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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Staatskunst seines Kanzlers Axel Oxenstierna unterstützten sein leitendes Genie. Die sicherste Grundlage seiner Ueberlegenheit aber war, daß er selbst sein Generalissimus und sein bester politischer Berater war.

Darf man ihm eines vorwerfen, so ist es der Umstand, daß er sich selbst viel zu sehr aussetzte. Er liebte es, in eigener Person kleine Gefechte, ja Rekognoszierungen zu führen, und geriet dadurch häufig in Gefahr. Er wurde oft verwundet, und bei Dirschau in Preußen 1627 so ernst, daß ihm von da an das Tragen eines Harnischs sehr beschwerlich fiel, wozu freilich auch seine zunehmende spätere Beleibtheit beitrug. Auch als ihm am Morgen des verhängnisvollen Lützener Tages ein solcher gebracht wurde, lehnte er ihn ab. Er war überzeugt, daß große Feldherren gegen den Schlachtentod gefeit seien, und berief sich dabei auf Alexander den Großen und Cäsar. Trotzdem bewegte ihn bei seinem Abschiede von Schweden und dann am Morgen des Lützener Tags die schwermütige Ahnung, daß er die Heimat nicht wiedersehen werde.

Das Koller Gustav Adolfs, in welchem er in der Schlacht bei Lützen fiel.

Den Eintritt Gustav Adolfs in den deutschen Krieg und seinen Siegesflug von der pommerschen Küste bis zum Rhein, zum Bodensee und über die Donau hinüber können wir hier nur streifen. Im Jahre 1629 hatte Wallenstein dem mit Schweden im Kriege befindlichen König Sigismund von Polen einen Heerhaufen nach Preußen zu Hilfe geschickt, der Gustav Adolf dort vorübergehend in die Klemme gebracht hatte. Der deutsche Kaiser Ferdinand, auf der Höhe seiner Erfolge, dachte damals wohl daran, das alte Ordensland Preußen unter des Reiches Hoheit zu bringen. Gustav Adolf quittierte dafür, indem er die Stralsunder gegen Wallenstein unterstützte, dessen Glück sich an den Wällen dieser Stadt wirklich brach. Aber nicht aus solchen Reibereien erklärt sich der schwedische Einmarsch in Deutschland.

Hätte Wallenstein damals eine Flotte gehabt, er hätte die Ostsee und deren Inseln dem Kaiser unterworfen und Schwedens Unabhängigkeit bedroht. Dieser Gefahr wollte Gustav Adolf zuvorkommen. Schon seit geraumer Zeit galt Schweden als die protestantische Vormacht, und wiederholt hatten die deutschen Protestanten den König um Beitritt zu ihrer Union angegangen, ohne daß er sich darauf eingelassen hätte. Jetzt aber lagen die Verhältnisse besonders günstig. Der Kaiser hatte sich selbst geschwächt, indem er sich in den mantuanischen Erbfolgekrieg eingelassen und sich dadurch den Papst verfeindet hatte, der nun seinerseits die Franzosen ermunterte, dem Schwedenkönig für dessen Kriegspläne Hilfsgelder zu gewähren. Außerdem hatte Ferdinand 1629 das Restitutionsedikt erlassen, wonach alle seit 1552 von den Protestanten eingezogenen geistlichen Stifter und Kirchengüter den Katholiken „restituiert“, zurückgegeben werden sollten. Dieses Edikt bedrohte die protestantischen Fürsten schwer und stimmte auch die bisher noch Schwankenden feindlich gegen den Kaiser. Und zu dem allen ließ sich dieser in seiner Bedrängnis auf dem Reichstag zu Regensburg 1630 überreden, seine beste Kraft, Wallenstein, zu entlassen. Mehr als alle diese günstigen Umstände aber war es der den König beseelende hohe Thatendrang, was ihn vorwärts trieb. Auf einem von vielen Seiten bedrohten Thron ohne die Weihe altehrwürdiger Legitimität sitzend, konnte er nur durch Thaten sein Ansehen und seine Herrschaft befestigen, und wo bot sich seiner ungeheuchelten Frömmigkeit hierzu bessere Gelegenheit als in Deutschland, wo seine Religionsgenossen am Rande des Abgrundes standen?

Seine geheimen Gedanken flogen weit hinaus. Er verriet sie schon nach der Schlacht von Breitenfeld, als nach seinem Sieg über Tilly des Kaisers Erblande offen vor ihm lagen, er aber nach dem Rhein abschwenkte, um dort Eroberungen zu machen. Es lag nicht in seinem Interesse, sich mit der gänzlichen Niederwerfung des Kaisers allzusehr zu beeilen. Seine bisherigen deutschen Bundesgenossen hätten in diesem Falle nicht gesäumt, sich mit Ferdinand zu verbinden, um ihn, den „Befreier“, wieder los zu werden. Auch wollte er sich am Rhein vorsorglich den Franzosen in den Weg legen und die schönen Rheinlande samt anderen Gebieten zu einem Herzogtum Franken vereinigen, das den Kern seiner Hausmacht im Reiche bilden sollte; zweifellos gedachte er auch, laut eigener verbürgter Aeußerungen, sich selbst die Kaiserkrone auf sein Haupt zu setzen. Darum hatte Frankreich auch keinen entschiedeneren Feind in Deutschland als ihn; er nahm die Hilfsgelder der Franzosen an, die ihm der Vertrag von Bärwalde gewährte, aber er wollte ihnen allerhöchstens in Lothringen einige Erwerbungen gönnen. In Mainz erklärte er dem französischen Abgesandten, der das Elsaß forderte, das schon in grauer Vorzeit zu Frankreich gehört habe: „Ich bin nicht als Verräter, sondern als Beschützer des Reichs gekommen, darum kann ich nicht dulden, daß eine Stadt oder eine Landschaft davon abgerissen werde.“

Das Gustav Adolf-Denkmal bei Lützen.
Nach einer Photographie von Hermann Vogel in Leipzig.

Auf seine hochgehenden Absichten deutete auch die Beflissenheit hin, mit der er sich die Herzen der Reichsstädter, der Nürnberger, Augsburger, Straßburger, zu gewinnen suchte. Er entwickelte ihnen gegenüber alle seine volksbestrickenden Eigenschaften, wie er auch den niederen deutschen Adel an sich zu ziehen trachtete. Bei seinem Ziele angelangt, hätte er gewiß dort angeknüpft, wo im 16. Jahrhundert die Bewegung der Reichsritterschaft gegen die Landesfürsten mit Sickingens Fall stehen geblieben war. Eben darum aber hätte sein Sieg über den Kaiser wahrscheinlich nur den Ausgangspunkt neuer Kämpfe gebildet. Unser Reich wäre aus einem römischen zunächst ein pangermanisches

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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 815. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_815.jpg&oldid=- (Version vom 22.9.2023)