Seite:Die Gartenlaube (1895) 044.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

den ringsherum der freigelegte Thonschiefer oder der „Riff“ starrte. Zwei Jahre nach der Entdeckung des Diamantfeldes hatte man die Claims im Durchschnitt bereits auf 30 Meter vertieft. Die Arbeit war aber in den 3000 Anteilen nicht gleichmäßig fortgeschritten. Der eine Claim war tiefer, der andere ragte über ihn empor. Die in regelmäßigen Vierecken bearbeiteten Claims erschienen hier als Schächte, dort als Pfeiler und Türme, als Plattformen, Mauern, Treppen und Gräben. Dieses ruinenhafte labyrinthische Gewirr glich einer ausgegrabenen Stadt, einem Herculanum oder Pompeji; aber kein Friede herrschte über diesen Trümmern, 12000 Diggers waren hier am Werke. Das rauschendste und geschäftigste Leben herrschte auf allen Punkten der chaotischen Stein- und Felsmassen, und wenn die heiße Sonne des Sommers in diese Schlünde der wasserarmen Hochebene herniederschien, so lagerten Wolken von Staub über diesem eigenartigen Gesamtbilde menschlicher Thätigkeit. Die Wege, die einst die Kopje durchschnitten, waren längst niedergelegt oder von selbst zusammengestürzt und man mußte auf neue Mittel sinnen, um den diamanthaltigen Stoff herauszuschaffen. Man hat die Aufgabe eigenartig gelöst. Am Rande des Riffs, rings um den tiefen Krater hat man hohe Holzgerüste errichtet. Hier hat jeder Claimbesitzer einen Platz ähnlich dem Logenbesitzer in unsern Theatern; hier stellt er eine Winde auf, und von hier geht ein langes starkes Drahtseil aus, das in den betreffenden Claim führt. Auf diesem Seile eilt ein Eimer in die Tiefe des Claims, während ein anderer mit diamanthaltigem Stoff gefüllt der Höhe des Riffs emporstrebt. Ein Netz von mehr als 2000 Drahtseilen überspinnt also den Krater und es giebt ein fortwährendes Schnurren und Sausen, denn jeder Claimbesitzer bringt an 40 Eimer in der Stunde herauf. Unsere Abbildungen auf Seite 45 geben ein anschauliches Bild einer derart aufgewühlten Grube.

Südafrikanisches Ochsengespann.

Rings um die Kopje herrscht ein gleichfalls bewegtes Leben, denn auf zahllosen Karren wird der Stoff nach den Sortierplätzen gefahren, wo er auf Tischen nach Diamanten durchsucht wird. Größere Steine werden allerdings zumeist schon in den Claims gefunden, denn durch ihr Funkeln verraten sie sich dem scharfen Auge des Diggers. Alsdann stößt der glückliche Finder einen Freuderuf aus und Hurra! erwidern ihm tausend Kehlen in dem Krater. Ein solcher Ruf weckt Hoffnungen und spornt zur weiteren harten Arbeit an.

Je tiefer aber die Diggers in den blue ground eindrangen, desto schlimmer war es um sie bestellt. Ueber ihren Köpfen sausten die steinbeladenen Eimer und wie oft löste sich einer vom Seile und bedrohte das Leben der Arbeiter in der Tiefe! Noch weit schlimmere Gefahren brachte der wüste ungeregelte Bergbau mit sich. Die wegen ihrer Armut am Edelgestein nicht abgebauten Claims, die als Pfeiler dastanden, die breite steil abfallende Riffwand drohten mit Einsturz. Als vollends die Regen kamen und die Pfeiler und Wände unterwuschen, folgte Einsturz auf Einsturz, in dem Grunde vieler Claims sammelte sich Wasser an – die Arbeit gestaltete sich immer schwieriger.

In der Nähe der Grube war inzwischen eine Stadt entstanden, zunächst nur „auf Zeit“ gebaut; aus leichten Zelt-, Wellblech- oder Holzhäusern, deren Bestandteile in Kisten wohl verpackt von England oder Norwegen in die Diamantfelder geschickt wurden und hier nur zusammengesetzt zu werden brauchten. Das Leben in dieser Stadt war durchaus nicht billig. Ernst von Weber, der in den siebziger Jahren in Kimberley als Digger sein Glück versuchte, gab in seinem interessanten Werke auch die Marktpreise an; das Pfund Rindfleisch kostete zwar nur 50 Pfennig, aber für 1 Pfund Butter mußten 5 Mark und für einen Eimer Kartoffeln 10 Mark bezahlt werden. Der schlimmste Schlag jedoch, der die Diggers traf, war der Rückgang der Diamantpreise. Südafrika lieferte eine Menge größerer Steine, die früher sehr selten waren, und gerade diese, die Glücksfunde der Diggers, erlitten dadurch in ihrem Wert eine große Einbuße. Das Diamantengraben war für den einzelnen nicht mehr so lohnend und dabei wurden die Schwierigkeiten in den Gruben immer größer. Wiederholt mußten gewaltige Einbrüche des Riffs beseitigt werden und die Tiefe, bis zu der die Claims abgebaut wurden, betrug 100 Meter und darüber. Da sah man sich genötigt, von der bisherigen Art des Abbaus zu einem regelrechten unterirdischen Betriebe überzugehen. Man setzte am Rande des Kraters Schächte an und ging von ihnen in verschiedenen Horizonten mit Strecken in den blue ground hinein. So entstanden an den Diamantenfeldern Schachthäuser mit mächtigen Winden, wie sie auf unserer Abbildung S. 45 unten dargestellt sind. Zu ihnen gesellten sich Dampfpumpen zur Entfernung des Grundwassers aus den Minen und zuletzt wurden noch die Anlagen elektrisch beleuchtet. Diese Methode bewährte sich, aber sie erforderte eine einheitliche Leitung, einen Großbetrieb. So bildeten sich seit Mitte der achtziger Jahre unter den Claimbesitzern Aktiengesellschaften, die schließlich mehr und mehr zu einer einzigen, den „de Beers Consolidated Mines“, verschmolzen wurden. Diese dürfte jetzt als die Beherrscherin des südafrikanischen Diamantenbergbaues gelten. Etwa 10000 Kaffern und 1500 Weiße stehen in ihren Diensten. Die Gesellschaft hat die Gewinnung dem Verbrauch angepaßt; da, wie die Erfahrung gelehrt hat, die Welt jährlich für etwa 80 Millionen Mark Diamanten zu kaufen pflegt, so wird nur diese Menge alljährlich gegraben; sie wiegt etwa 15 Centner. Die ersten Digger konnten Kimberley nur auf beschwerlichen Wegen, mit den langen Ochsengespannen erreichen. (Vergl. obenstehende Vignette.) Heute führt die Eisenbahn nach der Stadt, die auch mit Wasserleitung versorgt ist, und die Fahrkarte dritter Klasse von Kimberley nach Port-Elizabeth kostet nur 54 Mark. Die Reise dauert 35 Stunden. Die Zeit der „Rushs“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_044.jpg&oldid=- (Version vom 6.3.2024)