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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Das Pellerhaus in Nürnberg.

Von Hans Boesch.


Wie noch heute alljährlich viele junge Leute aus Italiens sonnigen Gefilden über die Alpen nach Deutschland ziehen, um dort Arbeit und Verdienst zu suchen, so geschah es vor Jahrhunderten bereits. Es war im Jahre 1550, als ein ärmlicher zwölfjähriger Junge, dessen Aeußeres seine südländische Herkunft verriet, in die mauerumgürtete, weltberühmte Reichsstadt Nürnberg eintrat, die damals noch auf dem Gipfel ihrer Macht und Blüte stand. Obgleich die Jugend im Erbauen von Luftschlössern ja das Kühnste und Großartigste leistet, ließ es sich dieser Knabe, ein Ballenbinderssohn aus Venedig, schwerlich damals träumen, daß er sich einst zum reichsten Kaufmann dieser Stadt, zu einem der vornehmsten Handelsherren in Deutschland überhaupt emporschwingen werde. Als Bartholomäus Viatis im Jahre 1624 im Alter von 86 Jahren starb, soll er nicht weniger als 16 Tonnen Gold hinterlassen haben.

Sein treuester und tüchtigster Diener war Martin Peller aus Radolfszell, der von Hause aus schon vermöglich war. Ihn nahm Viatis zum Geschäftsteilhaber und gab ihm im Jahre 1590 seine Lieblingstochter Maria zum Weibe, welcher bei dem Ableben des Vaters auch der größte Teil des für jene Zeit riesigen Vermögens zufiel, trotzdem eine sehr beträchtliche Zahl von Geschwistern vorhanden war.

Die Außenseite.

Nach zehnjähriger glücklicher Ehe schritt das Paar dazu, sich ein behagliches Heim zu errichten. Die Häuser der Nürnberger Kaufleute und Patrizier sind im allgemeinen nach außen sehr einfacher Art; die sonst glatten Fassaden wurden meist nur durch Erker und Chörchen, seltener durch Malereien belebt. Dagegen war die Dacharchitektur reicher ausgebildet und das Innere des Hauses desto behaglicher und gediegener ausgestattet; wahre Perlen malerischer Baukunst finden sich unter den nie fehlenden Höfen. Martin Peller hatte einen anderen Geschmack. Mit seinem Schwiegervater war er der Ansicht, das neue Haus müsse schon durch sein Aeußeres von dem großen Reichtume der berühmten Firma laut und deutlich Kunde geben. Am 9. August des Jahres 1600 kaufte Martin Peller, Bürger und „Genannter“ des Größern Rats dieser Stadt, wie er in dem Kaufbriefe, der heute noch vorhanden ist, bezeichnet wird, von den Grolandschen Erben eine stattliche Behausung um den ansehnlichen Betrag von 6290 Gulden, der, wie besonders betont wird, sofort bar bezahlt wurde. Der alte Bau aber ward nicht für würdig befunden, sondern wurde abgerissen, um einem Neubaue Platz zu machen. Und so ward in den Jahren 1600 bis 1605 hoch oben an dem aristokratisch ruhigen Aegidienberg ein Denkmal des damaligen Unternehmungsgeistes in diesem stolzen Prachtbau errichtet, der heute noch das Entzücken jedes Besuchers der Stadt Nürnberg bildet und an dem auch der abgestumpfte Eingeborne nicht vorübergeht, ohne ihm einen wohlwollenden Blick zuzuwerfen.

Die aufs reichste geschmückte Fassade mit ihrem mächtigen, durch die Figur des Jupiter bekrönten stolzen Giebel, mit den zierlichen Schnecken, den keck in die Lüfte ragenden Spitzen, vereinigt spätgotisches Maßwerk mit den Formen der Spätrenaissance zu einem imposanten malerischen Ganzen. Die ganze Skala der damals üblichen Säulenordnungen mußte zum Schmucke der Außenseite herhalten; diese ziert auch eine Darstellung des Namenspatrons des Hauserbauers, des heiligen Martin, auf den Peller viel gehalten haben muß, obgleich er Protestant war, denn auch auf seinem kunstreich in Bronze gegossenen Grabdenkmale auf dem St. Johanniskirchhofe fehlt der Heilige nicht. Ein wahres Kleinod aber ist der Hof; zwei Seitenteile mit luftigen, dreifach übereinander gestellten Bogengängen, in welchen sich der Einfluß des italienischen Schwiegervaters zu erkennen giebt, verbinden das Vorder- mit dem Hinterhaus, das durch die weit hervortretende Galerie im ersten Stocke, durch den reizenden Erker, der durch drei Stockwerke geht, an malerischer Wirkung das Hauptgebäude weit übertrifft. Der Reichtum, der die äußere Erscheinung auszeichnet, ist auch im Innern konsequent durchgeführt; Treppen und Gänge, Säle und Zimmer sind aufs prächtigste geschmückt. Die köstlichen geschnitzten und eingelegten Täfelwerke, die reich gegliederten Holzdecken mit den eingefügten Gemälden, der vornehme plastische Schmuck geben uns einen Begriff, in welch’ luxuriöser, aber gediegener Weise einst das prächtige Kaufhaus eingerichtet und ausgestattet war.

So großes Aufsehen der schöne Bau schon zu seiner Zeit erregte, so fand es doch keiner der alten zahlreichen Nürnberger Chronikenschreiber für nötig, den Namen des kunstreichen Architekten in seine Annalen einzutragen. Der jetzige Besitzer des Hauses hat zwar noch zahlreiche Entwürfe und Detailzeichnungen aus der Entstehungszeit des Baues, die einen lehrreichen Einblick in die

Entwicklung desselben gewähren, welchen Namen der Baumeister aber

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_124.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2023)