paar Angaben über den Teppich eine Anschauung geben, welcher den Boden des Lesezimmers bedeckt. Er ist fast 10 Meter breit und über 23 Meter lang. Sein Gewicht beträgt über 15 Zentner und er kostet die Kleinigkeit von 5400 Mark. Der Teppich wurde in Schmiedeberg im Riesengebirge gefertigt, wo neun Arbeiterinnen neun Wochen lang daran arbeiteten. Er enthält genau gerechnet - da die Stellen, wo Schränke zu stehen kommen, ausgespart sind – 4 575 825 Maschen.

Die Wandelhalle.

Kehren wir in die Rotunde der Wandelhalle zurück und gehen wir auf eine der drei Thüren zu, die sich gegenüber dem Hauptportal befinden! Durch dieselben gelangt man in den Gang, der den großen Sitzungssaal auf allen vier Seiten umgiebt und sein Licht von den beiden Höfen her erhält, die sich nördlich und südlich vom Saal befinden und ihre Zufahrten durch das Nordportal und ein an der Ostseite befindliches Nebenthor haben. Beide Höfe sind unter dem Sitzungssaal durch eine Durchfahrt verbunden, so daß einfahrende Wagen nicht zu wenden brauchen und der Verkehr zwischen den einzelnen Theilen des Gebäudes erleichtert wird. Wir werden übrigens dem Erdgeschoß, zu dem ja diese Durchfahrt gehört, später einen Besuch abstatten und begeben uns nun in den Mittelpunkt des Hauptgeschosses, in den großen Sitzungssaal.

Der Saal ist ganz in Eichenholz ausgeführt, der Eindruck ist überraschend behaglich. Ueber dem in ernsten Linien gegliederten Getäfel der Wände steigen an drei Seiten Pfeiler und Säulen empor, die nach oben durch Bogen verbunden sind – sie umrahmen nach dem Saale zu die Tribünen für das Publikum (mit 346 Sitzplätzen), für die Presse (mit 60 Pult- und 21 Sitzplätzen) und für die Behörden, die Logen für den Hof, den Bundesrat und die Diplomaten.

Der Kaiser-Salon.

Der obere Teil der vierten Seite des Saales zeigt keine Tribüne. Er ist den anderen Seiten des Saales entsprechend gegliedert, aber in der Umrahmung erblickt man nur Wandflächen, die einstweilen noch weiß sind – später werden hier malerische Darstellungen hervorragender geschichtlicher Ereignisse angebracht werden. Unser Bild (auf Seite 761) zeigt noch einen Teil dieser Wand, an der sich der Präsidententisch, die Plätze für die Regierung, den Bundesrat, die Stenographen etc. befinden, und dann die links anschließende Seite mit den Logen für Diplomatie und Hof. Der Saal ist 29 Meter breit, 21,56 Meter lang und 13,15 Meter hoch. Die vierhundert Sitze für die Abgeordneten sind amphitheatralisch angebracht, jeder Abgeordnete hat vor seinem Sitz ein Pult, bequeme Zwischengänge erleichtern den Verkehr. Für die Mitglieder des Bundesrates sind 48 Sessel links und rechte vom Präsidium angebracht. Wie weise überlegt der Plan des ganzen Hauses ist, geht auch aus einer Kleinigkeit hervor, die sich bis jetzt noch in keinem Gebäude verwandter Art vorfindet. Die Stenographen müssen von zehn zu zehn Minuten wechseln und sowohl im alten Hause wie im allen andern Parlamenten müssen sie dann durch den Saal schreiten, sich sogar oft durch die Abgeordunten drängen, wenn diese in dichten Gruppen den Redner umstehen. Hier nun führen unmittelbar hinter den beiden Stenographentischen zwei kleine Treppchen hinab ins Erdgeschoß, so daß die Herren wie aus einer Versenkung aufsteigen und wie in einer Versenkung verschwinden. Auf diesen Treppchen gelangen sie in die „Vorhalle der Stenographen“, an die sich einerseits unmittelbar bequem eingerichtete Schreibräume anschließen, während anderseits ein kurzer Verbindungsgang nach dem Nordportale des Hauses führt.

Die volle Höhe des Hauptgeschosses, die 10 Meter beträgt – der große Sitzungssaal überschreitet diese Höhe noch um 3,15 Meter – wird nur von den Hauptgemächern, wie Lesesaal, Schreibzimmer, Restauration, Bibliothek etc., ganz in Anspruch genommen Die kleineren Räume, wie die Gänge und die nördlich und südlich vom großen Sitzungssaal, an den Schmalseiten des Gebäudes liegenden Sprechzimmer und dergleichen haben nur eine Höhe von 5,30 Metern. So bleibt darüber noch für eine beschränkte Anzahl von „Zwischengeschoß“-Räumen eine Höhe von 4,70 Metern zur Verfügung. In diesem Zwischengeschoß befinden sich, außer Kanzleien und dergleichen die Tribünen und Logen und die Vorräume, von denen aus man diese betritt; insbesondere ein

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 764. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_764.jpg&oldid=- (Version vom 21.9.2023)