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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

hielt er auf die Unabhängigkeit des Richterstandes, und als er einst mit einem Edelmann wegen eines Gutes prozessierte und selbst in der Gerichtssitzung erschien, duldete er nicht, daß sich die Richter vor ihm erhoben. Er wurde denn auch verurteilt.

Die umsichtige Pflege, die er den Schulen und namentlich der Universität Upsala zu teil werden ließ, zeugt von seinem lebhaften Interesse für Geisteskultur. Dementsprechend zeigte er auch in kirchlicher Hinsicht einen weiten, freien Geist. Als sich 1614 die deutschen Protestanten an ihn wandten, damit er in dem unfruchtbaren und gefährlichen Streite zwischen Lutheranern und Reformierten entscheide, wies er den Schiedsspruch in theologischen Spitzfindigkeiten, welche die ihnen erwiesene feierliche Behandlung gar nicht verdienten und welche von Konstantin bis Karl V. noch kein Herrscher beizulegen vermocht habe, ab; er seinerseits bitte Gott, daß dieser die Menschen durch Liebe vereinige, weil dies durch den an dunkeln Punkten zu reichen Glauben nicht geschehen könne. Und wie er in seinem Reiche die Zanksucht der Geistlichen dämpfte, so zeigte er, als er siegreich Deutschland durchzog, den Katholiken gegenüber einen freien Geist. In München und anderwärts besuchte er den katholischen Gottesdienst und ließ, wenn er auch allenthalben die geschlossenen oder beschlagnahmten protestantischen Kirchen wieder öffnete, jenen doch unangetastet.

Seine oberste Sorge bildete auch im Kriege das Wohl der breiten Volksschichten. So sorgte er auch in Deutschland durch die strengste, ins einzelnste gehende Quartierordnung, sogar in den Kapitulationen, die er mit gegnerischen Garmisonen abschloß, daß der Bürger und Bauer vor der Willkür der Soldateska geschützt blieb. Erst in den reicheren Gegenden Süddeutschlands, und als in Bayern und Vorderösterreich die Bauern sich gegen die ihnen als Teufel verschrienen Schweden zusammenrotteten und fürchterliche Greuel an einzelnen Soldaten verübten, erst da lockerte sich auch bei seinen Lebzeiten die schwedische Mannszucht vorübergehend ein wenig. Er selbst duldete jedoch nichts dergleichen. Vor Nürnberg übergab er einen Korporal, vor dessen Zelt er geraubte Kühe fand, mit eigener Hand dem Henker, indem er sagte: „Es ist besser, ich strafe dich, als daß Gott uns alle um deinetwillen strafe.“

Gustav Adolf mit seinem Stabe.
Arnheim.   Banér. 0 Oxenstierna.       Gustav Adolf.   Horn.

Es konnte daher nicht ausbleiben, daß sich Gustav Adolf bald beim deutschen Volke, selbst bei einem großen Teil des katholischen, beliebt machte, wobei ihm seine witzige, oft auch derb populäre Rednergabe sehr zu statten kam. Auch an der hohen deutschen Aristokratie, wenn diese ihn mit ihrem Länderbettel gar zu sehr belästigte oder gar aufsässig wurde, übte er dieselbe, so im Nürnberger Lager, wo er ihnen zurief: „Vierzig Tonnen Goldes von dem meinigen habe ich für euch aufgewendet, von euch aber nicht so viel empfangen, daß ich mir auch nur ein Paar Hosen davon machen lassen könnte. Ja, ich würde lieber ohne Hosen reiten als mich von euch kleiden lassen!“ Er nahm überhaupt mehrfach Anlaß, dieser deutschen Aristokratie, die ihn in Frankfurt am Main und anderwärts geradeso bettelnd umdrängte wie 175 Jahre später den Kaiser Napoleon I., derbe Wahrheiten zu sagen, wenn er ihr auch andererseits zu schmeicheln und sie mit Versprechungen hinzuhalten wußte.

Unser Charaktergemälde würde sehr unvollständig sein, wollten wir nicht auch der Ehe unseres Helden in Kürze gedenken. Die schöne Marie Eleonore von Brandenburg, mit der er sich 1620 vermählte, des Kurfürsten Johann Sigismund Tochter, die Schwester von dessen Nachfolger Georg Wilhelm, stand geistig weit unter ihrem großen Gemahl, aber sie ersetzte diesen Mangel durch eine grenzenlose Liebe und Hingebung. Das eheliche Verhältnis war von beiden Seiten innig und beglückend.

Das Urteil der Zeitgenossen und auch Späterer über Gustav Adolf hat natürlich, je nach der Parteistellung, verschieden gelautet. Eines aber ist von keiner Seite ernstlich in Zweifel gezogen worden: sein hohes, militärisches Genie. Hat doch keine geringere Autorität als Napoleon I. ihn den acht großen Feldherrn zugezählt, welche die Weltgeschichte aufzuweisen habe. Namentlich als Organisator und Taktiker war Gustav Adolf von größter Bedeutung. Schon früh legte er in der Muße, die ihm Waffenstillstände und Friedenspausen zwischen den einzelnen Kriegen gewährten, seine militärischen Grundsätze in schriftliche Aufzeichnungen nieder. Und er zögerte nicht, diese in seiner Armee auch zu verwirklichen, so entschiedenen Widerspruch manche seiner Gedanken auch von seiten sonst tüchtiger Generale erfuhren. Im Interesse der Beweglichkeit schaffte er z. B in seiner Armee den Harnisch fast gänzlich ab. Gleichzeitig traf er Maßnahmen, welche das Feuergewehr erleichterten und der wahren Natur des Feuergefechtes entsprachen. Namentlich aber begriff er als der Erste den Wert einer leicht bewegliche Artillerie für die Feldschlacht.

Die ledernen Kanonen bewährten sich zwar nicht, um so besser die von einem deutschen 1624 in schwedische Dienste getretenen Geschützoberst erfundenen leichten eisernen Kanonen, die sich dann unter dem Namen „schwedische Stücke“ bis 1756 im französischen Heere erhielten. Diese leichten Geschütze verteilte Gustav Adolf an die einzelnen Bataillone und Reitergeschwader, während seine Gegner nur ganz wenige und unsinnig schwere Geschütze mit sich führten. Auch die Schlachtordnung machte Gustav Adolf beweglicher, indem er an Stelle der unbehilflichen vollen Vierecke und der tiefen Aufstellung der Reiterei diese und das Fußvolk in kleinere Scharen von weniger Gliedern teilte. Geschickt wußte er zudem noch Musketiere und Reiterei durcheinander zu mischen, und was er damit erreichte, das haben die großen Schlachten von Breitenfeld und am Lech gegen den bis dahin unbesiegten Tilly, sowie die Schlacht bei Lützen bewiesen; die zweitgenannte war von Gustav Adolfs Seite eine Artillerieschlacht, in der er die in einem Gehölz aufgestellte und von seinen Geschützen umfaßte feindliche Infanterie noch vor dem eigentlichen Zusammestoß zerschmetterte. Eine Reihe tüchtiger Führer, so die Generale Banér und Horn und Oberst Arnheim, die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 814. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_814.jpg&oldid=- (Version vom 22.9.2023)