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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

hervorgerufen werden. Die chemische Arbeit erzeugt bei der Entladung Elektrizität.

Der „Sammler“ wurde erst industriell verwertbar, als es Camille Faure gelang, eine neue vermittelnde Methode zu entdecken. Faure trägt die Masse, die sich langsam beim Planté-Prozesse bildet, schon fast vollendet auf die Platten auf. Er verwendet hierfür Mennige, eine technisch vielgebrauchte Sauerstoffverbindung des Bleis. Ueberzieht man die Bleiplatten mit dieser Masse und sendet den Strom durch die Batterien, dann vollzieht sich die Ladung in einigen Stunden. Der Fehler des Faureschen Accumulators liegt wiederum darin, daß er relativ leicht beschädigt werden kann, da die aufgetragene Masse schon bei geringen Erschütterungen abfällt. Durch die mannigfaltigsten Kunstgriffe ist es aber gelungen, diesen Fehler zu heben. Sämtliche gegenwärtig zur Verwendung gelangenden Accumulatoren beruhen auf dem Faureschen Verfahren.

Eine der interessantesten Abänderungen des Faureschen Accumulators wurde im Jahre 1882 Tudor patentiert. Der Erfinder verbindet das Planté- und Faure-Verfahren in sehr glücklicher Weise. Er läßt zunächst den Strom 2–3 Monate durch die Platten hindurchgehen. Das so behandelte Metall wird nunmehr mit Mennige bestrichen und von neuem mit Strom beschickt. Nach etwa einem Vierteljahr ist der „Sammler“ betriebsfähig. Die Tudor-Accumulatoren sind diejenigen, die allen Ansprüchen bisher am meisten gerecht werden, und sie haben sich daher, besonders auch in Deutschland, bereits allgemein eingebürgert.


Karneval am Rhein.

Von Ernst Lenbach.
Mit den Bildern S. 93 und S. 96 und 97

Karneval am Rhein! Welche Fülle von heiteren, farbensatten Bildern rufen die drei Worte in

der Erinnerung eines jeden wach, dem es auch nur einmal im Leben vergönnt war, in diesen Jungbrunnen der Freude einzutauchen!

Irgend eine Art Karneval hat es freilich zu allen Zeiten und bei jedem Volke gegeben. Es gehört zu den unveräußerlichen Menschenrechten, wenigstens einmal im Jahre auf eine Weile alle Weisheit und Würde von sich zu streifen und mit Vorsatz und Bedacht den Narren zu spielen – sonderlich am Vorabend ernster Jahresabschnitte. „Carne vale - Fleisch, ade!“ von dieser wehmütigen Losung der Fastenzeit soll ja das Fest seinen italienischen Namen haben. Mögen Sprachforscher zu solcher Ableitung zweifelnd die Köpfe schütteln – den Anlaß des Brauches kennzeichnet sie jedenfalls. Es ist bezeichnend, daß karnevalistisches Treiben von alters her seine stärkste Macht gerade an den Hauptsitzen kirchlicher Herrschaft entwickelt hat. In den „heiligen“ Städten des strenggläubigen Rußland braucht das Volk acht Tage – die sogenannte Butterwoche, um sich im ausgelassensten Lebensgenuß auf die großen Fasten gründlich vorzubereiten; und aus Goethes Schilderung wissen wir ja, wie unerbittlich damals in dem Rom der Päpste Prinz Karneval die Alleinherrschaft ausübte, sobald die Glocke des Kapitols das Zeichen gegeben, „es sei erlaubt, unter freiem Himmel thöricht zu sein“.

Auf deutschem Boden ist der Karneval zu seiner höchsten Blüte als allgemeines Maskenfest nur im Westen und Süden emporgediehen. Das ganze Wesen des Norddeutschen scheint sich gegen die Forderung zu sträuben, einige Tage lang die eigene Person nur als eine Rolle zu betrachten, die man wegwirft, um mit Behagen eine neue freigewählte Rolle zu spielen. Man hat versucht, rheinische Karnevalsbräuche in große Städte des Ostens und Nordens zu verpflanzen. Es ist aber damit ergangen wie mit den Versuchen, aus rheingauer Rebstöcken auf fremdem Boden rheingauer Wein zu erzielen. Eine Maske darf man nicht bloß tragen, man muß sie auch spielen und sich in ihr wohl fühlen.

Am Rhein ist das so. Es giebt von Mainz abwärts bis an die holländische Grenze wohl kaum ein Dorf, wo nicht zur Karnevalszeit „etwas gemacht wird“. Am glänzendsten aber entfaltet sich das Reich des Prinzen Karneval in den großen alten Städten des Landes, wo noch immer ein fester Kern ureingesessener Bürgerschaft mit den großen geschichtlichen Erinnerungen der Vaterstadt und der heimischen Mundart auch das Stammeserbteil heiteren, harmlosen Witzes wahrt. Bei der uralten gegenseitigen Eifersucht dieser Städte, vorab der drei stolzesten unter ihnen: Mainz, Köln und Düsseldorf, wäre es gefährlich, auch in karnevalistischen Dingen, einer unter ihnen den Preis zuzusprechen. Halten wir uns lieber an das, was allen gemeinsam ist: heiterer, nie verletzender Witz, der in der Wahl und Durchführung der Masken oft überraschende Beweise von der dem ganzen rheinfränkischen Stamme eigenen schauspielerischen Fähigkeit liefert und bei aller treffenden Verspottung fremder wie eigener Sonderbarkeiten niemals den alten Wahlspruch des rheinischen Karnevals verleugnet: „Geck, loß Geck elans!“ – „Ein Narr soll den andern vorbeilassen“ – eine Devise, die auch anderswo und zu anderen Zeiten als in den drei „tollen Tagen“ manchen betrübenden Streit verhindern würde.

Selbstverständlich regt der karnevalistische Geist nicht erst an den drei Fastnachtstagen seine Schwingen. Den zahlreichen großen, kleineren und kleinsten Karnevalsgesellschaften fällt die Aufgabe zu, in ihren allwöchentlichen Maskensitzungen, mit oder ohne Damen, den gährenden Most bis zum perlenden Weine reinster Heiterkeit zu zeitigen. Altem Brauche gemäß beginnt diese Vorbereitungszeit schon im Vorjahre, mit dem Elften des elften Monats – die Elf ist ja die heilige Zahl des Karnevals. Wer in der genannten Zeit zu Besuch in einer der großen Rheinstädte weilt, versäumt es gewiß nicht gern, einer jener Maskensitzungen beizuwohnen. In dieser Beziehung übt Mainz auf seine großen Nachbarstädte eine ganz besondere Anziehungskraft aus. Die preußischen Prinzen pflegten während ihrer Bonner Studentenjahre sich zu einer solchen Sitzung der großen Kölner Gesellschaft einzuladen. Es wird da in Reden und Liedern oft eine ebenso witzige wie nützliche Kritik an öffentlichen Zuständen, an allzuweisen Verordnungen hoher Behörden geübt. Auch Fragen der Litteratur und Kunst unterwirft Prinz Karneval seiner eigenartigen Beleuchtung, wie zum Beispiel im letzten Jahr „Fräulein Cäcilia Wolkenburg“, die geheimnisvolle Personifikation des berühmten Kölner Männergesangvereins, auf ihrer Bühne eine karnevalistische Umdichtung des Goetheschen „Faust“ vorführte, in welcher „M. E. Fisto“ als „ein armer Teufel“ auftritt und Gretchen als richtige Kölnerin natürlich den Familiennamen Schmitz führt. Goethe, der mit 76 Jahren noch dem Kölner Karneval in einem reizenden Gedichte seinen Segen gab, würde vermutlich herzlich zu dieser Verspottung seiner Aus- und Unterleger gelacht haben – selbst zu der überraschenden Lösung, daß „M. E. Fisto“ Gretchen heimführt, während Faust zur Strafe seiner Sünden Frau Marthe heiraten muß.

Besondere Glanzpunkte der Vorbereitungszeit sind der Dreikönigstag (6. Januar) mit seinen unzähligen Bohnenbällen und das gleichfalls dem Tanze geweihte Mariä Lichtmeß-Fest (2. Februar). Ehedem hatte noch der Donnerstag vor Karneval seine eigene Bedeutung als „Weiberfastnacht“, insofern die Frauen an diesem Tage in völliger Umkehrung der sonst angeblich gültigen Ordnung das Regiment im Haus und auf der Gasse führten und allerhand Maskenscherz trieben. Letzteres hat sich so ziemlich verloren, aber noch ist es hier und da Brauch, daß an diesem Tage Maskensitzungen unter weiblichem Präsidium stattfinden.

Den Glanz- und Mittelpunkt des eigentlichen Karnevals bildet in den großen Städten der Festzug am zweiten Fastnachtstage, dem sogenannten Rosenmontag (von rôsen = rasen, toll sein). In diesem Punkte steht Köln wohl unbestritten obenan; die dortigen Rosenmontagszüge (der vorjährige stellte die „Volksfeste aller Nationen und Zeiten“ dar) sind mit ihren zahlreichen turmhohen Prachtwagen und den Hunderten von glänzend und witzig kostümierten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_094.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)