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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Der Accumulator.

Von Franz Bendt.

Wie allbekannt, beginnt der Aufschwung der neueren Technik mit der Erfindung und der Ausgestaltung der Dampfmaschinen. Auch schon vordem besaß der Mensch Arbeitsvorrichtungen der verschiedensten Art, und geschickt verstand er die Fallkraft des Wassers und den Druck der Luft seinen Zwecken dienstbar zu machen. Aber erst durch die Dampfkraft ist die Maschine unabhängig von den zufälligen Kraftquellen, die sich am Orte befinden, gemacht worden. Die kondensierten Sonnenstrahlen, die im Boden der Erde als Kohlen schlummern, bergen unermeßliche Kräfte in sich, die beliebig fortbewegt werden können und ihre Energie jederzeit zur Verfügung stellen. Durch die Kraft der Kohle wurden daher Bewegungsmaschinen, wie es z. B. die Lokomotive ist, möglich. Jedoch die Kohle – dieser natürliche Accumulator, d. h. Aufsammler – hat in ihrer Fülle eine Grenze, und die Zeit wird kommen, wo die Kohlenlager der Erde erschöpft sein werden! Doch auch abgesehen von dieser Gefahr haftet der Dampftechnik eine große Zahl von Übelständen an, von denen die Verbreitung von Ruß, Rauch und Hitze nicht die einzigen sind.

Mit der Entwicklung der Elektrotechnik während des letzten Viertels unseres Jahrhunderts hat sich die Technik von neuem verjüngt. Vermittelst der Methode der elektrischen Kraftübertragung, unter Benutzung der Dynamomaschine, können nunmehr alle Bewegungskräfte in der weiten Welt gebrauchstüchtig gemacht werden, gleichgültig, ob sie sich in der Kraft des Wasserfalles, im Stoß des Windes oder im Auf- und Niederstrom von Flut und Ebbe offenbaren. Man ist imstande, die mechanischen Kräfte, die die Natur uns zumeist direkt bietet, in Elektricität zu verwandeln. Und diese wiederum ist fähig, Wärme, Licht und mechanische und chemische Kraftäußerungen zu veranlassen; überhaupt jede Energieform anzunehmen, welche wünschenswert erscheint. Die Elektrotechnik geht in ihren Wirkungen also weit über die Dampftechnik hinaus; sie giebt dem Menschen Gewalt über alle Kräfte, die unsere Erde birgt, und macht ihn erst wirklich zum Herrn des Planeten.

Auch die Strom-Erzeugerin, die Dynamomaschine, bedarf zu ihrer Bewegung einer Betriebskraft. Die Elektrotechnik kann dann erst allen Anforderungen genügen, wenn sie über ein der Kohle entsprechendes Kraftreservoir verfügt, das die elektrische Energie gleichsam beweglich macht und unabhängig vom Orte. Das Genie der modernen Techniker hat einen solchen Apparat in den Accumulatoren geschaffen!

Ein Accumulator ist ein Mechanismus, in dem elektrische Kräfte aufgespeichert und für beliebige Zeit bewahrt werden können. Wenn man bedenkt, daß alle Energie, die auf der Erde wirkt, ein Geschenk der Sonne ist, so können die Accumulatoren als Vorrichtungen betrachtet werden, die mit Sonnenstrahlen geladen sind.

Ein Accumulator.

Auch der Accumulator ist nicht unvorbereitet dem Menschengeschlecht geschenkt worden. Aus einer großen Anzahl von Apparaten hat sich dieser moderne Zauberkasten nach und nach entwickelt. Seine unmittelbaren Vorfahren besitzt man seit lange in den allbekannten galvanischen Elementen, welche bisher die Ströme für die Telegraphen lieferten, die sich in unseren Klingelapparaten befinden und sonst so mannigfache Verwendung gefunden haben. Wir erinnern nur an die galvanischen Batterien von Daniel, Bunsen und Leclanchez. In diesen wird zumeist durch die Berührung von Metallen und Säuren ein chemischer Zustand erzeugt, der sich in Form elektrischer Ströme äußert. Ist auch der Accumulator, wie wir bemerkten, eine naturgemäße Folge dieser Einrichtungen, so war es doch auch hier, wie so häufig bei ähnlichen Erfindungen, eine zufällige Beobachtung, die, von kundigem Auge verfolgt, den Anstoß zu dem neuen Apparate gab. Bei einem gelegentlichen Versuche hatte Sinsteden bemerkt, daß Bleiplatten, die in einer Säurelösung stehen und die ein elektrischer Strom längere Zeit durchfließt, selbst die Fähigkeit erhalten, Strom zu spenden, wenn man sie durch einen Kupferdraht verbindet. Auf den unbefangenen Beobachter wirkt dieser Vorgang, als ob die erzeugenden Ströme sich in die Platten festgesaugt hätten, dort ruhen und durch den Zwang einer neuen Verbindung wieder zum thätigen Leben erweckt würden. Es bedurfte vieler Arbeit, ehe die merkwürdige Erscheinung unter der Hand genialer Experimentatoren zu einer praktischen Schöpfung ausgebildet wurde.

Der Ruhm der Erfindung wirksamer Accumulatoren gebührt dem französischen Physiker Planté, der schon im Jahre 1860 einen praktischen Apparat herstellte, aber erst 1879 mit der vollendeten Erfindung vor die Oeffentlichkeit trat, nachdem durch unseren Werner von Siemens die Dynamomaschine erfunden worden war, und sich damit die Möglichkeit ergab, auf billige Weise elektrische Ströme von beliebiger Stärke aller Orten zu erzeugen. Wie unsere Zeichnung veranschaulicht, besteht solch ein elektrischer Kraftsammler aus einem Glasgefäß, in dem sich eine Anzahl Bleiplatten aufgestellt findet. Der übrige Raum ist ganz mit Säure ausgefüllt.

Als Planté sich um die Konstruktion und Verbesserung der Accumulatoren bemühte, trug er sich mit der Absicht, eine bessere Stromquelle für die Telegraphie zu schaffen, als man sie in den oben erwähnten galvanischen Batterien bereits besaß, Aber erst in jüngster Zeit wurden die genannten Apparate für diesen wichtigen Teil der Technik bedeutungsvoll; und das verdankt man hauptsächlich den Ingenieuren der deutschen Reichspost. Es sind ökonomische und praktische Vorteile, welche die Einführung der „Sammler“ in den Telegraphenbetrieb wünschenswert gemacht haben. So bedurfte man beispielsweise früher zum Betrieb des Haupttelegraphenamtes in Berlin 12770 der alten Kupferelemente, deren Preis etwa 14000 Mark beträgt. Die Aufstellung einer so bedeutenden Anzahl von Batterien erforderte einen sehr großen Raum und ihre Wartung ein umfangreiches Beamtenpersonal. Dieselbe Leistung wird jetzt im Haupttelegraphenamte mit 170 relativ kleinen Accumulatoren erzielt, zu deren Wartung ein Mann ausreicht. Auch zur Strombeschickung der Klingelapparate im Telephonverkehr ging man vielfach mit Vorteil zu den Plantéschen Apparaten über.

Von großer Bedeutung ist die Verwendung des Sammlers in der elektrischen Beleuchtung. Das Licht, das der Accumulator erzeugt, zeichnet sich durch große Ruhe aus, was nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt, daß ein so hervorgerufener Strom nicht von den Schwankungen der Maschine abhängt. Durch den Accumulator wird es möglich, allüberall, auch dort wo keine elektrischen Centralen sich vorfinden, das elektrische Licht einzuführen. So hat z. B. die Firma Siemens und Halske in Wien ein Institut geschaffen, welches geladene Accumulatoren an Villenbesitzer in der Wiener Vorstadt gegen ein Billiges versendet und somit einem jeden die elektrische Beleuchtung innerhalb seiner Häuslichkeit zugänglich macht.

Einen bemerkenswerten ökonomischen Vorteil bieten in den Weltstädten die Accumulatoren den großen elektrischen Centralen, die zum Zwecke der Beleuchtung begründet wurden. Am interessantesten und bedeutungsvollsten sind die Anlagen in der deutschen Reichshauptstadt. Sie besitzt fünf Centralen größter Form. In vier derselben sind riesige Dynamomaschinen aufgestellt, die die Ströme erzeugen, welche Berlin mit Licht versorgen. Die fünfte Station wurde erst vor einem Jahre im Tiergartenviertel errichtet, und sie dient dazu, die Privatwohnungen jener Gegend elektrisch zu erleuchten. Der Bedarf beschränkt sich hier im allgemeinen auf wenige Stunden täglich. Es wäre daher wenig vorteilhaft gewesen, wenn man auch diese Station mit Dynamomaschinen ausgerüstet hätte. Großmaschinen sind nur ökonomisch, wenn sie sich möglichst ununterbrochen in Thätigkeit befinden. Die Station ist daher mit Accumulatoren ausgerüstet. Hier stehen in drei mächtigen Sälen 138 Elemente der größten Form. Am Tage, wenn auch die übrigen Stationen nur wenig belastet sind, verwenden sie einen Teil ihrer überflüssigen Kraft, um die Accumulatoren der fünften Station zu laden. Und am Abend, wenn

das Lichtbedürfnis beginnt, senden nunmehr die merkwürdigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_090.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)